Zum zweiten Mal findet am Donnerstag ein bundesweiter Warntag statt – der erste war 2020 ziemlich schief gegangen: Sirenen heulten nicht, Apps auf dem Handy warnten nicht – es wurde ein Desaster. Nun soll es besser werden: Erstmals wird in Deutschland das sogenannte „Cell Broadcasting“ getestet, das automatische Warnmeldungen auf alle Handys verschickt. Insgesamt soll „ein Warnmittel-Mix“ erprobt werden, wie es aus dem Innenministerium in Mainz heißt, das Ziel: Jeder Bürger soll über mindestens ein Warnmittel erreicht und gewarnt werden. Neue Sirenen gibt es in Mainz aber erst 2023.
Es war am 10. September 2020, als Deutschland feststellte: Warnen können wir nicht. Beim bundesweiten Warntag, groß angekündigt und beworben im Vorfeld, ging so ziemlich alles, schief, was schief gehen konnte: In Mainz etwa heulten die Sirenen in den meisten Stadtteilen mit rund 20 Minuten Verspätung los, die Katastrophen-Warn-Apps blieben zum Großteil komplett stumm oder meldeten den Probealarm mit 31 Minuten Verspätung. Der Bund musste schließlich einräumen, wegen „technischer Schwierigkeiten“ sei der Probealarm fehlgeschlagen.
Tatsächlich hatte sich damals schon herausgestellt: das Modulare Warnsystem MOWAS funktionierte weder so, wie es sollte – noch wussten vielerorts die Feuerwehren, ob und wie sie es bedienen sollten. Das hätte eigentlich eine ernsthafte Warnung sein sollen: „Wenigstens sind wir jetzt alle gewarnt, dass im Warnfall weder Sirenen noch Warnapps noch sonst etwas in dieser Art funktioniert“, kommentierte am 10. September 2020 ein User auf Twitter, und eine andere Twitterin schrieb: „Im Ernstfall wäre ich jetzt tot.“
Ein Jahr später wurde die Warnung im Ahrtal bittere Realität: Als eine gigantische Flutwelle über das Ahrtal ehreinbrach und sich binnen Stunden flußabwärts wälzte, wurden die allermeisten Anwohner schlicht gar nicht gewarnt. Im Kreis Ahrweiler konnte nur ein einziger Zuständiger MOWAS bedienen, in Koblenz wartete man vergeblich auf ein Fax aus Ahrweiler zum Auslösen der höchsten Warnstufe – und Landrat sowie weitere politische verantwortliche waren schlicht abgetaucht.
Aus dem Desaster des bundesweiten Warntags ein Jahr zuvor waren zu diesem Zeitpunkt so gut wie keine Konsequenzen gezogen worden – im Ahrtal wurde das zur Katastrophe, die mindestens 134 Menschen das Leben kostete. Dazu trug auch bei, dass Deutschland im Gegenteil zu den meisten anderen Ländern bislang die Einführung des sogenannten Cell Broadcasting-Systems verschleppt hatte.
Erst nach der Katastrophe im Ahrtal beschloss man im Bund die Einführung des Systems, bei dem jedes Handy unabhängig von einer Warnapp mit einer Warnmeldung angesteuert werden kann, um bei dringenden Gefahren die Bevölkerung warnen zu können. Nun wird das neue System erstmals an diesem 8. Dezember getestet – der Warntag war eigens von September auf Dezember verschoben worden, weil sich die Einführung des Cell Broadcastings zuletzt noch einmal verzögert hatte.
Pünktlich am Donnerstag um 11.00 Uhr sollten deshalb Eure Handys rappeln und neben einer Warnmeldung einen schrillen Warnton von sich geben: Das ist der Probealarm. Der Netzbetreiber Vodafone teilte mit, man habe in Mainz alle seine 65 Mobilfunkstationen an das neue System angepasst, das sei „eine entscheidende Voraussetzung“, damit die Mobilfunkkunden die Test-Warnmeldung auch ausspielen könnten. Voraussetzung ist allerdings, dass das Handy oder Smartphone auch angeschaltet und empfangsbereit sowie mit Cell Broadcast kompatibel ist.
Vodafone: Handys checken, Betriebssystem aktualisieren
Vodafone etwa empfiehlt seinen Kunden, rechtzeitig vor dem 8. Dezember zu überprüfen, ob das eigene Endgerät die Funktion Cell Broadcast unterstützt. Dazu bedürfe es das jeweils neueste, verfügbare Betriebssystem auf den Apple-iPhones sowie die Systemversion 11 aufwärts bei Android-Geräten. „Sofern diese Versionen noch nicht auf dem Endgerät vorhanden sind, sollte ein entsprechendes Update installiert werden“, rät der Netzbetreiber.
