Das Land Rheinland-Pfalz reagiert auf die anrollende vierte Corona-Welle – und zwar mit Booster-Impfungen für alle: Der Ministerrat beschloss am Dienstag, die Auffrischungsimpfungen massiv auszubauen. Jeder Erwachsene, dessen Zweitimpfung mehr als sechs Monate zurückliegt, kann sich ab kommende Woche seine dritte Impfung holen – und zwar ganz unkompliziert an den Impfbussen des Landes. Dazu sollen Senioren über 70 speziell angeschrieben werden, in Alten- und Pflegeheimen die Boosterimpfungen intensiviert werden. In Heimen sowie in Kliniken gilt ab dem 8. November zudem eine tägliche Testpflicht für nicht geimpftes Personal, so sollen Vulnerable besser geschützt werden. Gleichzeitig lockert Rheinland-Pfalz im Freien deutlich.

Aktuelle Karte der Corona-Infektionen am 02.11.2021 laut RKI. - Grafik: RKI, Screenshot: gik
Aktuelle Karte der Corona-Infektionen am 02.11.2021 laut RKI. – Grafik: RKI, Screenshot: gik

Die vierte Coronawelle rollt inzwischen massiv an, bundesweit stieg die Corona-Inzidenz der Neuinfektionen inzwischen wieder auf über 150 – in Rheinland-Pfalz meldete das Landesgesundheitsamt am Dienstag eine Inzidenz von 88. Das aber bedeutete 628 Neuinfektionen allein in diesem Bundesland – und zehn Menschen starben an den Folgen einer Covid 19-Erkrankung. Auch liegt der Belastungswert für die Intensivbetten-Kapazität bei 4,76, und damit nicht mehr weit von der Schwelle zur Warnstufe 2. Intensivmediziner schlagen bereits wieder Alarm: Es gebe in diesem Herbst deutlich weniger Intensivbetten als vor einem Jahr, und die derzeit vorhandenen seien bereits wieder stark gefüllt – es drohe Bettenknappheit, vor allem, da ausgebildetes Personal für die Intensivstationen fehle.

Vor allem im Süden von Rheinland-Pfalz schießen derzeit die Corona-Inzidenzen wieder in die Höhe: Speyer medleet am Montag eine Inzidenz von 161,6, Germersheim von 162 – aber auch im Rhein-Hunsrück-Kreis liegt die Inzidenz bereits wieder bei 113,2. In Mainz meldete das Gesundheitsamt am Dienstag nach dem langen Wochenende 173 Neuinfektionen, davon 86 im Landkreis Mainz-Bingen und 87 neue Fälle in der Stadt Mainz. „Corona ist noch nicht vorbei“, betonte der zuständige Kreisbeigeordnete Erwin Malkmus: „Waren es in letzter Zeit noch rund 90 Fälle pro Woche, sind es in der vergangenen schon über 180.“ Die Inzidenz liege zwar noch unter dem Landesdurchschnitt, aber auch auf einem hohen Niveau, genauso wie die Belegung der Intensivbetten und die Hospitalisierungsrate.

- Werbung -
Werben auf Mainz&
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte Booster-Impfungen für alle an. - Foto: Staatskanzlei RLP
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte Booster-Impfungen für alle an. – Foto: Staatskanzlei RLP

„Wir sehen eine Pandemie der Ungeimpften“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Dienstag in Mainz, und betonte explizit: Es brauche auch weiterhin Schutzmaßnahmen wie Masken, Abstand und 2Gplus-Regeln, auch dann noch, wenn sich der Deutsche Bundestag entscheide, die „epidemische Lage von nationaler Tragweite“ zum 25. November auslaufen zu lassen. „Das Ende der epidemischen Lage nationaler Tragweite heißt nicht: Ende der Pandemie“, betonte die Ministerpräsidentin. Angesichts der steigenden Infektionszahlen drohe nun wieder eine deutliche Belastung in den Krankenhäusern, deshalb reagiere das Land.

