Die Stickoxide in Mainz lagen auch im ersten Halbjahr 2019 weiter über dem erlaubten Grenzwert von 40 Mikrogramm: 42 Mikrogramm habe der Mittelwert von Januar bis Juni 2019 betragen, informierte Umwelt- und Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) am Donnerstag in Mainz. Ein Dieselfahrverbot zum 1. September werde sie trotzdem nicht verhängen: Die Stadt habe es geschafft, die Stickoxide im Vergleich zu 2018 um 5 Mikrogramm zu senken. „Das ist ein Riesenerfolg“, betonte Eder, die Maßnahmen der Stadt wirkten. Sie gehe davon aus, dass die Werte im zweiten Halbjahr weiter sinken „und wir irgendwann unter die 40 Mikrogramm kommen.“ Vom Tisch ist ein Fahrverbot damit noch lange nicht: Die Deutsche Umwelthilfe dürfte sich damit nicht zufrieden geben.

Die Messstation in der Mainzer Parcusstraße. - Foto: gik
Mainz überschreitet in der Parcusstraße noch immer den Stickoxid-Grenzwert von 40 Mikrogramm – im ersten Halbjahr 23019 waren es 42 Mikrogramm. – Foto: gik

Damit ist eingetreten, was Experten schon lange prophezeit hatten: Mainz schafft es weiter nicht, den Grenzwert von 40 Mikrogramm einzuhalten. Das Verwaltungsgericht Mainz hatte im Oktober 2018 verfügt, Mainz müsse zum 1. September ein Dieselfahrverbot für ältere Pkw einführen – sofern die Stickoxidwerte im ersten Halbjahr 2019 nicht auf den Grenzwert von 40 Mikrogramm sänken. Genau das ist nun der Fall: Im Mittel der ersten sechs Monate lag der Stickoxidwert an der am meisten belasteteten Parcusstraße bei 42 Mikrogramm. Schuld daran war vor allem der Februar: Mit 56,8 Mikrogramm Stickoxide pro Kubikmeter Luft lag der Wert im Februar so hoch, wie im ganzen Jahr 2018 nicht.

Den Grund könne man nicht ganz genau benennen, sagte Eder, offenbar habe die lange Inversionswetterlage zu den hohen Werten geführt. Tatsächlich schnellten im gesamten Rhein-Main-Gebiet die Werte nach oben: In Frankfurt wurden im Februar 2019 stolze 61,1 Mikrogramm gemessen, in Wiesbaden sogar 62,5 Mikrogramm. „Es gab eine ungewöhnliche Invasionssituation“, sagte Michael Weißenmayer vom Landesamt für Umwelt, das die Messwerte ermittelt, das habe in etwas geringerem Umfang auch noch einmal für den Juni gegolten: Im vergangenen Monat lag der Stickoxidwert in der Parcusstraße bei 42,1 Mikrogramm im Monatsschnitt.

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Im Januar 2019 verzeichnete die Messstation in der Parcusstraße hingegen nur 39,2 Mikrogramm, im März lag man mit 40 Mikrogramm genau auf dem Grenzwert, im April wurden 39,1 Mikrogramm ermittelt und im Mai mit 36,1 Mikrogramm der niedrigste Werte seit Langem. 2018 hatte der Jahresmittelwert in Mainz noch bei 47 Mikrogramm gelegen. In Mainz werden Stickoxide primär an drei Stellen mit offiziellen, EU-konformen Messstationen gemessen: In Mainz-Mombach, auf der Zitadelle und auf der Mittelinsel der Parcusstraße. Relevant für die Klagen der Deutschen Umwelthilfe gegen die Stadt Mainz ist vor allem die Parcusstraße, weil hier der Grenzwert von 40 Mikrogramm in der Vergangenheit dauerhaft und deutlich überschritten wird.

Messwerte für Stickoxide der Passivsammler in Mainz. - Foto: gik
Messwerte für Stickoxide der Passivsammler in Mainz. – Foto: gik

Dazu existieren im Stadtgebiet jedoch auch 18 Passivsammler, die einfachen Röhrchen-Konstruktionen sammeln Stickoxide mit einem deutlich einfacheren Verfahren. An vier Passivsammlern wurden auch im ersten Halbjahr 2019 Werte zwischen 43 und 47 Mikrogramm gemessen, die Deutsche Umwelthilfe hatte vor Gericht betont, auch diese Werte müssten für die Bemessung in Mainz herangezogen werden. Eder betonte nun, drei der vier Passivsammler mit Überschreitungen hingen so, dass ihr Messplatz nicht der Bundesemissionsschutzverordnung entspreche. So sei der Passivsammler in der Rheinstraße in Höhe der Fachhochschule etwa an einer Bushaltestelle und in Höhe der Autoauspuffanlagen angebracht – und dürfe deshalb nicht in die Bemessung des städtischen Ergebnisses einfließen.