Verschickt wird die Warnung vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) in Bonn. Im Ernstfall würde für eine Warnmeldung eine bestimmte, zu warnende Region definiert, in der dann ähnlich wie beim Radio alle Geräte, die in den Funkzellen der jeweiligen Region eingebucht sind, die Warnmeldung automatisch empfangen – daher der Name Cell Broadcast.
Im Mainzer Innenministerium betont man vorsichtig, man wolle am 8. Dezember den kompletten Mix der Warnmittel erproben: Es werde MoWaS „mit allen an das System angeschlossenen Multiplikatoren und Warnmitteln wie Fernsehen, Radio, Warn-Apps und dem neuen Cell Broadcast getestet. Zusätzlich erprobten einige der in Rheinland-Pfalz für den Brand- und Katastrophenschutz zuständigen Kommunen weitere analoge Warnmittel wie Sirenen und Lautsprecherdurchsagen.
Warnmittelmix aus Sirenen, Warnapps und Medien
„Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, zunehmend auftretende Extremwetterereignisse wie die Flut, die wir im Ahrtal erleben mussten, oder auch Waldbrände wie im vergangenen Sommer zeigen deutlich, dass wir uns auch in Deutschland verstärkt mit Katastrophenszenarien befassen müssen“, betonte der neue Innenminister Michael Ebling (SPD). Beim bundesweiten Warntag liege „der Fokus auf der Erprobung des vorhandenen Warnmittel-Mixes, denn Gesamtziel solcher Aktionen muss es sein, dass jeder Bürger und jede Bürgerin mindestens über ein Warnmittel erreicht und dadurch gewarnt wird“, sagte Ebling.
Die Betonung auf den Warnmix kommt nicht von ungefähr: Bundesweit wurden in den vergangenen Jahrzehnten gerade Sirenenanlagen zu Hunderten abgebaut, auch in Mainz. Bereits 2020 hatte Ebling – damals Oberbürgermeister von Mainz – angekündigt, das Sirenennetz in Mainz wieder ausbauen zu wollen – passiert ist das weitgehend nicht. Noch immer werden ganze Areale von Mainz von Bretzenheim bis zum Lerchenberg, Gonsenheim, Finthen oder Drais von Sirenenwarnungen nicht erreicht.
Sirenen, die derzeit noch nicht flächendeckend vorhanden sind, stellen nur eines von vielen Warnmitteln dar. Der bundesweite Warntag verfolgt das Ziel, die Menschen in Deutschland über die verschiedenen Arten der Bevölkerungswarnung zu informieren und sie für Warnungen zu sensibilisieren.
„Ein flächendeckendes Netz aus Warnmitteln und Sirenen, das sowohl im Zivilschutzfall durch den Bund, als auch im Katastrophenfall durch Kommunen genutzt werden kann, ist zentral“, sagte Ebling nun als Innenminister. Die Innenministerkonferenz habe deshalb vergangene Woche „die verstärkte Bitte an den Bund gerichtet, das bestehende Sirenenförderprogramm zu verstetigen, und finanziell so auszustatten, dass alle Beteiligten dieser Verantwortung gemeinsam gerecht werden können.“ Es stehe „außer Frage, dass es bundesweit einen weiteren Ausbau der Warnmittel brauche.“
Dazu kommt: Nicht alle Kommunen machen am kommenden Donnerstag beim Warntag mit. Das Innenministerium habe gemeinsam mit der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) „bei den Kommunen für eine Teilnahme am bundesweiten Warntag geworben“, sagte Ebling weiter. Rund 30 Kommunen hätten gemeldet, sich am Warntag mit Sirenen-Warnungen oder Lautsprecherdurchsagen beteiligen zu wollen – Rheinland-Pfalz hat insgesamt 12 kreisfreie Städte und 24 Landkreise, zu denen 161 Verbandsgemeinden gehören.
In Mainz sollen allerdings am 8. Dezember um 11.00 Uhr die Sirenen schrillen, und Warnmeldungen auf den Handys einlaufen. „Die Landeshauptstadt Mainz löst um 11.00 Uhr ihre Sirenen mit dem Signal ‚Warnung der Bevölkerung‘ (einminütiger auf- und abschwellender Heulton) aus“, heißt es von Seiten der Stadt Mainz. Um 11.40 Uhr soll dann das Sirenensignal ‚Entwarnung“ folgen – ein einminütiger Dauerton. In Mainz-Ebersheim werden zudem moderne Lautsprecheranlagen für Durchsagen oder Warntöne der Feuerwehr Mainz getestet.
In Mainz nur 54 Sirenen, 36 weitere sollen 2023 folgen
Mainz verfüge derzeit über 54 Sirenen, ab 2023 sollen es nun mehr werden: „Um die gesamte Bevölkerung wieder über Sirenen erreichen zu können, werden 2023 insgesamt 36 Hochleistungssirenen in allen Stadtteilen installiert“, kündigte die Stadt nun an. Damit werde eine flächendecke Warnung mittels Sirene voraussichtlich ab Mitte 2024 wieder möglich sein. Die Stadt Mainz nutzt darüber hinaus die Warnapp Nina des BBK – und nicht die zweite Warnapp Katwarn, die Euch für Warnungen in Mainz nichts nützt.