„Wir sehen zunehmend wieder Infektionsfälle bei den vulnerablen Gruppen, insbesondere bei älteren pflegebedürftigen Menschen“, sagte Dreyer – tatsächlich hatte es bereits in den vergangenen Wochen mehrere Infektions-Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen gegeben, dabei gab es auch Tote, und das trotz Corona-Impfungen. Grund sind die sogenannten Impfdurchbrüche: Gerade bei hochbetagten Senioren reagiert das Immunsystem schwächer auf die Corona-Schutzimpfung, die offenbar – so neueste Studien – gerade bei Älteren früher in der Schutzwirkung nachlässt. Das gilt insbesondere auch für Menschen mit geschwächten Immunsystemen, auch bei gesunden Menschen lässt der Impfschutz – wie bei der Grippeimpfung auch – nach einigen Monaten nach.

5-Punkte-Plan für Booster-Impfungen in Rheinland-Pfalz. - Foto: Staatskanzlei RLP
5-Punkte-Plan für Booster-Impfungen in Rheinland-Pfalz. – Foto: Staatskanzlei RLP

Rheinland-Pfalz weitet deshalb nun die Booster-Impfungen stark aus und führt eine Testpflicht in Kliniken und Pflegeheimen für Ungeimpfte ein. „Dort, wo Menschen weiterhin besonders geschützt werden müssen, erhöhen wir die Testpflicht für Ungeimpfte und forcieren die Booster-Impfungen“, sagte Dreyer. Zum 8. November tritt eine neue Corona-Verordnung in Kraft, darin ist dann eine tägliche Testpflicht für nicht geimpftes Personal in Krankenhäusern vorgeschrieben, ebenso für Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe sowie in ähnlichen Einrichtungen.

Eine Impfpflicht in solchen Einrichtungen lehnt die Politik weiter ab – andere Länder wie Frankreich oder Italien haben dies längst vorgeschrieben. Dreyer sagte lediglich, es werde an das Fachpersonal in Krankenhäusern sowie Alten- und Pflegeeinrichtungen „appelliert“, den eigenen Impfstatus zu überprüfen. „Auch, wenn es keine allgemeine Impfpflicht gibt, so stehen wir alle in der Pflicht, Verantwortung für unsere Nächsten zu übernehmen“, betonte die Ministerpräsidentin: „Meine klare Bitte: Lassen Sie sich bitte impfen.“

Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) vor ein paar Wochen bei einer Pressekonferenz. - Foto: gik
Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) vor ein paar Wochen bei einer Pressekonferenz. – Foto: gik

Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) legte zudem ein 5-Punkte-Papier vor, mit dem die Drittimpfungen generell beschleunigt werden sollen- Demnach soll nun jede Alten- und Pflegereinrichtung erneut sensibilisiert, und es sollen verstärkt weitere mobile Teams für Drittimpfungen in den Einrichtungen eingesetzt werden. Alle Menschen in Rheinland-Pfalz über 70 Jahren würden nun gemeinsam mit der Ärzteschaft angeschrieben und zur dritten Auffrischungs-Impfung eingeladen, kündigte Hoch an. Das sei auch bereits angelaufen: Bis Ende Oktober seien bereits 107.768 Menschen in Rheinland-Pfalz drittgeimpft worden.

Bislang empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) die dritte Auffrischungsimpfung lediglich für Personen über 70 Jahre, dabei ist die Wissenschaft längst weiter: In Israel wird bereits im Eiltempo eine zweite Impfkampagne mit flächendeckenden Drittimpfungen durchgeführt, die Ergebnisse sind hochgradig positiv – die Neuinfektionen sanken deutlich. Das Mainzer Unternehmen Biontech legte gerade eine Studie an mehr als 10.000 Personen vor, nach der Booster-Impfungen hochgradig wirksam sind.

