Der Abschlussbericht zum Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal des Mainzer Landtags soll bis Ende dieses Jahres fertig sein. Die Obleute der Fraktionen einigten sich am Donnerstag auf einen Zeitplan für den umfangreichen Abschlussbericht, dessen Fazit die politische Würdigung der Beweisaufnahme enthalten wird. Derweil bricht die Zufriedenheit der Rheinland-Pfälzer mit ihrer Landesregierung ein – und mit der Aufstellung in Sachen Katastrophenschutz: 73 Prozent halten das Land schlecht aufgestellt.

19 Monate lang arbeitete der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal im Mainzer Landtag Versäumnisse der Flutnacht auf. - Foto: gik
19 Monate lang arbeitete der Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal im Mainzer Landtag Versäumnisse der Flutnacht auf. – Foto: gik

Ende April 2023 hatte der Untersuchungsausschuss zur Flutkatstrophe im Ahrtal seine öffentliche Beweisaufnahme beendet. In 42 Sitzungen und insgesamt rund 285 Stunden hatten die Mitglieder des Untersuchungsgremiums seit Dezember 2021 insgesamt 227 Zeugen sowie 22 Sachverständige gehört, manche davon zweimal. Dabei entstanden rund 6.700 Protokollseiten mit Aussagen unzähliger Katastrophenschützer, Bürgermeister, Landräte, Polizeibeamten und Landesbediensteten, bis hin zu Ministern und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) persönlich, die zwei mal vor dem Gremium Auskunft geben musste.

Im Mittelpunkt stand dabei stets die Frage: Welche Versäumnisse haben in der Politik, in Landesbehörden und Ministerien dazu geführt, dass in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 im Ahrtal insgesamt 136 Menschen sterben mussten. Einige der zentralen Fragen dabei: Warum wurde nicht ausreichend im Vorfeld gewarnt, warum wurde der Katastrophenalarm so spät ausgelöst, und warum wurden die Menschen nicht wesentlich früher evakuiert?

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Minutiöse Aufklärungsarbeit: Wer trägt die politische Verantwortung?

Der Untersuchungsausschuss spürte dabei so minutiös und detailliert den Ereignissen in der Flutnacht nach, wie wohl noch nie ein Ausschuss zu einem Thema zuvor. Und er leistete wahre Detektivarbeit: Da wurden Widersprüche in Aussagen aufgedeckt, Deckaussagen von Beamten entlarvt und vor allem wichtige Dokumente wie die Videos von Polizeihubschraubern aus der Flutnacht im Ahrtal ans Licht geholt – in der Folge musste Innenminister Roger Lewentz (SPD) ebenso zurücktreten wie die damalige Umweltministerin Anne Spiegel (Grüne) von ihrem Amt als Bundesfamilienministerin in Berlin.

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei einem Statement nach ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags. - Foto: gik
Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) bei einem Statement nach ihrer Vernehmung vor dem Untersuchungsausschuss des Landtags. – Foto: gik

Trotzdem ist die Frage, wer trägt die politische Verantwortung für die Fehler in der Flutnacht und davor bis heute ungeklärt – auch am Donnerstag verweigerte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) erneut eine Entschuldigung für Versäumnisse ihrer Regierung. Diese Einordnung obliegt nun den Fraktionen im Untersuchungsausschuss: Am Donnerstag wurde der Bericht des Ausschussvorsitzenden an die Mitglieder des Ausschusses verteilt.

Dieser Bericht enthält zunächst einmal eine Zusammenstellung der vom Ausschuss geleisteten Arbeit und ist untergliedert in die Teile „A. Einsetzung, Untersuchungsauftrag und Konstituierung“, „B. Verlauf und Verfahren“ sowie „C. Zusammenfassung der Beweisaufnahme“. Die Veröffentlichung des Berichts des Vorsitzenden (Berichtsteile A, B und C) erfolgt erst zusammen mit dem von den Fraktionen erstellten Berichtsteil als kompletter Abschlussbericht – dieser soll dann als pdf für jedermann zum Download im Parlamentssystem verfügbar sein. Mögliche neue Erkenntnisse aus einem neuen Gutachten der Staatsanwaltschaft sollen nachträglich eingearbeitet werden.

Fraktionen würdigen nun Ergebnisse politisch

Eine politische Würdigung der Ergebnisse oder gar eine Einschätzung der Schuldfrage enthält dieser Grundlagenbericht erst einmal noch nicht – das ist nun die Aufgabe der Fraktionen. Diese sollen nun bis zum Beginn der Herbstferien – dem 13. Oktober 2023 – ihre Würdigungen fertigstellen. Danach wird der Ausschuss darüber beraten, ob man zu einer gemeinsamen Einschätzung kommt – die Wahrscheinlichkeit dafür ist praktisch gleich Null: Schon bisher wichen die Aussagen der Vertreter der Ampel-Koalition, also von SPD, Grünen und FDP, stark von den Einschätzungen der Opposition ab.

Wer trägt die politische Verantwortung für die Fehler der Flutnacht? Landrat Jürgen Pföhler (CDU, ganz rechts) allein - oder doch auch jemand aus der Landesregierung? - Foto: KV Ahrweiler
Wer trägt die politische Verantwortung für die Fehler der Flutnacht? Landrat Jürgen Pföhler (CDU, ganz rechts) allein – oder doch auch jemand aus der Landesregierung? – Foto: KV Ahrweiler

Von CDU, Freien Wählern und AfD sind deutliche Worte der Kritik in Richtung Landesregierung zu erwarten – AfD-Obmann Michael Frisch forderte schon am Donnerstag in der Generalaussprache zur Regierungserklärung von Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) zum Jahrestag der Flutkatastrophe im Landtag erneut den Rücktritt der Ministerpräsidentin. Die Freien Wähler wiederum haben vehement die Abberufung von ADD-Präsident Thomas Linnertz gefordert, auch Umwelt-Staatssekretär Erwin Manz steht weiter scharf in der Kritik.