Landkreis Mainz-Bingen: Bürger schnell und zuverlässig warnen
Mit dabei beim Warntag ist auch der Landkreis Mainz-Bingen: „Der Test aller analogen und digitalen Warnmöglichkeiten ist enorm wichtig“, betonte Landrätin Dorothea Schäfer (CDU): „Im Ernstfall müssen die Bürgerinnen und Bürger schnell und zuverlässig gewarnt werden, damit sie sich in Sicherheit bringen oder über die Situation informieren können.“ „Wir werden diesen Tag dazu nutzen, unsere neuen mobilen Sirenen zu nutzen“, kündigte der Ingelheimer Wehrleiter Mirko Gauer an.
Wenn um 11.00 Uhr das digitale Warnsystem MoWaS vom Bund ausgelöst werde, würden die im Landkreis aktiven Sirenen von der Leitstelle in Mainz mit einem zeitlichen Verzug wenige Minuten nach 11.00 Uhr ausgelöst, informierte der Landkreis weiter: Es ertönt dann ein einminütiger Warnton mit zweimaliger Unterbrechung.
MoWas wird je nach Umfang, Schwere und regionaler oder überregionaler Bedeutung des Vorfalls in unterschiedlichen Eskalationsstufen ausgelöst. Sirenen in den Kommunen, Pressearbeit, Social-Media-Arbeit und bei Bedarf Lautsprecherdurchsagen seien weitere wichtige Pfeiler des Warnsystems, betonte der stellvertretende Brand- und Katastrophenschutzinspekteur des Landkreises, Michael Braun. Ziel sei es, einen Weckeffekt zu erzeugen – etwa durch die Sirenen. Per Social-Media könnten dann wichtige Informationen zu den betroffenen Menschen gebracht werden.
In Wiesbaden Warnungen über Hessenwarn und digitale Tafeln
Auch in der Nachbar-Landeshauptstadt Wiesbaden gilt am Donnerstag Warn-Alarm – über Warnapps, digitale Anzeigentafeln und Cell Broadcast. Auch in Wiesbaden findet eine Sirenenprobe statt, Hessen warnt zudem über die eigene App „Hessenwarn“, die mit ihrem Umfang weit über Nina hinausgeht, und etwa auch Lebensmittelwarnungen oder Meldungen zu Schulen, Cybersicherheit und Betrugsdelikten enthält – mehr dazu lest Ihr hier auf Mainz&.
Bei Warnung Fenster und Türen schließen, Radio an
Ziel des Warntags sei „ausdrücklich, Schwachstellen zu finden und diese im Nachgang zu beseitigen“, heißt es zudem aus Wiesbaden. Wenn eine Sirene im Ernstfall schrillt, solltet Ihr übrigens sofort Türen und Fenster schließen, den Aufenthalt im Freien vermeiden, das Radio einschalten und auf Durchsagen achten – auch natürlich auf aktuelle Meldungen der Feuerwehr.
Zudem solltet Ihr Lüftungs- und Klimaanlagen ausschalten und Eure Nachbarn informieren – das könnt Ihr am Donnerstag ja schon mal üben. Der Warntag ist zudem eine gute Gelegenheit, mal zu überprüfen, ob Ihr für den Notfall gut gerüstet wäret – etwa mit ausreichend Trinkwasser- und Essensvorräten, mit Kerzen, Batterien, Taschenlampen und einem Kurbelradio für den Notfall. Tipps gibt es dazu hier beim BBK im Internet.
Innenminister Ebling ist übrigens am Warntag selbst nicht in Mainz – sondern im Ahrtal. Ebling werde anlässlich des Warntages im Ahrtal sein, wo „das neue, aus insgesamt 86 modernen Sirenenanlagen bestehende Warnnetz des Landkreises Ahrweiler in Betrieb genommen wird, das durch Land und Bund gefördert wurde“, teilte das Innenministerium mit. Einen Probealarm gibt es dann an der neuen Mastsirene am Feuerwehrhaus in Heimersheim.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Warntag am Donnerstag, den 8. Dezember 2022, sowie zu den einzelnen Sirentönen und was sie bedeuten, findet Ihr hier bei der Stadt Mainz im Internet. Mehr zum System Cell Broadcasting findet Ihr auch hier im Internet, mehr zum Thema Vorsorge für den Notfall hier beim BBK.
Umfrage&: Das Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe bittet übrigens die Bevölkerung um eine Rückmeldung, ob die Zustellung der Warnmeldung über Cell Broadcast am 8. Dezember funktioniert hat. Dazu gibt es am Warntag auf der Webseite www.warnung-der-bevoelkerung.de, in der Warnapp NINA und über Social Media eine Umfrage – zur Umfrage im Internet direkt geht es hier.