Die Sperrung der Theodor-Heuss-Brücke hat am Montag erwartungsgemäß zu erheblichen Verkehrsbehinderungen und langen Staus geführt. An Werktag 1 nach der Brückensperrung stauten sich die Autos im morgendlichen Berufsverkehr nach Angaben der Polizei auf den Autobahnen rund um Mainz auf einer Länge von insgesamt 45 Kilometern. Das Problem dabei: Der erhebliche Druck führte zu 17 Auffahrunfällen binnen kürzester Zeit, dazu kamen diverse liegengebliebene Pkw. In Mainz selbst ging vor allem auf den Zubringerstraßen zu den Brücken und Autobahnen nichts mehr, Pendler brauchten zum Teil 55 Minuten für sieben Kilometer Strecke. Der Mainzer CDU-Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner betonte denn auch erneut: Das Verkehrschaos zeige, wie dringend Mainz eine weitere Brücke über den Rhein brauche.
Die Theodor-Heuss-Brücke war am Sonntagmittag wie angekündigt für den Individualverkehr komplett gesperrt worden. Grund sind Sanierungsarbeiten: An der Brücke müssen die Traversenlager ausgetauscht werden, die Brücke ist deshalb für die kommenden vier Wochen voll gesperrt. Ab Sonntag, 12.04 Uhr durften deshalb nur noch Fußgänger, Radfahrer sowie Mofas über die Brücke, Busse und Taxen dürfen ebenfalls die Schranken an den Zufahrten passieren. Das funktionierte nach Angaben der Mainzer Mobilität weitgehend problemlos: „Der Busverkehr läuft sehr gut“, sagte ein Sprecher der Mainzer Mobilität am Montag. Weder auf dem Brückenkopf in Mainz-Kastel noch an der Mainzer Rheinallee habe es Probleme gegeben.
In den sozialen Netzwerken berichteten Nutzer begeistert, die Busse seien schneller und problemloser über die Brücke gerollt als sonst an Werktagen im normalen Berufsverkehr. Besonders voll waren die Busse wohl auch nicht – anders hingegen bei den S-Bahnen zwischen Mainz und Frankfurt: „Waggons sind bis zum Bersten gefüllt“, berichteten Nutzer auf Twitter, „die Deutsche Bahn wurde von der Sperrung der Theodor-Heuss-Brücke wohl überrascht…“
Die meisten Pendler versuchten indes, mit dem Auto über eine der beiden verbliebenen Autobahnbrücken zwischen Mainz und der hessischen Seite zu kommen. Schon ab 5.30 Uhr habe der Berufsverkehr eingesetzt, deutlich früher als sonst, berichtete Polizeisprecher Roberto, bis gegen 8.00 Uhr habe ein „enormes Verkehrsaufkommen“ auf den Autobahnen geherrscht. Erst gegen 11.00 Uhr entspannte sich die Lage rund um Mainz. Den Pendlern blieben zum Weg nach Hessen nur noch die Schiersteiner und die Weisenauer Brücke, beide Strecken seine gleichermaßen belastet gewesen, hieß es bei der Polizei.
Überlastet traf es wohl besser: „Sperrung der Theodor-Heuss-Brücke ist, wenn ich bei einem Arbeitsweg von 7,5 Kilometern nach 300 Metern im Stau stehe und insgesamt 55 Minuten bis zur Arbeit brauche“, schrieb ein User auf Twitter zum Beispiel. Besonders in der Wormser Straße von der Mainzer Innenstadt aus ging in Richtung Weisenau zeitweise gar nichts mehr. Die Polizei griff regulierend ein und setzte die Ampel an der Salvatorstraße zeitweise außer Kraft, um den Verkehr stadtauswärts besser fließen zu lassen. Das habe zwar sehr gut funktioniert, sei aber auch an grenzen gestoßen, berichtete Polizeisprecher Roberto gegenüber Mainz&: „Wenn alle Verkehrsflächen voll sind, können wir auch nichts mehr regeln.“
Auch in Mainz-Gonsenheim ging es in Richtung Autobahn nur bestenfalls stockend voran. „45 Minuten für die Abfahrt gebraucht“, berichtete ein Mainz&-Leser, „um mich weitere 30 Minuten im Stau einzureihen.“ Das problem dabei: Die Auffahrt in Mainz-Mombach in Richtung Wiesbaden ist wegen des Neubaus der Schiersteiner Brücke weiter gesperrt, so musste sich durch Gonsenheim quälen, wer von den nördlichen Mainzer Stadtteilen nach Wiesbaden wollte. Im Süden hingegen ist die Auffahrt von der Pariser Straße in Richtung Frankfurt auf die A60 weiter dicht, das trug zu einer erheblichen Belastung der Zubringer in Hechtsheim und Weisenau bei. In der Mainzer Oberstadt ging stellenweise gar nichts mehr voran.
