Zum zweiten Mal geht Deutschland wegen der Corona-Pandemie in einen Lockdown, ab kommenden Montag, den 2. November wird das öffentliche Leben erneut stark eingeschränkt. Restaurants und Bars, Kinos, Theater und Schwimmbäder müssen wieder schließen, und das bis Ende November. Ebenso gelten wieder rigide Kontaktbeschränkungen, erneut ist ein Treffen im öffentlichen Raum nur mit den Mitgliedern eines zweiten Hausstands erlaubt. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sprach am Mittwoch davon, es gehe darum eine „akute nationale Notlage“ zu verhindern – ansonsten drohe in wenigen Wochen der Kollaps des Gesundheitssystems.
Seit September waren die Infektionszahlen mit dem neuen Coronavirus wieder in die Höhe geschnellt, im Oktober waren die Infektionszahlen ins exponentielle Wachstum gedreht – seit etwa einer Woche verzeichnet das Robert-Koch-Institut pro Tag mehr als 11.000 Neuinfektionen. In der Folge steigen nun auch die Patientenzahlen in den Intensivstationen wieder deutlich an – die Belegung verdoppelt sich derzeit alle zehn Tage. „Wenn es bei diesem Tempo bleibt, kommen wir binnen Wochen an die Grenzen des Gesundheitssystems“, betonte Merkel am Mittwochnachmittag in Berlin nach einer Konferenz des Bundes mit den Ministerpräsidenten der Länder.
„Wir müssen handeln, und zwar jetzt, um eine akute nationale Notlage zu vermeiden“, betonte Merkel. Das wichtigste Instrument zur Eindämmung der Corona-Pandemie sei die Nachverfolgung von Infektionsketten, und genau die stehe inzwischen „an vielen Stellen nicht mehr zur Verfügung.“ Die Nachverfolgung könne vielerorts nicht mehr geleistet, Infektionsherde nicht mehr identifiziert werden. „Die Kurve muss wieder abflachen, die Zahl der Neuinfektionen muss sich erst stabilisieren und dann weiter sinken“, sagte Merkel. Das Land habe aber im Frühjahr erlebt, dass das gelingen könne. „Das hat uns Monate im Sommer erlaubt, wo wir uns freier bewegen konnten“, sagte die Kanzlerin, „deshalb brauchen wir im Monat November noch einmal eine nationale Kraftanstrengung.“
Bund und Länder beschlossen deshalb ab dem kommenden Montag erneut eine drastische Einschränkung des öffentlichen Lebens. Ab dem 2. November macht Deutschland deshalb erneut seine Einrichtungen der Freizeit dicht, und zwar bis Ende November. Gastronomiebetriebe, Bars, Clubs und Diskotheken müssen schließen, nur Außer-Haus-Verkauf ist weiter erlaubt. Auch Theater, Opern, Kinos, und Kultureinrichtungen müssen schließen, ebenso Messen und Freizeitparks, Sporteinrichtungen, Fitnesstudios und Schwimmbäder – den genauen Katalog verlinken wir hier, sobald wir ihn haben. Auch Dienstleistungsbetriebe werden eingeschränkt, die Arbeitnehmer sollen nach Möglichkeit vom Homeoffice aus arbeiten.
Auch gelten ab dem 2. November erneut scharfe Kontaktbeschränkungen, das Treffen im Freien ist erneut nur mit den Mitgliedern eines weiteren Hausstandes erlaubt, maximal dürfen sich so zehn Personen treffen. Im Gegenzug sollen Schulen und Kitas offen bleiben können, die Wirtschaft und der Handel weiter arbeiten dürfen. Auch Besuche in Altenheimen sollen weiter möglich bleiben, wenn auch eingeschränkt. Merkel betonte zugleich, sie wisse, dass viele auf die guten Hygienekonzepte verwiesen hätten, aber „in der aktuellen Situation entfalten die Hygienekonzepte nicht mehr ausreichend Wirkung“, betonte sie.
Die Experten hätten gesagt, „wir müssen 75 Prozent der Kontakt reduzieren, das ist sehr viel“, sagte Merkel. Als Bereiche seien deshalb nur die privaten Kontakte und die im Freizeitbereich geblieben – wenn man Wirtschaft und Schulen offenhalten wolle. Der Teil-Lockdown solle auf vier Wochen begrenzt bleiben, „wir werden uns nach zwei Wochen wieder treffen und uns anschauen, wo wir stehen“, kündigte Merkel an. Das Ziel sei, „das öffentliche Leben im Dezember wieder so gestalten zu können, wie wir es derzeit kennen.“
„Das sind harte Maßnahmen“, sagte Merkel zugleich, und kündigte an: Die jetzt von der Schließung betroffenen Betriebe sollten entschädigt werden, das gilt offenbar ausdrücklich auch für Solo-Selbstständige, Künstler und andere Betroffene. Im Gespräch seien Ausgleichszahlungen in Höhe von 25 Prozent des Ausfalls, Details sollen die Bundesminister Olaf Scholz (Finanzen. SPD) und Peter Altmaier (CDU, Wirtschaft) noch diese Woche vorstellen. „Das ist ein schwerer Tag, das will ich ausdrücklich sagen“, unterstrich Merkel, „aber wir müssen sicher stellen, dass wir nicht in eine nationale Gesundheitslage hinein geraten.“
Experten hatten angesichts der rasant steigenden Corona-Infektionen genau einen solchen Teil-Lockdown gefordert. Der SPD-Gesundheitsexperte und Epidemiologe Karl Lauterbach präget den Begriff von einem „Wellenbrecher-Lockdown“: Mit einer solchen Teilschließung für wenige Wochen bestehe ein gute Chance, die rollenden zweite Welle zu brechen und die Zahlen wieder in den Griff zu bekommen, plädierte Lauterbach. Vertreter der Gastronomie hatten hingegen eindringlich gewarnt, bei einer weiteren Schließung der Restaurants und anderen Betriebe drohe eine massive Pleitewelle.
„Wir bauen einen Wellenbrecher auf“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Abend: „Wenn wir alle zusammen als Wellenbrecher fungieren, können wir das schaffen.“ Feiern sei ein nicht akzeptables Risiko, die Bevölkerung werde auch aufgefordert, auf nicht-notwendige Reisen zu verzichten, ebenso auf Familienbesuche. Übernachtungen im Inland sind nur noch für nicht-touristische Zwecke erlaubt.
Der Landtag Rheinland-Pfalz will am Freitag zu einer Sondersitzung zusammentreten, Dreyer dann eine Regierungserklärung abgeben. Das Land habe zudem eine Studie in Auftrag gegeben, um genauer festzustellen wo derzeit Infektionsherde seien, sagte Dreyer weiter. „Wir sind in einer ernsten Lage, aber wir haben noch die Möglichkeit, die Welle zu brechen“, unterstrich Dreyer: „Wir haben klare Zusagen des Bundes zur Kompensation, und das schnell und unbürokratisch.“ Die Fortschritte bei der Impfstoffentwicklung seien gut, es gelte jetzt einfach wieder: „Bleiben Sie die nächsten vier Wochen einfach so gut es geht zuhause.“
UPDATE: Auch Museen sind von der Schließung betroffen, sagte Dreyer soeben. In den Geschäften soll erneut eine Kundenbeschränkung von einem Kunden pro 10 Quadratmeter gelten.
Info& auf Mainz&: Achtung: Dieser Text wird fortlaufend aktualisiert! Die Pressekonferenzen laufen noch… also schaut immer noch mal vorbei, mehr Informationen folgen, sobald wir sie haben. Die PK von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) läuft gerade – Ihr könnt Sie hier live verfolgen.