Dass die regierenden Fraktionen irgendeine Kritik an den Verantwortlichen in der Landesregierung mittragen, ist nicht zu erwarten, mit großer Sicherheit wird es deshalb einen Abschlussbericht geben, und dazu Minderheitenvoten der Oppositionsfraktionen, die ihre eigenen politischen Würdigungen aufzeigen. Der Abschlussbericht soll nun bis spätestens Mitte November 2023 abgestimmt und möglichst im Dezember-Plenum des Landtags behandelt werden.

Zustimmung zur Arbeit der Ampel: Tiefster Wert seit 20 Jahren

Derweil bricht die Zustimmung der Rheinland-Pfälzer zur Arbeit der Ampel-Landesregierung gerade zu ein: 57 Prozent der Befragten gaben beim „Poli-Trend“, der repräsentativen Umfrage des SWR-Politikmagazins „Zur Sache Rheinland-Pfalz“ an, weniger oder gar nicht mit der Ampelkoalition zufrieden zu sein. Das seien sogar noch fünf Prozentpunkte mehr als im vergangenen Politrend im März dieses Jahres, teilte die Redaktion mit. Zufrieden mit der Arbeit der Landesregierung sind demnach nur noch 36 Prozent, lediglich zwei Prozent sind „sehr zufrieden“.

Sonntagsfrage Poli-Trend Rheinland-Pfalz im Juli 2023. - Grafik: zur Sache RP
Sonntagsfrage Poli-Trend Rheinland-Pfalz im Juli 2023. – Grafik: zur Sache RP

Das sei insgesamt der niedrigste Zustimmungswert im Politrend seit März 2004: „So unzufrieden mit ihrer Landesregierung waren die Rheinland-Pfälzer seit knapp 20 Jahren nicht mehr“, konstatiert die Redaktion. Wenn am kommenden Sonntag Landtagswahl wäre, hätte demzufolge die Ampel-Koalition keine Mehrheit mehr – mehr noch: Die CDU wäre nun mit 31 Prozentpunkten deutlich stärkste Kraft im Land, weit vor der SPD, die auf nur noch 25 Prozent käme.

Besonders deutlich zeigt sich der Absturz im Vergleich zu vor einem Jahr: Im September 2022 lagen SPD und CDU beim Poli-Trend mit jeweils 27 Prozent noch gleichauf, die Grünen waren damals mit 14 Prozent noch drittstärkste Kraft vor der SPD, die auf 12 Prozent kam. Das Bild hat sich gründlich geändert: Von der Unzufriedenheit profitiert neben der CDU vor allem die AfD, die um vier Prozentpunkte auf 16 Prozent steigt – und damit drittstärkste Kraft im Land wäre. Die Grünen sinken hingegen auf nur noch 11 Prozent. Die FDP verharrt bei 5 Prozent, wird aber von den Freien Wählern überholt, die jetzt auf 6 Prozent kämen.

Heizungsgesetz, Flüchtlinge und Katastrophenschutz: miese Noten

Zum Sinkflug der Grünen dürfte massiv das Heizungsgesetz der Bundesregierung beigetragen haben: 56 Prozent der Befragten im Poli-Trend der Befragten hielten es demnach für falsch, klimaschädliche Heizungen in absehbarer Zeit verbieten zu wollen. 39 Prozent dagegen finden das richtig. Und 68 Prozent machen sich Sorgen, dass die geforderten Maßnahmen sie finanziellen überfordern.

Zufriedenheit der Rheinland-Pfälzer mit dem Katastrophenschutz des Landes. - Grafik: zur Sache RP
Zufriedenheit der Rheinland-Pfälzer mit dem Katastrophenschutz des Landes. – Grafik: zur Sache RP

Zum Aufstieg der AfD dürfte auch beitragen, dass 62 Prozent der Rheinland-Pfälzer der Meinung sind, das Land bewältige die Flüchtlingsaufnahme weniger gut oder „gar nicht“ – nur 30 Prozent befinden die  Lage hier für „gut“ oder „sehr gut“. Besonders schlechte Noten aber gibt es zwei Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal für den Bereich Katastrophenschutz: Satte 73 Prozent finden, Rheinland-Pfalz sei „weniger gut“ (54 Prozent) oder „gar nicht“ (19 Prozent) auf künftige Katastrophen vorbereitet. „Gut“ vorbereitet sehen das Land lediglich 17 Prozent – und die Wertung „sehr gut“ kommt gar auf Null Prozent.

Damit steht zwei Jahre nach der Flutkatastrophe im Ahrtal fest: Die Rheinland-Pfälzer verlieren das Vertrauen in die Landesregierung und wenden sich zunehmend von deren Parteien ab – konkrete Auswirkungen könnte das bereits im kommenden Jahr haben: Am 9. Juni 2024 sind Kommunalwahlen in Rheinland-Pfalz.

Info& auf Mainz&: Den gesamten Poli-Trend des SWR mit allen Zahlen und Grafiken findet Ihr hier im Internet – und heute Abend in der Sendung „Zur Sache RP“ um 20.15 Uhr im SWR-Fernsehen. Mehr zur Kommunalwahl und ihren möglichen Auswirkungen auf die politische Landschaft in Mainz lest Ihr hier bei Mainz&.