Die vierte Corona-Welle rollt – und sie erreicht nun auch wieder Schulen und Kitas: An insgesamt 21 Mainzer Schulen gebe es aktuell Corona-Fälle, meldete das Mainzer Gesundheitsamt am Donnerstag, auch elf Kitas seien betroffen. Und dabei beobachten die Experten auch Infektionsketten: Kinder stecken ihre Freunde sowie die Familienangehörigen zuhause an, konstatiert das Gesundheitsamt. Auch die Infektionswellen in Altenheimen gehen weiter, jetzt hat es das Laubenheimer Altenheim getroffen. Das Robert-Koch-Institut (RKI) spricht von einer „sehr besorgniserregenden Lage“, eine Zunahme weiterer Erkrankungen und Todesfälle sei zu befürchten – am Freitag meldete es einen Rekordwert von 37.120 Neuinfektionen. RKI-Präsident Lothar Wieler wandte sich in einem eindringlichen Appell an die Menschen in Deutschland.
Am Donnerstag hatte das RKI mit 33.949 Neuinfektionen einen neuen Allzeitrekord gemeldet: Es war die höchste Zahl an Neuinfektionen mit dem Coronavirus, die an einem einzigen Tag in Deutschland seit Beginn der Pandemie gemessen wurde. Am Donnerstag wurde dabei noch spekuliert, es könnte sich bei der hohen Zahl um Nachmeldungen aus dem vergangenen langen Wochenende mit dem Feiertag handeln – doch diese Debatte dürfte schnell gestoppt werden: Am Freitag meldete das RKI gleich den zweiten Rekord.
37.120 Neuinfektionen zählten die Gesundheitsbehörden an einem einzigen Tag – das gab es seit März 2020 noch nie. Die vierte Welle überrollt Deutschland mit Wucht, die Politik zeigt sich indes weitgehend unvorbereitet oder gar abwesend: Die künftigen Ampel-Koalitionäre von SPD, Grüne und FDP verhandeln in Berlin weiter über eine neue Bundesregierung, und das trifft auch Rheinland-Pfalz: 23 rheinland-pfälzische Spitzenpolitiker verhandeln die Ampel in Berlin mit, darunter auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sowie gleich sechs Minister ihres Kabinetts – Bildungsministerin Stefanie Hubig, Sozialminister Alexander Schweitzer, Finanzministerin Doris Ahnen (alle SPD) , Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) sowie die FDP-Minister Daniela Schmidt (Wirtschaft) und Herbert Mertin (Justiz).
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) muss derweil zurückrudern: Vor wenigen Wochen hatte der Minister noch stolz das Ende der pandemischen Notlage Ende November verkündet, nun wunderte sich Spahn in einer Pressekonferenz am Mittwoch darüber, dass viele Menschen das als „Ende der Pandemie“ gedeutet hatten. Die Pandemie sei mitnichten vorbei, betonte Spahn, darauf wolle er „ausdrücklich hinweisen“. Die vierte Welle sei nun „mit voller Wucht da“, es brauche weiter staatliche Schutzmaßnahmen sowie „die Eigenverantwortung jedes einzelnen.“
Derweil forderten die Gesundheitsminister der Länder auf ihrer Konferenz am Donnerstag bereit die Verlängerung der „pandemischen Notlage“ und damit des Ausnahmezustands, der den Ländern die rechtliche Grundlage für Verordnungen und Schutzmaßnahmen gibt. Aufgeschreckt durch die Rekordzahlen, sucht die Politik nun hektisch nach Wegen, die Neuinfektionen wieder einzudämmen – sogar das Wort vom „Lockdown“ machte wieder die Runde. Einen solchen werde es für Geimpfte und Genesene nicht geben können, betonte Spahn indes, man erlebe gerade „eine Pandemie der Ungeimpften“, für die nun aber kein Politiker mehr strenge Kontrollmaßnahmen ausschließen will.
„Die vierte Welle entwickelt sich leider genau so wie befürchtet“, betonte RKI-Chef Lothar Wieler – auch, weil Hygienemaßnahmen und AHA-Regeln nicht mehr konsequent umgesetzt würden. „Es liegen auch wieder mehr Menschen auf den Intensivstationen, und wir sehen auch wieder mehr Todesfälle“, sagte Wieler – mehr als 100 Tote gebe es derzeit wieder pro Tag, „das sind erschreckende Zahlen.“ Vor allem für Ungeimpfte sei das Risiko hoch. Bundesweit lag die Sieben-Tages-Inzidenz am Freitag bei 169,9, das RKI meldete zudem erneut 154 Todesfälle an einem Tag in Folge einer Corona-Erkrankung. Auch in Rheinland-Pfalz liegt die Sieben-Tage-Inzidenz nun wieder über der 100er-Marke: am Donnerstag meldete das Landesuntersuchungsamt eine Inzidenz von 103.
