Ein Fernsehstudio, ein Livestream und sieben Kandidatinnen für den deutschen Wein – die Wahl der Deutschen Weinkönigin kommt in diesem Jahr wahrlich anders daher. Für gewöhnlich wird die Deutsche Weinkönigin vor 800 tosenden Fans im großen Saal in Neustadt an der Weinstraße gewählt – in Coronazeiten undenkbar. Und so versammelte sich die Jury am Samstag zur Fachbefragung nicht im Saal, sondern an den Bildschirmen, und die Kandidatinnen traten der Reihe nach in einem Fernsehstudio an. Der Qualität tat das keinerlei Abbruch: Die sieben Kandidatinnen entpuppten sich durchweg als ganz starke Weinfachfrauen, besonders Pfalz, Rheinhessen und die Ahr glänzten dazu mit starken persönlichen Auftritten.
„Seien Sie empfangen, als würden die Massen tosen“, sagt Moderator Holger Wienpahl, doch in diesem Jahr toben eben keine Fanclubs im großen Festsaal, wartet keine große Bühne und kein Publikum im Saal. Eigentlich ist die Wahl der Deutschen Weinkönigin in jedem Herbst ein Fest für die Weinszene, in Scharen pilgern ganze Fanclubs aus den Anbaugebieten nach Neustadt an der Weinstraße, um ihrer Gebietsweinkönigin bei der Wahl den Rücken zu stärken.
2020 war schnell klar: Im Coronajahr kann es das nicht geben. Für das Deutsche Weininstitut (DWI) ein echtes Problem: „Wenn wir die Wahl nicht durchführen würden, hätten wir nächstes Jahr keine Weinmajestät“, sagte DWI-Chefin Monika Reule am Samstag in Mainz. Die Deutsche Weinkönigin ist die wichtigste Botschafterin der deutschen Weinwirtschaft, rund 200 Termine absolviert sie pro Jahr etwa im In- und Ausland, auf Weinfesten, Messen, Empfängen, Weinproben. „Wir wollten auf die Wahl dieser sympathischen Botschafterin nicht verzichten“, sagte Reule.
Und so entschied sich das DWI für eine abgespeckte Variante – und vor allem eine Fachbefragung in ganz anderer Form. Im Coronajahr treten dazu nur sieben von sonst 13 Kandidatinnen an, in manchen Weinanbaugebieten wird wegen der Coronakrise keine neue Gebietsweinkönigin gewählt, die bisherigen Amtsinhaberinnen machen einfach ein Jahr weiter. So stand vor Beginn der Fachbefragung schon fest: alle sieben Kandidatinnen würden ins Finale kommende Woche einziehen – ihr Fachwissen mussten sie dennoch unter Beweis stellen. „Die Deutsche Weinkönigin vertritt den deutschen Wein, und das muss sie mit Fachwissen tun“, stellte Reule klar: „Nur schön repräsentieren reicht nicht.“
Ort der Befragung war in diesem Jahr ein Fernsehstudio des SWR in Mainz, einzeln traten die Kandidatinnen vor Moderator Wienpahl und stellten sich den Fachfragen von zwei Juroren im Raum. „Es ist etwas komplett anderes, so etwas in einem sterilen Umfeld zu machen“, sagte Hans Rainer Schultz, Präsident der Weinbauhochschule Geisenheim, der gemeinsam mit der Sommelière Paula Sidore die Fragen stellte: „Die Stimmung ist komplett anders.“
Keine Musik, kein Beifall und kein Publikum – ein ungewöhnlicher und fast schon intimer Rahmen für die Kandidatinnen. Eine 70-köpfige Jury aus Politik, Medien und Weinwirtschaft kürt in diesem Jahr die 72. Deutsche Weinkönigin und Nachfolgerin von Angelina Vogt – die Jury verfolgte die Befragung indes via Livestream. Und doch kam in dem sterilen Fernsehstudio ein wenig Weinköniginnen-Feeling auf: Gleich zu Beginn begrüßte Bärbel Ellwanger von der Mosel die Zuschauer in fließendem Chinesisch, die 26 Jahre alte Studentin des Tourismusmanagements glänzte anschließend auch bei Fragen zu Nachhaltigkeit und Ökologie im Weinbau, zu Klimawandel und dem „Pinot Paradise“ Deutschland.
Überhaupt wurde sehr schnell klar: Hier steht ein ganz starker Jahrgang an Weinfachfrauen. Keine der sieben Kandidatinnen gab sich inhaltlich eine echte Blöße, ob Beerenauslese oder vegane Weine, Federweißer oder die Weinmesse Prowein – da saß das Fachwissen, sprudelten die Erklärungen, und das auch noch punktgenau in der vorgegebenen Zeit. Da fiel es direkt auf, wenn eine Kandidatin nicht so aus sich herausgehen und glänzen konnte, wie die Rheingauerin Alexandra Unger aus Geisenheim: Die 23 Jahre alte Studentin der Internationalen Weinwirtschaft legte einen absolut soliden Auftritt hin, und fiel damit fast schon aus dem Rahmen.