Problemzone Kaiserstraße Ecke Rheinallee: Auch hier sind die Stickoxide zu hoch. - Foto: gik
Problemzone Kaiserstraße Ecke Rheinallee: Auch hier sind die Stickoxide zu hoch. – Foto: gik

Ein Problem gebe es allerdings noch an der Kaiserstraße, Ecke Rheinallee: Bei dem hier aufgehängten Passivsammler lag der Mittelwert im ersten Halbjahr bei 43 Mikrogramm – und dieser Passivsammler hängt korrekt. Das Röhrchen ist auf der Mittelinsel an einem Baum angebracht, die Entwicklung hier bereite noch Sorgen, sagte Eder, und räumte ein: „Der aktuelle Luftreinhalteplan ist auf die Parcusstraße gemünzt, aber wenn wir sehen, dass wir woanders ein Problem haben, müssen wir umswitchen.“

Gleichzeitig betonte Eder aber auch, die Stadt habe sehr wohl die Luftqualität in der gesamten Innenstadt im Blick: „Unser oberstes Interesse ist, den Grenzwert einzuhalten“, betonte sie. Dass an der Parcusstraße der Stickoxidwert von 47 auf 42 Mikrogramm sank zeige, dass die Maßnahmen der Stadt griffen: „Ein Rückgang von fünf Mikrogramm ist ein Riesenerfolg“, betonte Eder, „hätte mir das jemand vergangenen Oktober gesagt, ich hätte ihn für verrückt erklärt und gesagt: Das geht nicht.“ Der Rückgang belege, dass der Straßenbahnausbau und die Umrüstung der Busflotte „wirklich etwas bewirkt haben“.

23 nagelneue Busse der Euro-Norm 6 präsentierte die Mainzer Mobilität Anfang des jahres 2019. - Foto: gik
23 nagelneue Busse der Euro-Norm 6 präsentierte die Mainzer Mobilität Anfang des Jahres 2019. – Foto: gik

Die Mainzer Mobilität hatte Ende 2018 begonnen, die gesamte Dieselbusflotte umzurüsten und Filter einzubauen, die die Stickoxidemissionen um 95 Prozent senkten. Rund 100 Dieselbusse wurden so umgerüstet, dazu 23 neue Busse der Euro 6-Norm bestellt. Experten hatten im Vorfeld die Auswirkungen der Umrüstungen auf etwa fünf Mikrogramm hochgerechnet, genau um diesen Wert sanken nun die Stickoxide an der Parcusstraße tatsächlich. Eder räumte zugleich ein, die Umrüstung der Busse habe erst zum 1. April komplett abgeschlossen werden können. „Das war später als wir wollten, aber es lag nicht an uns“, betonte die Dezernentin: Die Genehmigung der Nachrüstungstechnik durch das Bundesverkehrsministerium sei spät in 2018 erfolgt. Bereits zum Februar 2019 sei aber der Großteil der Flotte erneuert gewesen.

Dazu habe die Stadt die Shuttlebusse für die Heimspiele von Mainz 05 verlegt, die Ampelanalge in der Parcusstraße angepasst und durch den neuen Radweg statt Parkplätzen verkehrshinderliche Ein- und Ausparkvorgänge reduziert – damit der Verkehr in der Parcusstraße flüssiger werde. Dazu hätten sich die Stickoxidwerte in diesem Frühjahr durch Bauarbeiten auf den Autobahnen der Region erhöht, sagte Eder weiter: Die Bauarbeiten auf der A60, aber auch die Probleme mit der Salzbachtalbrücke in Hessen hätten sich direkt auf die Mainzer Innenstadt ausgewirkt.

Baustelle in der Großen Langgasse. - Foto: gik
Mainz kämpft weiter mit seinem Baustellenmanagement – die Software zur Steuerung ist noch immer nicht da. – Foto: gik

Auch weitere Probleme hätten die Umsetzung des Masterplans M3 verzögert, erläuterte Eder: So sei es ausgesprochen schwierig, Verkehrsplaner einstellen zu können, es gebe schlicht keine Bewerber. Das habe die Umsetzung des Programms zur besseren Ampelsteuerung verzögert, auch die Software zur besseren Steuerung für die Baustellen im Stadtgebiet sei „immer noch nicht da“, räumte Eder ein. Fördergelder des Bundes zur Einstellung von Mitarbeitern hätten auf sich warten lassen. „Wir warten händeringend auf die Landesverordnung für Carsharing“, sagte Eder weiter, dann könne die Stadt endlich auch öffentliche Flächen für Carsharing-Anbieter ausweisen.

„Es geht mir nicht darum, nur im Bereich der Messstationen herumzudoktern“, betonte Eder explizit, „ich will in der ganzen Innenstadt umsteuern.“ Die Stadt werde deshalb ihre Anstrengungen weiter fortsetzen, um die Luftqualität in der Innenstadt zu verbessern. Dazu gehörten vor allem die Konzeption eines modernen Parkleitsystems mit einer Anzeige freier Stellplätze, der Aufbau eines umweltsensitiven Verkehrstechnik, der Ausbau des Carsharings, des Fahrradmietsystems sowie ein E-Tretroller-Vermietsystem. Auch an der Ausweisung von Park and Ride-Plätzen sei die Stadt dran, sagte Eder.

