Die Debatte um die künftige Nutzung der Steinhalle im Mainzer Landesmuseum ebbt nicht ab, Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) hält derweil weiter an der Idee eines „Demokratielabors“ in dem alten Plenarsaal fest. Klar sei inzwischen aber auch: „Wir geben die Steinhalle an das Museum zurück“, versprach Hering Ende Mai: „Was zukünftig hier stattfindet, findet unter Leitung der GDKE statt.“ Trotzdem würde der Erhalt des alten Plenargestühls in der Steinhalle weiter bedeuten: Die Halle steht fast zur Hälfte nicht für die Präsentation des Römischen Erbes zur Verfügung. Dagegen protestieren weiter Vereine, Verbände und praktisch alle Parteien im Mainzer Stadtrat, nun meldete sich auch die ÖDP zu Wort. Die CDU aus der Mainzer Altstadt schlägt gar eine Alternative vor: Das Mainzer Schloss.
Man habe die Pläne Herings, die Steinhalle „dauerhaft zu reduzieren“, mit „völligem Unverständnis“ aufgenommen, sagte der Vorsitzende der CDU Mainz-Altstadt, Lothar Both, im Namen seines Ortsvereins und betonte: „Das römische Erbe der Stadt hat es verdient in einem ansprechenden Rahmen präsentiert zu werden.“ Dies sei den Museumsmachern in der alten Steinhalle „hervorragend gelungen“, das solle so auch wieder werden. „Der Wunsch des Landtages, ein Demokratielabor in Mainz zu etablieren ist nachvollziehbar“, betonte Both zugleich, „nur, der gewählte Ort ist eindeutig falsch.“
Die Wurzeln der ersten Demokratie auf deutschem Boden, der Mainzer Republik, hätten im Mainzer Jakobinerclub gelegen, der aber sei am 23. Oktober 1792 im Kurfürstlichen Schloss gegründet worden – dieser Klub habe dann die Wahlen zum ersten demokratischen Parlament in Deutschland, dem Rheinischen Nationalkonvent, organisiert. Deshalb fordere die CDU Mainz-Altstadt, ein Demokratielabor in den Umbau des Rheinflügels des Kurfürstlichen Schlosses zu integrieren, teilte Both weiter mit. Nach Umzug des Römisch-Germanischen Zentralmuseums in sein neues Domizil am Bahnhof Römisches Theater müsse das Schloss ohnehin umgebaut werden. „Da kann dann nicht nur der alte Plenarsaal des Landtages eingebaut werden, sondern auch weitere Dokumente der Demokratie präsentiert werden“, sagte Both weiter.
Ein neues Gebäude auf dem Ernst-Ludwig-Platz lehne die Altstadt-CDU hingegen strikt ab, diese wichtige Freifläche dürfe nicht bebaut werden, sondern müsse den Bewohnern zur Verfügung stehen. Eine wesentliche Verbesserung des Kleinklimas könne zudem durch die Sanierung und wieder Inbetriebnahme des still gelegten Jubiläumsbrunnens erreicht werden, sagte Both weiter, und fügte hinzu: „Es wäre eine schöne Geste des Landtags, wenn dieser als kleine Entschädigung für die Einschränkungen während der langen Bauzeit am Deutschhaus, die Kosten hierfür übernehmen würde.“
Damit haben sich nun fast alle Parteien im Mainzer Stadtrat deutlich gegen die Umwidmung der alten Steinhalle im Landesmuseum ausgesprochen: Die Mainzer FDP hatte die Landtags-Pläne scharf als „nicht nachvollziehbar“ kritisiert, „diese ad-hoc-Entscheidung erscheint ein bisschen arg provinzpossenhaft“, schimpfte FDP-Chef David Dietz. Zuvor hatte bereits die Mainzer CDU die Pläne scharf kritisiert und Hering „Wortbruch“ vorgeworfen. Herings Vorgänger, Landtagspräsident Joachim Mertes (SPD), hatte vor dem Umzug des rheinland-pfälzischen Landtags vom Deutschhaus in die Steinhalle versprochen, der Landtag werde nach der Sanierung des Deutschhauses wieder ausziehen, und die Steinhalle dem Museum zurückgeben. Hering hatte hingegen im Sommer 2019 Pläne entwickelt, das alte Plenargestühl in der Steinhalle eingebaut zu lassen, weil inzwischen im neu umgebauten Landtag ein neues Gestühl nötig wurde.
