Die Mainzer Uniklinik ist untertunnelt mit einem ganzen Netzwerk an Versorgungsgängen, die meisten: uncharmante Backsteintunnel, kahl, und ein bisschen unheimlich. Und doch werden hier unten Patienten durchkutschiert, auch ganz kleine: Die Kinderklinik der Mainzer Universitätsmedizin hat ihre Operationssäle in einem Nachbarhaus, der Weg dahin führt durch einen 200 Meter langen unterirdischen Versorgungsgang. Für die Kinder war das nicht selten ein kleiner Horrortrip – seit einem Vierteljahr ist das anders: Dank 800 Alupanelen und einem kleinen Papierflieger ist aus dem Trip durch den Tunnel eine spannende Geschichte geworden.
„Alle Kinder müssen hier unten durch gefahren werden“, sagt Oliver Muensterer seufzend, „das ist eigentlich ein Versorgungsgang.“ Muensterer ist Leiter der Kinderchirurgie an der Mainzer Universitätsmedizin, um seine kleine Patienten von der Kinderklinik in die Chirurgie zu bekommen, müssen sie durch einen 200 Meter langen, unterirdischen Versorgungsgang gefahren werden – bislang ein Horrortrip für so manches Kind.
„Niemand war begeistert von dem Tunnel, die Eltern fanden das vor allem schlimm“, erzählt Muensterer. Doch seit einem Vierteljahr hat der Horror ein Ende: Ein Papierflieger huscht nun an der Wand entlang, gaukelt über eine bunte Tunneldecke und führt den kleinen Patienten magisch durch den Tunnel. „Die Kinder kriegen den Mund nicht mehr zu“, erzählt Muensterer, „die starren so gebannt auf den Flieger und sind begeistert – man kann ja auch gar nicht anders als dahinzuschauen.“
Der „Tunnelflieger“ war die Idee des Fördervereins Sterntaler, seit 1991 sammelt der privat getragene Verein Geld für Anschaffungen der Mainzer Kinderklinik. Wärmestrahler für Frühgeborene, Elternliegen in den Zimmern oder sogar eine moderne, integrierte OP-Technik finanzierte der Verein schon, erzählt der Vorsitzende Wolfgang Puth.
Vor etwa acht Jahren hatte der Verein dann die Idee, die Fachhochschule Mainz in Sachen Gestaltung für den unterirdischen Tunnel anzusprechen. Vier verschiedene Ideen wurden entwickelt, um den Tunnel freundlicher und angenehmer zu machen, am Ende entschied man sich mit großer Mehrheit für den Tunnelflieger. „Was mir besonders gefällt ist, dass der Tunnelflieger eine Geschichte erzählt“, sagt Muensterer.
Jedes Kind bekomme bei der Aufnahme in die Kinderklinik einen Papierflieger, der begleitet den kleinen Patienten dann mit Hilfe virtueller 3D-Technik bis in den OP-Saal und zurück. Auf der Station wird dafür ein Projektor an das Klinikbett geklemmt, der projiziert den Papierflieger an die Wand. Bewegliche Projektionsköpfe lassen dabei den Flieger am Wolkenhimmel hin und herschweben.
„Das Kind verfolgt im Bett liegend den Papierflieger durch den Tunnel“, erklärt Muensterer, „das Kind, das vorher an die fürchterliche Technikdecke geguckt hat, verfolgt jetzt den Flieger.“ Und so sei eben nicht nur ein bunter Raum entstanden, „sondern eine dynamische Geschichte, eine kleine Handlung.“
Damit das auch in dem unterirdischen Versorgungsgang funktionierte, waren allerdings erhebliche Investitionen nötig: 800 dreidimensional geformte Module aus gepulvertem Aluminium hergestellte Panele mussten dafür an der Tunneldecke befestigt werden, erzählt Bernd Benninghoff, Professor für Möbeldesign und Raumentwurf an der Hochschule Mainz. Dazu kamen Projektionstechnik und die Lichtinstallation mit rund 50 Lampen, 140.000 Euro an Kosten kamen so zusammen. 110.000 Euro übernahm davon das Land Rheinland-Pfalz, nachdem der Tunnelflieger 2016 den Designpreis des Landes gewonnen hatte. Die restlichen Kosten sammelte der Förderverein zusammen.
Drei Jahre dauerte die Umsetzung von der Entwicklung des Prototyps bis zum fertigen Projekt, es mussten Vorschriften wie Brandschutz, Licht und Hygiene geklärt werden, erzählt Benninghoff. Jetzt aber stoße der Tunnelflieger auf große Begeisterung: “ Er funktioniert von zwei bis 18 Jahre, und auch Erwachsene finden ihn wunderschön“, erzählt Benninghoff. Eine über viele Jahre bestehende, sehr unbefriedigende Situation sei nun durch den Tunnelflieger entscheidend verbessert worden, freut sich auch Puth, und Chirurg Muensterer ergänzt: „Das ist für uns ein Meilenstein auf dem Weg zu einer kinderfreundlichen Unimedizin.“
Info& auf Mainz&: Mehr über den Förderverein24 Sterntaler findet Ihr hier im Internet.