Es klingt wie ein Traum: Alle Schüler und Lehrer bekommen ein brandneues Tablet in die Hände gedrückt, als Grundausstattung für digitalen Unterricht und für den eigenen Privatgebrauch dazu. Den Traum wahr macht nun der Landkreis vor den Toren von Mainz: Mainz-Bingen stattet alle Schüler und Lehrer aller weiterführenden Schulen mit einem neuen und modernen Tablet aus – und das spätestens bis Jahresende. 17.388 iPads werden dafür angeschafft – und der Landkreis muss dafür noch nicht einmal besonders tief in die Tasche greifen.
Die Corona-Pandemie hat der Digitalisierung in Deutschland einen enormen Schub verpasst, die Schließung der Schulen und das daraus folgende Homeschooling machen es auch bitter nötig: Der Grad der Beschulung in Corona-Zeiten schwankte vielfach stark, vom Arbeitsblatt per Post bis hin zum digitalen Unterricht per Video-Schalte reichte die Bandbreite. Wohl der Familie, die ausreichend Geräte besaß, um den Anforderungen eines digitalen Unterrichts auch nachkommen zu können, die Corona-Pandemie offenbarte so auch, welch große Kluft oft noch zwischen den Haushalten herrscht.
So wurden dann gebrauchte Laptops für bedürftige Schüler gesammelt oder Tablets für Senioren in Altenheimen vergeben. Die Stadt Mainz finanzierte aus ihrem Hilfsprogramm „Mainz hilft sofort“ 600 Tablets für Kinder aus besonders bedürftigen Familien, um ihnen den Zugang für das digitale Lernen zu Hause zu erleichtern – die Geräte sollen zum Schuljahr 2020/2021 vorhanden und entsprechend eingerichtet sein. Die Anschaffung weiterer Tablets zum Verleihen sei in der Überlegung, teilte die Stadt am 8. Juni mit.
Im Kreis Mainz-Bingen haben sie beschlossen, richtig zu klotzen: 15.700 Schüler besuchen die 20 weiterführenden Schulen im Kreis Mainz-Bingen, spätestens bis Jahresende sollen alle Schüler über ein modernes Tablet verfügen, ebenso die Lehrer. Insgesamt 17.388 iPads werden dafür angeschafft, die ersten Geräte für bedürftige Kinder sollen schnell ausgegeben werden, alle Geräte möglichst noch vor den Sommerferien ausgegeben werden. Mainz-Bingen sei auf dem Weg zum „Bildungslandkreis Nummer eins“, sagte Landrätin Dorothea Schäfer (CDU) stolz: „Es ist gut, dass wir soziale Ungerechtigkeiten ausgleichen können.“
Der Plan stammt eigentlich aus dem Jahr 2019: „Der Kreis hat sich 2019 zum Ziel gesetzt, die Schulen so auszustatten, dass sie je nach ihrem Plan und Gutdünken digital arbeiten können“, sagte Kreissprecher Bardo Faust gegenüber Mainz&. Ein Medienentwicklungskonzept sei erarbeitet, die Schul-IT ausgebaut und mit zusätzlichen Stellen ausgestattet, alle Schulen mit WLAN ausgerüstet worden. Binnen vier Jahren wollte der Kreis dann alle Schüler und Lehrer sukzessive mit modernen Tablets ausstatten – dann kam die Corona-Pandemie. Mitte Mai beschloss der Kreis deshalb, die Anschaffungen vorzuziehen: Noch in diesem Jahr sollten alle Schüler iPads erhalten, sagte Faust, „idealerweise bis zu den Sommerferien.“
Derzeit sei nicht absehbar, in welchem Umfang der Präsenzunterricht durch die Corona-Pandemie eingeschränkt bleibe, sagte der 1. Kreisbeigeordnete Steffen Wolf, deshalb habe man beschlossen, die auf vier Jahre angelegten Standards vorzeitig umzusetzen. Als erstes gelte das für die Kinder, „die vielleicht zu Hause bisher kein Tablet zur Verfügung haben.“ Für die insgesamt 17.388 Tablets rechnet der Kreis mit Kosten von 8,1 Millionen Euro. Mainz-Bingen gehört zu den reichsten Landkreisen der Republik, doch aus eigener Tasche muss der Landkreis die Summe trotzdem nicht stemmen: Auf den Kreis selbst würden dabei „nur“ Kosten von rund einer Million Euro entfallen, heißt es.
Der Trick: Kostenfrei sind die Tablets nur für die Schüler, die Lernmittelfreiheit erhalten, also Bücher und Unterrichtsmaterialien kostenlos gestellt bekommen. Alle anderen Geräte, und damit der Großteil, werden nicht kostenlos abgegeben, sondern für 7,- Euro im Monat an die Familien verliehen. Damit werde man voraussichtlich allein vier Millionen Euro refinanzieren, sagt Kreissprecher Faust. Die übrigen drei Millionen Euro sollen aus Zuschüssen von Land und Bund refinanziert werden, man habe verschiedene Förderprogramme aus dem Digitalpakt sowie von Digitalfördermitteln im Blick.
Beim Land Rheinland-Pfalz staunt man ob der Dimension der Mainz-Binger Initiative: „Unserem Hause ist kein weiterer Landkreis bekannt, der alle Schüler und alle Lehrkräfte mit Tablets ausstattet“, heißt es auf Anfrage aus dem Bildungsministerium. Dem Land lägen bisher auch noch keine Anträge auf Förderung aus Mainz-Bingen vor. Rheinland-Pfalz erhalte aber aus dem DigitalPakt Schule rund 242 Millionen Euro, für den Kreis Mainz-Bingen ergebe sich demnach ein Budget von 6.667.098,61 Millionen Euro, davon müsse der Landkreis als Antragsteller einen Eigenanteil von zehn Prozent erbringen.
Im Zuge der Corona-Krise kündigte der Bund zudem weitere Finanzierungen in Sachen Digitalisierung in Höhe von 500 Millionen an, deren Verteilung und Umsetzung befänden sich aktuell aber noch in der Abstimmung, sagte ein Ministeriumssprecher weiter. Das Land verstärke im Übrigen die digitale Aus- und Weiterbildung von Lehrern, denn digitale Bildung sei schließlich viel mehr als nur technische Geräte – es brauche auch pädagogisch sinnvolle Konzepte.
Im Kreis Mainz-Bingen sieht man sich dafür gut gerüstet: In dem Paket seien neben den Tablets selbst auch die Software, der Service und Schulungen enthalten, betont man dort – nach vier Jahren ist zudem ein Austausch in moderne Geräte vorgesehen. Medienkonzepte gebe es bereits auch schon, „die Technik folgt immer der Pädagogik“, betonte Wolf. Für die Familien sind die Geräte in jedem Fall ein Zugewinn: Eine private Nutzung der Tablets ist ausdrücklich erlaubt und sogar gewünscht.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Initiative des Landkreises Mainz-Bingen „Tablets für alle“ findet Ihr hier im Internet, für betroffene Eltern im Landkreis gilt übrigens eine Anmeldefrist bis zum 16. Juni 2020.