In Mainz liegt die Inzidenz der Infektionen zwar noch bei „nur“ 95,7, Gesundheitsamtschef Dietmar Hoffman warnte aber: Die Zahl der Neuinfektionen werde weiter steigen, die Kontaktnachverfolgung wieder schwieriger. Insgesamt stelle das Gesundheitsamt derzeit „ein eher diffuses Infektionsgeschehen fest“, sagte Hoffmann weiter: „Es handelt sich um ein multifaktorielles Geschehen.“ Viele verschiedene Faktoren führten gerade zu einem Anstieg der Inzidenz: Da sei der jahreszeitlich bedingt vermehrte Aufenthalt in Innenräumen, der zu höheren Ansteckungen führe, „möglicherweise aber auch kombiniert mit einer gewissen Nachlässigkeit oder Müdigkeit bezüglich der Einhaltung der Hygienevorgaben“, warnte Hoffmann.
Dazu kommen aber vor allem gleich reihenweise Corona-Ausbrüche in Schulen und Kitas: In gleich 21 Mainzer Schulen gibt es aktuell Corona-Infektionsfälle, auch elf Kitas seien betroffen – wie viele Kinder das insgesamt sind, teilte das Gesundheitsamt nicht mit. Im Landkreis Mainz-Bingen kommen noch einmal weitere 18 Schulen sowie acht Kitas mit Corona-Fällen hinzu – damit sind im Raum Mainz insgesamt fast 40 Schulen und 20 Kitas von Corona-Ausbrüchen betroffen. „Auffällig ist, dass wir hier vermehrt Folgefälle innerhalb der Klassen beziehungsweise Gruppen verzeichnen“, betonte Hoffmann zudem: Kitakinder beziehungsweise Grundschulkinder würden wiederum ihre Familienangehörigen anstecken, da eine räumliche Trennung zu Hause meist nicht eingehalten werden könne.
Tatsächlich meldet das RKI in seinem Wochenbericht vom Freitag einen sprunghaften Anstieg der Infektionen vor allem in der Altersgruppe zwischen 10 und 14 Jahren, hier sei die Sieben-Tage-Inzidenz von 240 auf 356 gestiegen. Aber auch in der Gruppe der kleinen Kinder von 5 bis 9 Jahren meldet das RKI nun eine Inzidenz von 293, bei den 15- bis 19-Jährigen von 246 – es sind damit die Kinder derzeit die Treiber der Welle.
Beim Land Rheinland-Pfalz hingegen meldet man noch Zahlen von Ende Oktober für die Kitas und spricht von 74 Infektionsfällen unter Kita-Kindern und 45 unter Mitarbeitern, sechs Kitas waren zum Stand 29. Oktober wegen Coronas-Fällen geschlossen. An den Schulen zählte die Landesregierung zum 2. November landesweit 1186 Infektionsfälle bei Schülern und 105 bei Lehrern. Trotz der rollen vierten Welle will Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) ab kommender Woche an den schulen nur noch einmal pro Woche Selbsttests durchführen lassen. Auch die Maskenpflicht in den Klassenzimmern ist derzeit aufgehoben.
Derweil gehen auch die Infektionen in Altenheimen weiter: In der Stadt Mainz sind den Angaben zufolge insgesamt drei Altenheime sowie eine Wohngemeinschaft für Senioren von Infektionen betroffen. Das Gesundheitsamt habe fast zeitgleich Fälle bei Bewohnern und Mitarbeitern der Einrichtungen beobachten können, sagte Hoffmann weiter. Neu ist dabei ein Corona-Ausbruch im Laubenheimer Altenheim, hier sind 13 Bewohner und fünf Mitarbeiter infiziert – für die Infizierten gebe es eine Zimmerquarantäne, das allgemeine Besuchsverbot werde nun aber schon wieder auslaufen.
Im Altenheim in der Innenstadt seien noch drei Bewohner sowie zwei Mitarbeiter infiziert, das Besuchsverbot sowie der Aufnahmestopp seien aber mittlerweile aufgehoben worden. Neu hinzugekommen sei ein weiteres städtisches Altenheim – hier sei bislang ein Bewohner infiziert, weitere Testungen von Personen des Wohnbereiches seien veranlasst worden. Um welches Altenheim es sich handelte, teilte das Gesundheitsamt nicht mit, Darüber hinaus seien in einer betroffenen Wohngemeinschaft für Senioren inzwischen insgesamt sechs Fälle bekannt, davon vier Bewohner und zwei Mitarbeiter. Hier bestehe bis auf Weiteres ein Besuchsverbot.
