An diesem Donnerstag soll es pünktlich um 11.00 Uhr in Mainz und Umgebung ausgesprochen laut werden – und das ist Absicht. Zum vierten Mal haben Bund und Länder einen bundesweiten Warntag ausgerufen, und so sollen am 12. September um Punkt 11.00 Uhr Sirenen schrillen und Warnapps auf dem Handy aufploppen. Ein besonderes Augenmerk gilt dem „Cell Broadcasting“: Das automatische Warnsystem, das alle Handys erreichen soll, wird am Donnerstag einem bundesweiten Lasttest unterzogen. Das BBK legte zudem einen neuen Leitfaden für lokal angepasste Warnkonzepte vor – der gibt zahlreiche Tipps und vergisst doch eines: Das Reden mit der Presse.
Das Warnsystem „Cell Broadcasting“ wurde in Deutschland erst 2022 eingeführt, als Konsequenz aus der Flutkatastrophe im Ahrtal. Was andere Länder in Europa schon lange nutzten, ist für Deutschland noch Neuland: Beim „Cell Broadcasting“ wird eine Warnmeldung unabhängig von Betreiber und Netz auf jedes Handy geschickt, das sich in einer bestimmten Funkzelle befindet – und zwar egal, ob der Besitzer eine Warnapp installiert hat oder nicht.
Mit diesem von Netz, Betreiber und Einrichtung des Handys unabhängigen Warnsystems können somit sehr viel mehr Menschen erreicht werden, als auf anderen Wegen – sie müssen das Handy dafür lediglich eingeschaltet und nicht im Flugmodus haben. „Cell Broadcast funktioniert auch dann, wenn das Handy keine Datenverbindung aufgebaut hat, auch ist es nicht notwendig eine App zu installieren“, informierte nun der Netzbetreiber Vodafone im Vorfeld des Warntags: „Wichtig ist, dass der Empfänger sein Gerät angeschaltet und den Flugmodus nicht aktiviert hat.“
Cell Broadcasting in Deutschland: Lasttest fürs System
2022 funktionierte das beim ersten bundesweiten Test nur sehr mäßig: Etwa die Hälfte der Handys in Mainz blieb stumm, der Warnton wurde nicht ausgespielt – meistens bewegten sich die betroffenen Handys im Funknetz der Deutschen Telekom. 2023 klappte das deutlich besser, beim Warntag im September alarmierten die allermeisten Handys ihre Besitzer pünktlich zum angegeben Zeitpunkt mit einem so schrillen Sirenenton, dass mancher fast den Kaffeebecher fallen gelassen hätte.
In diesem Jahr soll nun erneut um Punkt 11.00 Uhr das System getestet werden: „Das BBK wird um 11.00 Uhr eine Test-Warnmeldung aussenden, die über die Mobilfunkstationen der Mobilfunknetzbetreiber auf die Smartphones und Handys der Menschen ausgeliefert wird“, erklärt Vodafone, und spricht von einem Belastungstest: Allein in Mainz habe Vodafone 68 Mobilfunkstationen, der Test sei wichtig, „um für die Menschen den Ernstfall zu proben und das Warnsystem stetig zu verbessern.“
Seit der Inbetriebnahme des Systems in Deutschland sei die Bevölkerung in den jeweiligen Gebieten bislang bei rund 380 Ereignissen gewarnt worden, teilte Vodafone weiter mit. Das sei beispielsweise bei Amokläufen, Flutkatastrophen, Großbränden oder Schadstoffaustritten, aber auch bei extremem Glatteis, Krankheitserregern im Trinkwasser, Bombenentschärfungen oder anderen akuten Gefahren der Fall gewesen. Die jeweilige Textnachricht werde dabei durch ein lautes Tonsignal und per Vibration auf den Smartphones begleitet – „es wird also sehr laut in Mainz“, warnt Vodafone.
Sirenen werden um 11.00 Uhr erprobt, Warnapps ausgelöst
Laut wird es am Donnerstag um 11.00 Uhr aber noch aus einem anderen Grund: Am bundesweiten Warntag werden auch die Sirenen getestet. Davon gibt es inzwischen wieder deutlich mehr im Stadtgebiet von Mainz – auch das eine Folge der Flutkatastrophe im Ahrtal. Sirenen seien ein wichtiger Teil des modularen Warnkonzeptes der Stadt, „das darauf abzielt, schnell und effektiv in Notfällen und Katastrophen zu warnen“, betonte Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) 2023 im Vorfeld des Warntags, und kündigte an: Bis zum Sommer 2024 solle die Zahl der Sirenen in Mainz um weitere 36 auf insgesamt 70 steigen.