Das selbstfahrende Elektroauto Emma auf der Promenade am Winterhafen in Mainz. - Foto: gik
Mainz will in Zukunft noch mehr auf Elektromobilität setzen – wie hier mit dem selbstfahrende E-Bus Emma, der 2018 auf der Promenade am Winterhafen probeweise rollte. – Foto: gik

Im Herbst solle eine App der Mainzer Mobilität kommen, die den ÖPNV inklusive Carsharing und Radinfrastruktur zusammenfasse, kündigte Eder zudem an: „Wir versprechen uns davon eine Stärkung der Attraktivität des ÖPNV.“ Ein Pilotprojekt von „Mobility on Demand“ mit Hilfe kleiner E-Busse solle bis Mitte 2020 aufgebaut werden. Der Ausbau der Radwegeinfrastruktur solle weiter gehen,das Fahrradparkhaus am Bahnhof sei im Bau, die Vernetzung mit dem Umland durch die Pendlerradroute nach Ingelheim und Wiesbaden sei in der Umsetzung.

Dazu habe die Stadt inzwischen 24 E-Autos bestellt, „die Elektrifizierung des städtischen Fuhrparks läuft an“, betonte Eder. Auch über die Anschaffung eines elektrischen Müllautos denke man nach , die Kosten für den einen Prototyp, den es bislang gebe, seien aber enorm. Weiter beschäftige sich die Stadt aktuell mit dem Thema urbane Logistik, Ziel sei, Lieferverkehre zu reduzieren – etwa durch die Einrichtung von Packstationen und Mikrodepots. Auch den Einsatz von Elektro- und Kleinlieferfahrzeugen fördere die Stadt. Dazu habe die Stadt das angekündigte Lkw-Fahrverbot auf der Rheinachse inzwischen erlassen, „die Schilder hängen seit einigen Wochen“, sagte Eder.

DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch im Oktober 2018 in Mainz. - Foto: gik
Die Deutsche Umwelthilfe und die Stadt Mainz verbindet (bislang) eine heftige Fehde, DUH-Geschäftsführer Jürgen Resch, hier im Oktober 2018 in Mainz, stellt Mainz immer wieder als Negativbeispiel dar. – Foto: gik

Insgesamt gelte deshalb: „Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht, und wir haben einen kontinuierlichen Rückgang der Stickoxidwerte“, bilanzierte Eder, die Stadt werde die Maßnahmen aus M3 und weitere vorantreiben. „Mein Ziel ist es, für gesunde Luft in der Stadt zu sorgen“, unterstrich die Dezernentin: „Wir sind der Auffassung dass wir weitere Maßnahmen haben, perspektivisch unter die 40 Mikrogramm zu kommen.“ Deshalb werde sie auch vorerst kein Dieselfahrverbot zum 1. September verhängen – das gelte aber nur „vorerst“, betonte Eder: Stelle die Stadt fest, dass die Entwicklung bei den Stickoxiden nicht weiter nach unten gehe, sondern stagniere, „werden wir es tun.“

Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) präsentierte gemeinsam mit Michael Weißenmayer die Entwicklung der Stickoxidwerte in Mainz. - Foto: gik
Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) präsentierte gemeinsam mit Michael Weißenmayer die Entwicklung der Stickoxidwerte in Mainz. – Foto: gik

Eder bedauerte zudem, dass Mainz bei der Deutschen Umwelthilfe ständig „als Negativbeispiel“ benannt werde. „Ich verstehe das nicht, und es triebt mich wirklich um“, sagte Eder. Mainz habe deutlichere Erfolge als Wiesbaden zu verzeichnen, der Masterplan sei vom selben Büro geschrieben worden – trotzdem lobe die DUH Wiesbaden in höchsten Tönen, während gleichzeitig Mainz massiv kritisiert werde. „Ich hatte die Initiative ergriffen, mich mit der Deutschen Umwelthilfe zu treffen, ich wollte das ausräumen“, berichtete Eder, ein Treffen sei aber nicht zustande gekommen. „Ich denke, ich habe glaubhaft gezeigt, dass ich wirklich für eine Verkehrswende eintrete und nicht nur Show mache“, sagte Eder.

Die spannende Frage ist nun, wie die Deutsche Umwelthilfe die Lage bewertet – bei der Stadt gehen sie von einer erneuten Klage wegen Überschreitung des Grenzwertes und auf Einrichtung eines Dieselfahrverbotes aus.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Umrüstung der Dieselbusse lest Ihr hier bei Mainz&, mehr zum Masterplan M3 für saubere Luft haben wir hier aufgeschrieben. Zur Entwicklung der Stickoxide in Mainz und zu den Gefahren für die menschliche Gesundheit schlagt Ihr bitte hier nach, einen Hintergrundartikel zu den Mainzer Messstationen sowie den Passivsammlern findet Ihr hier bei Mainz&. Ausführliches zum Thema Gesundheit und Luftverschmutzung lest Ihr hier, alles über das Gerichtsurteil vom Oktober 2018 gibt es hier. Den Streit zwischen Mainz und der DUH haben wir hier erklärt.

 

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