Nach wie vor seien aber in den Senioreneinrichtungen eher milde Verläufe zu beobachten, sagte Hoffmann zudem, es werde nur eine Person auf einer Intensivstation behandelt. „Das zeigt den positiven Einfluss der Impfung auf den Krankheitsverlauf“, betonte Hoffmann – allerdings nehmen die sogenannten Impfdurchbrüche gerade drastisch zu: Laut Landesuntersuchungsamt ist der Anteil der Vollgeimpften an den positiven Corona-Tests inzwischen auf 35 Prozent gestiegen, bei den Über 50-Jährigen betrug die Rate dabei zuletzt sogar 50 Prozent, bei den über 70-Jährigen sogar 68 Prozent. Bei Menschen auf Intensivstationen sanken diese Raten dann aber deutlich auf 44 Prozent bei den über 50-Jöhrigen und auf 37 Prozent bei den über 70-Jährigen.
Experten führen die Impfdurchbrüche in erster Linie auf den nach einem halben Jahr nachlassenden Impfschutz durch die Corona-Impfung zurück, der zuständige Kreisbeigeordnete Erwin Malkmus mahnte denn auch, die Drittimpfung bei Bewohnern und Personal von Heimen sei nun besonders wichtig, auch sollte rechtzeitig gegen Influenza geimpft werden. „Natürlich sollten auch die bisherigen Konzepte mit erhöhten Anforderungen an die Hygiene in den Einrichtungen beibehalten werden und jeder Verdachtsfall bedarf einer schnellen Abklärung“, betonte Hoffmann zudem. Das Gesundheitsamt stehe weiterhin in engem Kontakt zu den Einrichtungen.
Das Land Rheinland-Pfalz empfiehlt seit Dienstag die dritte Booster-Impfungen nicht mehr nur für Menschen über 60 Jahre, sondern für alle Bevölkerungsgruppen, sofern die zweite Immunisierung mehr als ein halbes Jahr her ist. „Die Impfung wirkt nicht immer bei allen gleich“, und lasse mit der Zeit auch nach, sagte Wieler: „Wenn wir jetzt nicht gegensteuern, wird die vierte Welle viel Leid bringen.“ Geimpfte erkrankten viel seltener an Covid-19, und sie erkrankten deutlich weniger schwer. Trotzdem seien noch immer 16,2 Millionen Menschen im Alter über 12 Jahren in Deutschland nicht geimpft, darunter 3,2 Millionen Menschen über 60 Jahre. „Lassen Sie sich impfen“, plädierte Wieler, „die Impfstoffe sind da, und sie sind sicher – Solidarität ist das Gebot der Stunde.“
Auch Malkmus rief noch einmal dazu auf, sich impfen zu lassen. Dies sei unter anderem bei den Impfbussen des Landes Rheinland-Pfalz möglich, dort seien neben Erst- und Zweitimpfungen auch für Jede und Jeden Drittimpfungen unkompliziert machbar – sofern der Abschluss der ersten Impfserie sechs Monate zurückliegt. „Es liegen alle Karten auf dem Tisch: Auffrischungsimpfungen, Masken tragen, Basismaßnahmen 2G, 3G“, betonte Wieler noch – „lassen Sie sie uns doch spielen. Dann können wir viele Erkrankungen verhindern und auch Menschenleben retten.“
Info& auf Mainz&: Die ganze Pressekonferenz mit Spahn und Wieler könnt Ihr hier im Internet auf Youtube ansehen, den Wochenbericht des RKI vom 4. November findet Ihr hier zum Download. Mehr zu den Booster-Impfungen für alle findet Ihr hier bei Mainz&. Weitere Informationen zu den Impfungen und den Impfbussen sowie deren Termine findet Ihr auf corona.rlp.de. Im Landkreis kommt der Impfbus im November an diesen Terminen: 08.11.2021 IGS Sprendlingen, 19.11.2021 Nieder-Olm, Parkplatz vor dem Schwimmbad in Nieder-Olm, 29.11.2021 Ingelheim, Sebastian-Münster-Platz. In Mainz findet Ihr den Impfbus oder die Impf-Rikscha in den nächsten Wochen hier:
Impf-Rikscha
• Samstag, 6. November 2021, 11 bis 15 Uhr
• Oberstadt, Café Vivo, Göttelmannstraße 40
Impfbus
• Mittwoch, 17. November 2021, 9 bis 17 Uhr
• Altstadt, Karmeliterplatz
Impfbus
• Montag, 22. November 2021, 9 bis 16 Uhr
• TSG Mainz Bretzenheim, Hans-Böckler-Straße 2
Impfbus
• Sonntag, 28. November 2021, 9 bis 17 Uhr
• Altstadt, Gutenbergplatz/Theatervorplatz
Impfbus
• Dienstag, 30. November 2021, 8 bis 16 Uhr
• Altstadt, Stadthaus Kaiserstraße, Kaiserstraße 2-4