Das Chaos im Berufsverkehr sorgte dann auch noch für eine erhebliche Zahl an Unfällen: 17 Auffahrunfälle registrierte die Mainzer Polizei allein in den frühen Morgenstunden bis 8.00 Uhr, davon sieben auf den Autobahnen und zehn auf den Zubringerstrecken in Mainz. Auf der A 60 führte ein liegengebliebener Pkw zwischen Bingen und Ingelheim zu einem kilometerlangen Rückstau bis Bingen, in dem sich gleich mehrere Auffahrunfälle ereigneten. Auch auf dem Mainzer Ring in Höhe Mainz-Hechtsheim sorgte ein Auffahrunfall auf der mittleren Spur zeitweise für extreme Behinderungen. Und schließlich sorgte ein weiterer Unfall auf der Weisenauer Brücke mit gleich drei Pkws dafür, dass der Verkehr endgültig zum Stillstand kam. Damit ging auch auf der B9 Richtung Nierstein auf zehn Kilometern sowie auf der Wormser Straße Richtung Mainzer Innenstadt nichts mehr.
Die Polizei appelliert deshalb an die Autofahrer, im Stau vorsichtig zu fahren: „Abstand halten, andere einordnen lassen und den Verkehr lieber langsam am Laufen halten, anstatt unrhyhtmisch zu fahren“, riet Roberto: „Da müssen alle dran mitwirken: Rücksichtsvoll fahren, langsamer rollen, nicht so eng auffahren.“ Am Montag sei das eher weniger gelungen, sagte er. Mit dem rückkehrenden Verkehr aus Hessen rechne die Polizei nun schon ab 15.00 Uhr. „Wir hoffen, dass sich das in den nächsten Tagen einspielt“, sagte Roberto.
Der Mainzer CDU-Landtagsabgeordnete Gerd Schreiner forderte denn auch erneut am Morgen auf Twitter: „Wir brauchen DRINGEND eine zusätzliche Rheinbrücke in Höhe der Petersaue!“ Schuld am Stau seien nicht die Unfälle, „Schuld ist eine falsche Verkehrspolitik, die bewusst Mobilität behindert.“ Straßen- und Schienennetz müssten so ausgebaut sein, dass der Verkehr auch bei täglichen Engpässen, Reparaturen oder Unfällen laufen könne.
In der Mainzer Innenstadt verursachte am Morgen dann aber auch noch ein Unfall mit einer Straßenbahn erhebliche Probleme im öffentlichen Nahverkehr: Ein Ford Transit übersah gegen 7.45 Uhr beim Abbiegen auf dem Kaiser-Wilhelm-Ring in Höhe Frauenlobstraße eine Straßenbahn der Linie 50 aus Finthen – der Transporter fuhr der Straßenbahn in die Seite. Der Fahrer und sein Beifahrer wurden dabei verletzt, leicht verletzt wurden aber auch der Fahrer der Straßenbahn sowie ein vierjähriger Junge in der Straßenbahn: er erlitt kleinere Abschürfungen im Gesicht und eine Beule am Kopf. Der Unfall sorgte für erhebliche Verspätungen im Straßenbahnverkehr.
Viele Pendler suchten derweil mit kreativen Methoden nach Abhilfe, stiegen aufs Fahrrad um, arbeiteten im Homeoffice oder suchten gleich ganz „Asyl“ bei Freunden auf der hessischen Seite. Kreativ reagierte auch die Mainzer-Rikscha-Flotte: Seit Montagnachmittag bieten die elektrisch angetriebenen Fahrradtaxis einen kostenlosen Shuttle-Service über die Theodor-Heuss-Brücke an. Der kostenlose Brücken-Shuttle sei auf Wunsch des Wiesbadener Verkehrsdezernats eingerichtete worden, schrieb das Unternehmen auf seiner Facebookseite. In zwei Schichten werden Fahrgäste zwischen 7.00 und 11.00 Uhr und zwischen 16.00 Uhr und 20.00 Uhr vom Kasteler Bahnhof oder vom Hochkreisel und der Mainzer Innenstadt hin und her transportiert, sogar bis zum Wunschziel auf Mainzer Seite, sofern das in Brückennähe liegt. „Auf Wunsch spielen wir während der Überfahrt sogar Ihren Wunsch-Song über den Bordlautsprecher“, heißt es auf der Facebookseite.
Ein Fahrrad-Lieferservice bietet zudem einen Lastentransport über die gesperrte Brücke an. Und der Allgemeine Deutsche Fahrradclub hat sich ebenfalls eine besonderen Anreiz ausgedacht, um alle Radfahrer zu motivieren: Am Donnerstag, 16. Januar, will der ADFC von halb acht bis halb neun Kreppel und Äpfel an der Brücke verteilen, „als Dankeschön für alle, die radeln.“ Für Ärger sorgt derweil weiter die sogenannte „Helau-Spur“ für Fastnachter, auch wenn die Ausnahmen nur für wenige Redner an Abenden und Wochenenden gelten. Viele Mainzer kritisierten, dass zwar Fastnachtsredner, nicht aber Handwerker oder Pflegedienste ausnahmsweise über die Brücke dürfen.
Und sogar von höchster Stelle kam noch Spott dazu, wie das Bistum Mainz am Montag auf Twitter selbst verbreitete: Beim Neujahrsempfang des Bistums Mainz scherzte der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf, er habe ja „überlegt, bei der Stadt um eine Halleluja-Spur auf der Theodor-Heuss-Brücke zu bitten – damit der Bischof immer freie Fahrt hat.“
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