Update&. Die Flutkatastrophe im Ahrtal, aber wohl auch die Energiekrise in der Folge des Ukraine-Kriegs hat nun auch Auswirkungen auf die politische Stimmung in Rheinland-Pfalz: Die regierende SPD stürzt im aktuellen Poli-Trend des SWR ab und liegt nun gleichauf mit der oppositionellen CDU. Die Zufriedenheit mit der Arbeit der Landesregierung sank deutlich, gleichzeitig aber haben mehr als zwei Drittel der Rheinland-Pfälzer wenig Vertrauen in die Aufklärung, die im Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags zur Flutkatastrophe im Ahrtal geleistet wird. Ein Politikwissenschaftler schlägt nun Änderungen vor.

SWR-Poli-Trend zur Frage: Wen würden Sie wähöen, wenn am Sonntag Landtagswahl in Rheinland-Pfalz wäre? - Grafik: SWR Politikmagazin Zur Sache Rheinland-Pfalz
SWR-Poli-Trend zur Frage: Wen würden Sie wähöen, wenn am Sonntag Landtagswahl in Rheinland-Pfalz wäre? – Grafik: SWR Politikmagazin Zur Sache Rheinland-Pfalz

Bei der Landtagswahl im März 2021 hatte die SPD in Rheinland-Pfalz noch mit 35,7 Prozent Zustimmung einen deutlichen Sieg eingefahren und weit vor der CDU gelegen, die damals auf lediglich 27,7 Prozent kam. Anderthalb Jahre danach hat sich das Bild nun deutlich geändert: Im neuesten Poli-Trend des SWR stürzt die regierende SPD von Ministerpräsidentin Malu Dreyer gleich um sieben Prozentpunkte ab – ein ungewöhnlich hoher Wert. Beim bisher letzten Poli-Trend im März 2022 kam die SPD noch auf 34 Prozent Zustimmung.

In der neuesten, am Donnerstag veröffentlichten Umfrage des Politikmagazins „zur Sache RP“ kommt die SPD nun aber nur noch auf 27 Prozent Zustimmung und liegt damit erstmals seit mehr als 1,5 Jahren wieder gleichauf mit der CDU-Opposition. Die CDU legte in der Umfrage einen Prozentpunkt zu, damit kann die Oppositionspartei weiter nicht deutlich von der Schwäche der SPD profitieren.

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Davon profitieren Grüne und AfD: Die in der Ampel-Koalition mitregierenden Grünen legen im neuesten Poli-Trend um drei Prozentpunkte auf 14 Prozent zu, die oppositionelle AfD gleich um fünf Prozentpunkte auf 12 Prozent. Einen Prozentpunkt abgeben muss hingegen die mitregierende FDP, die jetzt im Poli-Trend auf 8 Prozent kommt – damit hätte die regierende Ampel-Koalition keine Mehrheit mehr im Landtag. Die Freien Wähler wiederum kommen nur noch auf 4 Prozent (minus einen Prozentpunkt) und wären nach dieser Umfrage im Landtag bei einer Wahl zum jetzigen Zeitpunkt nicht mehr vertreten.

Wenig Vertrauen in Aufklärungsarbeit zur Flut im Ahrtal

Wie viel Vertrauen haben die Rheinland-Pfälzer in die Aufklärungsarbeit des U-Ausschuss Ahrtal? Offenbar wenig. - Grafik: SWR Politikmagazin Zur Sache Rheinland-Pfalz
Wie viel Vertrauen haben die Rheinland-Pfälzer in die Aufklärungsarbeit des U-Ausschuss Ahrtal? Offenbar wenig. – Grafik: SWR Politikmagazin Zur Sache Rheinland-Pfalz

Das Abschneiden der Freien Wähler ist durchaus überraschend, ist die Wähler-Formation doch ein echter Aktivposten im Mainzer Landtag – und macht vor allem mit bohrenden Fragen im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal von sich reden. Doch das Vertrauen der Bürger in die Aufklärungsarbeit des Ausschusses ist gering bis sehr gering: 50 Prozent der Befragten in der repräsentativen Umfrage gaben an, in die Aufklärungsarbeit wenig Vertrauen zu haben, 18 Prozent hatten „gar kein Vertrauen“.

Damit haben 68 Prozent der Rheinland-Pfälzer offenbar kein Vertrauen darin, dass der Untersuchungsausschuss des Landtags mögliche politische Versäumnisse bei der Flutkatastrophe im Ahrtal im Juli 2021 aufarbeitet. Das ist eigentlich erstaunlich, hatte der Ausschuss doch gerade vergangene Woche Videos zutage gefördert, die von einem Polizeihubschrauber in der Flutnacht selbst gedreht wurden und ein dramatisches Bild der Lage im Ahrtal schon am Abend der Flut zeigten. Die Videos setzen inzwischen Innenminister Roger Lewentz (SPD) massiv unter Druck, auch weil sie erst jetzt dem Ausschuss bekannt wurden.

 

Auch sonst hat der Ausschuss in seiner knapp einjährigen Arbeit bereits zahlreiche neue Erkenntnisse über überforderte Einsatzleitungen und versäumte Warnungen aus Umweltministerium, Innenministerium und Landesämtern zutage gefördert – die Erkenntnisse führten bereits zum Rücktritt von Bundesfamilienministerin Anne Spiegel (Grüne), die in der Flutnacht Umweltministerin in Rheinland-Pfalz war, und über das Miss-Management in der Flutnacht sowie ihr Kommunikationsversagen bei der Aufklärung danach nicht mehr zu halten war.

Innenminister Roger Lewentz und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Ahrtal, unmittelbar nach der Flutkatastrophe. - Foto: Staatskanzlei RLP
Innenminister Roger Lewentz und Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) beim Besuch von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Ahrtal, unmittelbar nach der Flutkatastrophe. – Foto: Staatskanzlei RLP

Der Ausschuss belegte durch Zeugenvernehmungen und Aktenauswertung auch, wie sehr man in den höchsten Stellen der Landesregierung alle Warnungen und Informationen vor einer Flutwelle im Ahrtal ignorierte oder wegschob, wie Staatssekretäre und Minister ins Bett gingen, anstatt zu Handeln und Krisenstäbe einzuberufen. Trotzdem sind bisher Rücktritte in Rheinland-Pfalz komplett ausgeblieben – nicht einmal eine Entschuldigung kam bisher Innenminister Roger Lewentz oder Ministerpräsidentin Malu Dreyer (beide SPD) über die Lippen.

Ansehen der SPD RLP sinkt deutlich – wegen Flut und Energiekrise

Die Folge dürfte nun das sinkende Ansehen der SPD sein – in Verbindung mit der sich derzeit dramatisch zuspitzenden Energiekrise. Derzeit verschicken Energieunternehmen neue Abschlagsrechnungen – und die haben es in sich: Bei den meisten Verbrauchern explodieren derzeit die Energiepreise, und zwar bei Gas und Strom, mancherorts gar auf Abschläge von bis zu 2.000 Euro pro Monat – statt zuvor 400 Euro.

 

Die größte Sorge der Rheinland-Pfälzer gilt denn auch momentan dem Thema Energie: 88 Prozent der Befragten im Poli-Trend haben große oder sehr große Sorge davor, dass die Preise weiter steigen, 63 Prozent befürchten, dass die Energieversorgung in Deutschland nicht gesichert ist. 61 Prozent befürchten eine steigende Arbeitslosigkeit und sinkenden Wohlstand – und 52 Prozent, also die Hälfte der Bevölkerung, befürchtet, ihre Energierechnungen nicht mehr bezahlen zu können.

Zustimmung zu Sanktionen gegen Russland sinkt

Zustimmung zur Arbeit der Landesregierung in Rheinland-Pfalz im September 2022 stark gesunken. - Grafik: SWR Politikmagazin Zur Sache Rheinland-Pfalz
Zustimmung zur Arbeit der Landesregierung in Rheinland-Pfalz im September 2022 stark gesunken. – Grafik: SWR Politikmagazin Zur Sache Rheinland-Pfalz

Im Gegenzug sinkt die Zustimmung zu den Sanktionen gegen Russland, das seit dem 24. Februar das Nachbarland Ukraine mit einem Vernichtungskrieg überzieht – und gleichzeitig einen Informations- und Energiekrieg gegen Westeuropa führt. Nur noch 60 Prozent der befragten Rheinland-Pfälzer halten derzeit die Sanktionen für richtig – und zwar auch dann, wenn es dadurch bei uns zu Engpässen in der Energieversorgung kommt, die Preise steigen oder die deutschen Firmen Nachteile erleiden. Im März hatte es noch fast 80 Prozent ihre Zustimmung gegeben.

Gleichzeitig sinkt auch die Zustimmung zur Arbeit der Landesregierung, und auch das deutlich: Waren im März 2022 noch knapp zwei Drittel zufrieden mit der Arbeit der Landesregierung, so äußerten sich jetzt nur noch knapp die Hälfte, also 49 Prozent, zufrieden oder sehr zufrieden zur Arbeit der Ampel-Koalition aus SPD, Grünen und FDP. Das war ein Minus von 15 Prozentpunkten im Vergleich zum März – die Zufriedenheit mit der Landesregierung sinkt damit auf den zweitniedrigsten Wert seit Bestehen der Ampel-Koalition 2016.

Politikwissenschaftler schlägt Änderungen für U-Ausschuss vor

Wenig Vertrauen in die Fähigkeit des Untersuchungsausschusses des Mainzer Landtags bei der Aufklärung der Versäumnisse bei der Flutkatastrophe im Ahrtal. - Foto: gik
Wenig Vertrauen in die Fähigkeit des Untersuchungsausschusses des Mainzer Landtags bei der Aufklärung der Versäumnisse bei der Flutkatastrophe im Ahrtal. – Foto: gik

Update&: In der Sendung „zur Sache RP“ forderte der Trierer Politikwissenschaftler Markus Linden Änderungen bei der Leitung und Durchführung des Untersuchungsausschusses. Zur Vertrauensbildung könnten öffentlich übertragene Expertenanhörungen beitragen, sagte Linden in der SWR-Sendung – derzeit finden alle Sitzungen des Ausschusses zwar öffentlich statt, elektronisch übertragen wird aber nichts. Selbst die Protokolle der öffentlichen Sitzungen werden im Nachhinein unter Verschluss gehalten.

Zudem schlug Linden vor, den Ausschuss-Vorsitz paritätisch zu besetzen – also zu gleichen eilen mit einem Vertreter von Regierung und Opposition. Derzeit hat der SPD-Abgeordnete Martin Haller den Vorsitz, an seiner Sitzungsleitung gibt es immer wieder deutliche Kritik wegen Voreingenommenheit.

Info& auf Mainz&: Den ganzen Politrend mit allen Grafiken findet Ihr hier im Internet. Für den „Zur Sache“-Politrend hat das Meinungsforschungsinstitut infratest dimap im Auftrag des SWR am 26. und 27. September 2022 unter 1.183 wahlberechtigten Rheinland-Pfälzern und Rheinland-Pfälzerinnen eine repräsentative Telefon- und Onlinebefragung durchgeführt.