Der Landtagspräsident hatte daraufhin die Idee entwickelt, aus dem Interims-Plenarsaal ein „Demokratielabor“ für Veranstaltungen und zur Förderung von Demokratie-Bewusstsein zu machen – als Mainz& über diese Pläne Ende April 2021 zum ersten Mal ausführlich öffentlich berichtete, erhob sich ein wahrer Proteststurm: Gleich reihenweise protestieren seither Verbände von Historikern und Archäologen sowie renommierte Geschichtsvereine im Dutzend gegen die „Zweckentfremdung“. Die alte Steinhalle sei ein europaweit einmaliger Präsentationsort römischer Steindenkmäler mit einzigartiger Atmosphäre gewesen, der unbedingt wieder hergestellt werden müsse, fordern die Kritiker – Mainz drohe andernfalls eine irreparable Rufschädigung. Der Freundeskreis des Museums warf Hering gar Wortbruch vor und kritisierte, man sei in die Entscheidungen überhaupt nicht eingebunden gewesen und fühle sich „hinters Licht geführt.“
Hering verteidigte die Entscheidung Ende Mai bei einem Gespräch mit Journalisten noch einmal. Das alte Plenargestühl sei „nicht nur ein rein funktionales Möbel, dort sind 35 Jahre im Land die wichtigsten Entscheidungen getroffen worden“, argumentierte Hering, das Plenargestühl habe auch historisch einen eigenen Wert: „Es war das erste Parlament in Deutschland, wo es gelungen ist, Regierung und Parlament auf Augenhöhe zu bringen“, betonte Hering: „Das ist ein Ausstellungsstück der Landesgeschichte.“ Rheinland-Pfalz hatte damals als erstes Parlament der Republik eine kreisförmige Anordnung des Plenums eingeführt.
Die Idee für den Erhalt des Plenarrunds in der Steinhalle und die Umwandlung in ein „Demokratielabor“ wurde Hering zufolge im August 2019 dem Ältestenrat des Landtags präsentiert, danach sei der Kurator der Kaiserausstellung beauftragt worden, eine Machbarkeitsstudie zu erstellen. „Es fanden seit Sommer 2020 im Zusammenhang mit der geplanten Machbarkeitsstudie intensive Gespräche mit der Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE), dem Kulturministerium, dem Landesmuseum und der Landtagsverwaltung statt“, betonte Hering weiter: „Wir wollen uns mit der Idee eines ‚Reallabors Demokratie‘ einbringen.“
Ziel sei, den Menschen, die den Landtag besuchen wollten, auch „die Angebote des Landesmuseums zu eröffnen“, und zugleich wichtige Tagungen und Kongresse zum Thema Demokratie veranstalten zu können. „Wir glauben, dass das angemessene Tagungsräumlichkeiten sind, die dann auch gemeinsam von Landtag und Landesmuseum genutzt werden könnten“, sagte der Landtagspräsident weiter. Der Bedarf dafür sei da: Zwischen 2016 und 2019 fanden Hering zufolge rund 1000 Veranstaltungen im Plenarsaal statt, etwa 300 Veranstaltungen mussten aber aus Platzmangel abgesagt werden – „und das in einer Zeit, wo wir eigentlich mehr für Demokratie machen wollten“, sagte Hering.
Die Mainzer SPD hatte vorgeschlagen, für das alte Plenargestühl einen Alternativort zu suchen, der näher am Landtag oder im Landtag selbst liege, Hering äußerte sich dazu skeptisch: „Dadurch, dass der Landtag hier fünf Jahre getagt hat, ist es auch ein authentischer Ort geworden“, sagte Hering mit Blick auf die Steinhalle, „wenn man das rausreißen würde, würde es das verlieren.“ Es spreche deshalb „viel dafür, an diesem Ort zu bleiben, ich wüsste auch keinen anderen“, fügte er hinzu. Ein Neubau für den Plenarsaal – ein weiterer Vorschlag – würde hingegen als Geldverschwendung ausgelegt, meinte Hering.
Die Mainzer Altstadt-SPD hatte indes auch geklagt, seit dem Einzug des Landtags sei die Präsentation der bedeutenden römischen Steinelemente nicht mehr möglich, „das ist ein großer Verlust für die Mainzer Stadtgesellschaft“ – wenn die Steinhalle dauerhaft Plenarort bleibe, „erwarten wir Vorschläge, wo in Mainz ein neuer Platz zum Zeigen der Monumente angedacht werden könnte“, hieß es weiter. Genau dafür aber liegen weiter keinerlei Vorschläge oder Ideen vor: Wo das Römische Erbe dann anstelle der Steinhalle präsentiert werden könne, dafür gibt es weiter kein Konzept, geschweige denn Räumlichkeiten.
Hering sagte dazu: „Klar ist für uns: wir geben die Steinhalle an das Museum zurück, was zukünftig hier stattfindet, findet unter Leitung der GDKE statt.“ Bislang hatte es geheißen, der Landtag wolle das Hausrecht für die Steinhalle behalten, das ist nun offenbar vom Tisch. Hering sagte der Landtag habe bisher einen Mietvertrag für die Steinhalle gehabt, das Mietermodell sei aber „vor zwei Jahren abgeschafft worden“. Die bisherige Lobby der Steinhalle soll – so die Pläne – künftig dann zur Präsentation der wertvollen Sammlung römischer Denkmäler genutzt werden, allerdings auf einer mehr als einem Drittel verkleinerten Fläche. Zudem sollen hier nach dem bisherigen Konzept auch Veranstaltungen stattfinden.
Wie das zusammengehen soll, wie die das römische Erbe angemessen präsentiert werden könne, „das zu beurteilen steht mir nicht zu“, sagte Hering auf Mainz&-Nachfrage. Die GDKE und das Landesmuseum würden dafür nun eine neue Konzeption erarbeiten, „man soll jetzt mal Museumsfachleuten die Chance geben, sich Gedanken zu machen, wie das hier präsentiert werden kann“, sagte er weiter. Er sei aber überzeugt, „dass das römische Erbe hier attraktiv präsentiert werden kann.“ Er gehe davon aus, dass eine Konzeption im Herbst dieses Jahres fertig sein könne, das Ziel sei, noch in diesem Jahr Entscheidungen zu treffen.
Doch die Riege der Kritiker reißt nicht ab: Inzwischen forderte auch die ÖDP den Erhalt der Steinhalle als Ort des Römischen Erbes, das müsse Priorität haben. „Wir sind nicht nur von der Wichtigkeit der Steinhalle als Präsentationsort der bedeutsamen Sammlung römischer Steindenkmäler überzeugt, die Steinhalle hat auch an und für sich, als ehemalige Reithalle des Kurfürstlichen Marstalls, eine museale Bedeutung“, sagte ÖDP-Fraktionschef Claudius Moseler. Die Präsentation der Sammlung müsse zwar aus didaktischer Perspektive dringend überarbeitet werden. „Wir dürfen den Wert des Römischen Erbes für unsere Stadt Mainz aber nicht zugunsten eines potentiellen Demokratielabors, für das es außerdem auch sehr viel geeignetere Orte gäbe, verkennen“, mahnt ÖDP-Stadträtin Dagmar Wolf-Rammensee.
Die Initiative Römisches Mainz (IRM) bot sich unterdessen als Vermittler an: Man halte „die einseitig vom Landtagspräsidenten getroffene Festlegung der weiteren Raumnutzung nicht für sachangemessen“, kritisierte die (IRM) – es sei diese einseitige Entscheidung Herings gewesen, die die derzeit sehr kontrovers geführte Debatte ausgelöst habe. Man könne viele Positionen nachvollziehen, so auch die Idee eines Demokratielabors, dem Landesmuseum müsse jetzt „in einem sachlichen Austausch“ Gelegenheit gegeben werden, seine Vorstellungen zur weiteren Gestaltung sowie die begleitende museumspädagogische sowie archäologische Konzeption öffentlich vorzustellen.“ Die IRM stehe „gerne bereit, zwischen den unterschiedlichen Interessen zu vermitteln und aktiv zu einer Lösung beizutragen, bei der der Präsentation und der pädagogischen Einbindung des wertvollen römischen Bestandes an Steindenkmälern Rechnung getragen wird“, heißt es weiter.
Derweil sammeln Kritiker weiter Unterschriften für den Erhalt der Steinhalle, eine entsprechende Online-Petition hat inzwischen mehr als 4.500 Unterschriften gefunden, über 1.300 Unterzeichner haben ihre Unterstützung mit Kommentaren untermauert. Eine großer Teil der Unterzeichner kommt aus ganz Deutschland und sogar aus dem europäischen Ausland, zum Erreichen des vorgesehenen Quorums fehlen den Antragstellern aber noch rund 400 Unterschriften von Mainzern – erst dann gilt die Petition als erfolgreich und kann beim Landtag eingereicht werden. Für das Erreichen des Quorums stehen den Organisatoren noch 16 Tage Zeit zur Verfügung, der Freundeskreis des Landesmuseums will deshalb am Samstag in der Mainzer Innenstadt weitere Unterschriften sammeln.
Info& auf Mainz&: Mehr zu dem Streit um die Steinhalle lest Ihr ausführlich hier bei Mainz&, den Alternativvorschlag der SPD sowie weitere Protestbriefe könnt Ihr hier nachlesen. Was bisher über das Konzept Reallabor bekannt ist, haben wir hier berichtet, weitere Stimmen von Archäologen und Historikern könnt Ihr hier nachlesen. Was die Leiterin des Landesmuseums und der GDKE zu der Causa Steinhalle sagen, und wie Innenminister Roger Lewentz (SPD) einen Kompromiss finden will, das lest Ihr hier bei Mainz&.