Die Corona-Pandemie zeigt wie unter einem Brennglas die Schwachstellen unserer Gesellschaft auf, das gilt in besonderem Maße auch für die Frage von Arm und Reich. „Von Armut betroffene Menschen werden auch in Corona-Zeiten deutlich benachteiligt“, sagt der Mainzer Sozialmediziner Gerhard Trabert, und kritisiert nun insbesondere den Umgang mit der Maskenpflicht: Gerade einkommensschwachen Menschen fehle oft das Geld für die derzeit so wichtigen Mundschutzmasken, sie müssten deshalb kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Auch hätte die Politik klare Informationen und leicht verständliche Anleitungen herausgeben müssen, schließlich gebe es fast 10 Millionen funktionelle Analphabeten.

Der Mainzer Sozilamediziner Gerhard Trabert behandelt seit Jahren in seinem Arztmobil obdachlose Menschen. - Foto: gik
Der Mainzer Sozilamediziner Gerhard Trabert behandelt seit Jahren in seinem Arztmobil obdachlose Menschen. – Foto: gik

Trabert hatte bereits früh in der Corona-Pandemie den Umgang mit Wohnungslosen und armen Menschen in der Krise kritisiert und Konzepte gefordert, nun weist der Mainzer Arzt und Professor für Sozialmedizin noch einmal auf die Probleme dieser Menschen hin: „Während sich Menschen, die über ausreichend finanzielle Mittel verfügen, mit Lebensmittel und anderen zum Leben notwendigen Dingen eindecken konnten, war das für soziale Transferleistungsbezieher, also Bezieher von Arbeitslosengeld 2, Sozialgeld oder ergänzenden finanziellen Hilfen nicht möglich“, schreibt Trabert in einer Stellungnahme.

Wer wenig Geld hatte, konnte nicht auf Vorrat kaufen und war so „gezwungen, öfter nach draußen zu gehen, öfter für wenig Geld, wenige Artikel zu kaufen.“ Dadurch mussten sich diese Gruppen aber auch einem höheren Infektionsrisiko aussetzen, oft auch, weil mangels eines Autos auf den Öffentlichen Nahverkehr zurückgegriffen werden musste. Vielen Einkommensschwachen fehle zudem bis heute das Geld für Masken, kritisiert Trabert: „Wer über mehr Geld verfügt, hat auch hier Vorteile, er kann mehrere Masken kaufen, nach dem Gebrauch entsorgen, eine neue aufsetzen. Die Maskenpflicht ist wie eine Trennlinie zwischen Armen und den Wohlhabenden.“

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Welche Arten von Masken gibt es, und wie benutzt man sie und wo? - Foto: GCV
Welche Arten von Masken gibt es, und wie benutzt man sie und wo? Für bildungsferne Menschen gab es dazu wenig Informationen. – Foto: GCV

Der Staat hätte zudem mehr dafür tun müssen, um den Sinn der Maskenpflicht auch solchen Menschen zu verdeutlichen, die wenig Zugang zu Information und Bildung hätten, sagte Trabert weiter: „Von politischer Seite hätten in diesem Zusammenhang sofort Informationen in leichter Sprache an die Bevölkerung weitergegeben werden müssen“, betonte der Sozialmediziner. Auch klare klare Informationen, wie die Masken zu handhaben und benutzen seien, wäre wichtig gewesen, eine Anleitung mit visualisierenden Piktogrammen sinnvoll und notwendig. „Wir dürfen nicht vergessen: In Deutschland gibt es fast 10 Millionen funktionelle Analphabeten“, sagte Trabert, das seien Menschen, die zwar lesen und schreiben könnten, trotzdem aber Schwierigkeiten hätten, komplexere Inhalte zu verstehen.

Trabert fordert zudem gemeinsam mit verschiedenen Verbänden und Sozialinitiativen ein staatliches Unterstützungs- und Rettungspaket für sozial benachteiligte Menschen. „Das müsste dringend beschlossen werden“, forderte er. Das Arbeitslosen II-Budget müsse in Pandemie-Zeiten um 100 Euro erhöht werden, um höhere Kosten etwa von Lebensmitteln aufzufangen. Dazu brauche es mehr Covid-19-Tests in sozialen Brennpunkten, die Befreiung von Schuldzinsen durch ausstehende Krankenkassenbeiträge und eine Finanzierung von Laptops und Druckern für Kinder im Homeschooling, deren Eltern Hartz IV beziehen.

"Straßen-Doc" Gerhard Trabert mit seinem Arztmobil in Mainz. - Foto: gik
„Straßen-Doc“ Gerhard Trabert mit seinem Arztmobil in Mainz. – Foto: gik

Trabert fordert auch unentgeltliche Abgabestellen von Mund-Nasen-Schutzmasken – sein Verein Armut und Gesundheit fängt damit am heutigen Mittwoch schon einmal an: Ab 14.00 Uhr verteilt der verein auf dem Gutenbergplatz vor dem Staatstheater dem verein gespendete Mund-Nasen-Schutzmasken. „Die Aktion richtet sich an Menschen, die selbst von Armut betroffen sind“, sagte Martin Röthig von Armut und Gesundheit. Verbunden sei die Aktion „mit dem Aufruf an Stadt, Land und Bund, sowie alle anderen von uns, von Armut betroffene Menschen jetzt nicht noch stärker auszugrenzen.“ Es brauche mehr Solidarität, auch Menschen, die wenig Geld hätten, müssten sich gut vor Corona schützen können.

Info& auf Mainz&: Die Aktion Verteilung kostenloser Masken für einkommensschwache Menschen findet am Mittwoch, 8. Juli 2020 ab 14.00 Uhr auf dem Gutenbergplatz in Mainz statt. Mehr zum Thema Obdachlose und Corona lest Ihr hier bei Mainz&.

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