Da glänzte nämlich die Rheinhessin Eva Müller mit dezenter Eleganz, viel Charme und hervorragendem Fachwissen, die Weinbautechnikerin hatte keine Mühe zu erklären, wie Winzersekt hergestellt wird: „Es gibt keine Frühgeburt bei Winzersekt“, erklärte Müller, empfahl gleich mal ein Weinglas statt Sektflöte für den Genuss und bekannte dann auch noch, sie würde gerne mal einen Wein für die Wöllsteinerin Helene Fischer machen, Titel: „Born to drink!“ Die amtierende rheinhessische Weinkönigin hat angekündigt, ein weiteres Jahr im Amt zu bleiben – sollte sie allerdings Deutsche Weinprinzessin werden oder gar deutsche Weinkönigin 2020, übernehmen ihre Weinprinzessinnen in Rheinhessen die Termine 2021. Nach dem starken Auftritt Müllers kein unwahrscheinliches Szenario…
Müller war aber nicht die einzige, die mit einem ausdrucksstarken Auftritt punktete: Eloquent und fachlich fundiert, dazu lebendig und mitreißend präsentierte sich auch Eva Lanzerath von der Ahr. Die 22 Jahre alte Walporzheimerin hatte als Au Pair in Neuseeland ihre Liebe zu Kindern entdeckt und studiert nun Grundschullehramt in Koblenz, ihrem Weinfachwissen tat das keinerlei Abbruch: Sehr eloquent erklärte sie das Thema Sektgrundweine und schwärmte gerade von Naturweinen als tolle Erweiterung für den Weinmarkt: „Da steckt in jeder Flasche eine Überraschung.“
Eine Frage galt es stets auf Englisch zu beantworten, die meisten Kandidatinnen hatten damit wenig Probleme, viele schon mal eine Zeitlang im Ausland verbracht. Die Kandidatin der Hessischen Bergstraße, Jana Petermann, studiert gleich BWL und Romanistik und bearbeitet nebenher ihren eigenen Bio-Weinberg, die Württembergerin Tamara Elbl sitzt neben ihrer Tätigkeit als Winzerin im Gemeinderat ihrer Heimatgemeinde Pfedelbacher – Weinkönigin und Politikerin zu werden, sei ihr Kindheitstraum gewesen, bekannte die 22-Jährige.
Die Entscheidung fällt nun kommenden Freitag in der klassischen Wahlgala, und die findet dann wieder in Neustadt an der Weinstraße statt – allerdings vor einem deutlich reduzierten Publikum. Nur einige wenige Familienangehörige der Kandidatinnen dürfen live dabei sein, dazu die Jury – mehr geht unter Corona-Bedingungen nicht. Die Wahlgala findet wieder auf der großen Bühne statt, der SWR überträgt live, es gibt Musikeinlagen sowie einen Auftritt von Kabarettist Lars Reichow.
Die Kandidatinnen müssen dann in diversen Spielen Wissen und Eloquenz beweisen, vor allem aber Auftreten und Charme – gute Chancen dürfte dabei die Pfälzerin Anna-Maria Löffler haben: Die 24 Jahre alte Studentin der Internationalen Weinwirtschaft legte in der Fachbefragung einen ganz starken Auftritt mit viel Eleganz und fachlicher Eloquenz hin. Ob die Deutsche Weinkönigin nicht eine antiquierte Institution sei, laute ja oft die Frage, sagte Wienpahl zu ihr. „Der deutsche Wein ist so modern“, konterte Löffler, „und die Weinkönigin ist genauso alt wie die Bundesrepublik – man würde ja auch nicht sagen, dass die Bundesrepublik antiquiert ist.“
Info& auf Mainz&: Die Gala zur Wahl der Deutschen Weinkönigin wird am Freitag, den 25. September 2020, ab 20.15 Uhr live im Südwestfernsehen übertragen – Mainz&-Chefredakteurin Gisela Kirschstein sitzt übrigens in diesem Jahr mal wieder in der Jury. Den Livestream der Fachbefragung könnt Ihr Euch auch jetzt noch mal ansehen, hier beim SWR im Internet. Alle Kandidatinnen des Corona-Jahrgangs 2020 werden ausführlich hier beim DWI vorgestellt, die Abschiedsreden der scheidenden Deutschen Weinkönigin Angelina Vogt und ihrer beiden Deutschen Weinprinzessinnen werden kommenden Freitag live ab 19.30 Uhr im Stream auf www.deutscheweine.de übertragen.