Rheinland-Pfalz geht nun den ganz großen Schritt: Künftig kann jeder Erwachsene, dessen Zweitimpfung mehr als sechs Monate zurückliegt, eine dritte Impfung bekommen – und zwar unkompliziert an den Impfbussen des Landes, sagte Hoch weiter. Zudem will das Land an zehn Krankenhausstandorten gemeinsam mit der Krankenhausgesellschaft dezentrale Impfzentren an speziellen Impftagen öffnen, um den Ansturm der zweiten Impfwelle bewältigen zu helfen. Diese dezentralen Impfzentren sollen Mitte November an den Start gehen – die großen, in Standby versetzten Impfzentren will Hoch aber nicht wieder öffnen.

Die Impfbusse rollen bis Jahresende verstärkt durch Rheinland-Pfalz. - Foto: RLP.de
Die Impfbusse rollen bis Jahresende verstärkt durch Rheinland-Pfalz. – Foto: RLP.de

Die Impfzentren an den Kliniken sollen aber die Ärzteschaft beim Impfen entlassen, schließlich könnten theoretisch im November mehr als 282.241 Drittimpfungen auf die Ärzteschaft zukommen, sagte Hoch weiter. Bisher drangen vor allem Vertreter der Ärzteschaft darauf, dass die Impfungen durch ihre niedergelassenen Ärzte durchgeführt werden, vor Ort wird das deutlich kritischer gesehen: Viele Arztpraxen stöhnen schon jetzt über die Belastung durch die Corona-Impfungen, manche Praxis hat das Impfen gar ganz eingestellt – die Belastung sei viel zu groß. Hoch betonte, das Land werde nun auch die Termine der sechs Impfbusse deutlich ausweiten:; Bis Jahresende sollten weitere 500 Impfbustermine angeboten werden, das sei eine Verdopplung der ursprünglichen Planung.

Mit der 27. Corona-Bekämpfungsverordnung leistet sich Rheinland-Pfalz ab dem 8. November allerdings gleichzeitig neue Lockerungen im Freien: Die Regelung zur Kontaktbeschränkung im öffentlichen Raum entfällt ebenso wie die noch geltenden Personenbegrenzung von einer Person pro 5 Quadratmeter Fläche im öffentlichen Raum – das galt tatsächlich noch. In Innenräumen bleibt es bei den Regeln der 2Gplus-Vorgabe.

Für Veranstaltungen im Außenbereich gibt es künftig aber nur noch Beschränkungen, wenn die Teilnehmer feste Plätze einnehmen und eine Einlasskontrolle oder Ticketverkauf gegeben sind – dann gilt 3G mit Testpflicht. Die Begrenzung auf 25.000 Zuschauer entfällt hingegen – der Grund: Damit seien Martinsumzüge und Weihnachtsmärkte ohne Einschränkungen, und damit auch ohne Abstand, ohne Maske und ohne 3G-Regeln möglich, teilte das Land weiter mit. Die Landeshauptstadt Mainz plante bislang mit 3G-Regel und Maskenpflicht den großen Weihnachtsmarkt – nun dürfte sogar die Maskenpflicht in der Innenstadt fallen. Mediziner sehen das mit Argwohn: Er werde große Menschenansammlungen im Winter meiden, sagte ein Mediziner in der Landesschau Aktuell am Dienstagabend – auch im Freien kann man sich bei engem Zusammenstehen infizieren.

Info& auf Mainz&: Alle Infos rund um Corona in Rheinland-Pfalz sowie die Termine der Impfbusse findet Ihr hier im Internet, mehr zum Thema Impfdurchbrüche und Booster-Impfungen lest Ihr hier bei Mainz&. Die Studie von Biontech zur Wirksamkeit der Booster-Impfungen lest ihr hier bei Mainz&.

 

HINTERLASSEN SIE EINEN KOMMENTAR

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein