Es muss eine herzzerreißende Geschichte gewesen sein: Mitte des 2. Jahrhunderts nach Christus verlor die im antiken Mogontiacum lebende Telesphoris ihre Tochter – das Kind starb mit nur sechs Monaten. Die Trauer der Eltern waren groß, und offenbar waren sie auch nicht unbedingt arm: Sie gaben einen Grabstein samt Trauergedicht in Auftrag. Doch der Grabstein existiert gleich zwei mal, einmal in Sandstein, einmal in Marmor – nun wird einer davon im Landesmuseum Mainz restauriert. Und die Besucher können zusehen.

Die Steinhalle im Mainzer Landesmuseum birgt zahlreiche Schätze aus der Römerzeit, hier sind vor allem Grabsteine zu sehen, die allerhand Geschichten aus dem antiken Mogontiacum erzählen. Bekannt sind etwa der Grabstein des Fischers Blussus oder des Iucundus, eines Mainzers, der von seinem eigenen Sklaven ermordet wurde. Der Sklave wiederum ertränkte sich im Main – andernfalls wäre er wohl hingerichtet worden. Oder der Grabstein des Monimus, eines syrischen Bogenschützen, der im 1. Jahrhundert nach Christus an den Rhein kam, um in der Armee hier zu dienen.
Weniger bekannt allerdings ist bisher die Geschichte eines besonderen Grabsteins: der eines kleinen Mädchens, das Mitte des 2. Jahrhunderts nach Christus in Mainz verstarb – mit nur einem halben Jahr. in Mainz. Die Kleine muss sehr geliebt worden sein, denn auf ihrem Grabstein findet sich ein anrührendes Grabgedicht, auf dem die Tochter mit einer verwelkenden Rose verglichen wird. Darüber ist aus dem Stein gemeißelt ein Kleinkind mit einer Rassel dargestellt, das die Ärmchen nach einem umgekippten Korb mit Blumen ausstreckt.
Telesphoris ließ einen Grabstein für ihre Tochter fertigen – zweifach
Die Inschrift gibt vor allem Auskunft über die Eltern: „Telesphoris und ihr Ehemann, Eltern einer Tochter“ heißt es dort, der Ehemann wird dabei nicht mit Namen genannt, ein Zeichen für eine durchaus eigenständige Ehefrau. Das wirklich Besondere an der Geschichte ist aber: der Grabstein für die geliebte Tochter wurde gleich zwei mal angefertigt – einmal in Marmor, und ein Mal in Sandstein, und beide sind erhalten geblieben. Dabei findet sich die handwerklich bessere Steinmetzarbeit auf dem schlechteren Sandsteinmaterial, während die Bearbeitung des Marmorsteins anscheinend abgebrochen wurde.

Denn die Inschrift auf dem Marmorstein bricht mittendrin ab, „vermutlich, weil der Steinmetz merkte, dass er sich im Platz verschätzt hatte“, wie es von Seiten der Experten im Landesmuseum heißt. Die Seiten der Steine zieren zudem Lorbeerbäume, die auf dem Marmorstein auch nur als Umrisse angelegt sind. Die auf den Steinen aufliegenden Altaraufsätze mit Maskenzier gehörten nicht zwingend zur ursprünglichen Aufstellung, passen aber von Größe und Fundort her.
Warum es den Grabstein zweimal gibt, bleibt ein Rätsel, sagen die Experten: Gefiel den Eltern der begonnene Grabstein nicht? Oder kam der Steinmetz mit dem schwer zu bearbeitenden Marmor nicht zurecht? Tatsächlich zeigen sich vor allem in der Darstellung des Kleinkindes erhebliche Unterschiede: Auf dem Marmorstein wirkt die dargestellte Person irgendwie eckiger und auf jeden Fall älter, der Sandstein hingegen zeigt ein wirklich niedliches, rundliches Kleinkind, das in typischer Manier nach dem Korb patscht – gut möglich, dass die Eltern von der Marmorversion nicht begeistert waren.
Marmorgrabstein wird restauriert, Spenden für zweiten Stein gesucht
Tatsache ist: Der Marmorstein wird seit dem 10. März und noch bis zum 21. März 2025 aufwendig restauriert, und die Besucher des Landesmuseums können dabei zusehen. Die finanzierung der Arbeiten übernimmt dabei der Verein der Freunde des Landesmuseums Mainz, den der feiert gerade sein 60-jähriges Bestehen. „Normalerweise wird man zum Geburtstag selbst beschenkt – umso herzlicher fällt unser Dankeschön an den Verein der Freunde aus, dem wir an dieser Stelle auch für die nunmehr 60-jährige Unterstützung danken wollen“, betonte Museumsdirektorin Birgit Heide. Die „großzügige Geste“ und das unermüdliche Engagement des Vereins helfe, die Attraktivität des Landesmuseums aufrechtzuerhalten.

„Es ist uns eine große Freude, die Restaurierung des Marmorsteins zu finanzieren“, sagte die Vereins-Vorsitzende Elisabeth Kolz, und betonte: „Wir würden uns noch mehr freuen, wenn wir auch für die Sandsteinvariante weitere Spender und Kunstbegeisterte gewinnen können, sich finanziell zu beteiligen.“ Denn der Sandstein ist in einem deutlich schlechteren Zustand, wie man dabei helfen kann, verraten wir Euch unten. Ein Spenden-Flyer des Freunde-Vereins wird außerdem im Museum ausgelegt.
Die Aufarbeitung übernimmt die Firma Matthias Steyer aus Niedernhausen, die bereits die Große Mainzer Jupitersäule restauriert hat – Steyer wolle dem Stein „buchstäblich auf den Grund gehen“, verriet die für römische Funde zuständige Kuratorin Ellen Riemer. Denn im vergangenen Jahr hätten die Experten bei Farbuntersuchungen des Marmorsteins überraschend Reste blauer Farbe auf dem unfertigen Grabstein gefunden. „Wir sind gespannt, ob wir nun noch weitere, bisher verborgene Details entdecken werden“, sagte Riemer: „Die Restaurierung bleibt in mehrfacher Hinsicht spannend.“
Sollte ein höherer Betrag als erforderlich gespendet werden, wird der Vorstand einen weiteren Grabstein bearbeiten lassen – und zwar den des Syrers Monimus. Der wurde bereits zwischen 14 nach Christus und 37 nach Christus in Mainz begraben, sein Grabstein im Jahr 1795 am Hang hinter dem früheren Kloster Dalheim im Zaybachtal gefunden – also unterhalb des römischen Legionslagers oben auf dem Kästrich. Der Grabaltar der Tochter der Telesphoris wurde übrigens 1861 im Bereich der Mitternacht gefunden, also ganz in der Nähe des Landesmuseums. Und darauf heißt es: das süßeste Mädchen habe nur ein halbes Jahr und acht Tage gelebt – „die Rose erblühte und verging sogleich.“
Info& auf Mainz&: Den Verein der Freunde des Landesmuseums Mainz findet Ihr hier im Internet. Wer bei der Restaurierung des Grabsteins des Mädchens und vielleicht auch des Monimus helfen möchte, der kann seine Spenden direkt auf das Spendenkonto des Vereins bei der Volksbank Darmstadt Mainz überweisen: Verein der Freunde des Landesmuseums Mainz e.V., IBAN: DE23 5519 0000 0937 4200 16, Stichwort: Förderprojekte des Vereins.