So sollen in diesem Jahr mehr Sirenen im Stadtgebiet zu hören sein, als noch 2023, überprüfen könnt Ihr das auch wieder um 11.00 Uhr: Die Stadt werde „gegen 11.00 Uhr ihre Sirenen mit dem Signal ‚Warnung der Bevölkerung‘ (einminütiger auf- und abschwellender Heulton) auslösen“, kündigte die Stadt nun an. Um 11.45 Uhr soll dann das Sirenensignal „Entwarnung“ folgen, ein einminütiger gleichbleibender Dauerton.
Dazu wird noch von Seiten der Stadt ein Warntext „an alle angeschlossenen Warnmittel des modularen Warnsystems geschickt“, genauer gesagt: Diese Warnmeldung geht dann auch an die Warnapps Katwarn und/oder Nina, sowie an die digitalen Werbetafeln im Stadtgebiet. Die Stadt Mainz nutzt für Warnungen an ihre Bevölkerung eigentlich die Warnapp Nina, durch eine Koppelung der Systeme sollen die Warnungen aber eigentlich auch an die App Katwarn automatisch ausgespielt werden – Ihr könnt ja mal nachprüfen, ob das funktioniert.
Neue Sonus-Hochleistungssirenen: 70 fürs Stadtgebiet Mainz
Von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr wird die Feuerwehr Mainz zudem die Bevölkerung mit einem Infostand auf dem Gutenbergplatz über die Bevölkerungswarnungen informieren. Dort könnt Ihr nicht nur eine echte Sirene aus der Nähe betrachten, es stehen auch Experten zu allen Vorsorgethemen bereit. Die heutigen Sirenen sind übrigens nicht mehr die alten, Topfartigen Gebilde, sondern moderne Hochleistungssirenen des Typs Sonus, die in unterschiedlichen Leistungsstufen zwischen 600 Watt und 1800 Watt daher kommen.
Die Sonus-Sirenen sind nicht nur lauter als die alten, sie können auch vorgefertigte Sprachdurchsagen verbreiten. „Durch eine Batteriepufferung lassen sich die Sirenen auch bei einem Stromausfall noch mehrere Tage lang auslösen“, betont man bei der Stadt. Wichtig sei im Ernstfall allerdings auch, dass die Bevölkerung die Anweisungen der warnenden Behörden auch befolgten, mahnt man bei der Stadt.
„Ob eine Warnung wirksam ist, zeigt erst die Reaktion darauf“, sagte denn auch gerade der Präsident des Bundesamts für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK), Ralph Tiesler. Das BBK stellte am Montag einen eigens entwickelten Leitfaden für lokal angepasste Warnkonzepte vor, und zwar gemeinsam mit den Ländern Rheinland-Pfalz und Baden-Württemberg. Der Leitfaden soll Kommunen helfen, die Bundeskonzepte auf ihre Gemeinde anzupassen, entwickelt wurde er von den Nachbarstädten Mannheim und Ludwigshafen.
Neuer Leitfaden des BBK für lokal angepasste Warnkonzepte
„Ich bin davon überzeugt, dass wir hier eine wichtige Handreichung entwickelt haben, die uns unserem Ziel näherbringt, in Krisen und Notfällen so warnen zu können, dass wir möglichst viele Menschen erreichen – sowohl technisch als auch inhaltlich“, lobte Tiesler das Werk seines Hauses. So gibt der Leitfaden etwa Tipps zum Erstellen lokaler Risikoanalysen und rät dabei auch, de Zustand der Straßen und Kanalisation zu checken, Straßensperrungen bei Evakuierungsrouten zu berücksichtigen und Vorbereitungen für Anlaufpunkte in Notfalllagen zu treffen.
Auf mehr als 130 Seiten gibt es zudem sehr ausführliche Erläuterungen zu Warnstufen und Warnkonzepten, dazu auch praktische Tipps, wie man etwa Touristen im Notfall erreichen kann, Gehörlose oder aber auch Menschen mit wenigen sozialen Kontakten. Beschrieben werden ferner Kampagnen in Mannheim und Ludwigshafen zum bundesweiten Warntag samt Nutzung der sozialen Medien und mit Einbindung eines Promis aus der Stadt, in diesem Fall Bülent Ceylan.
Ferner werden in dem Leitfaden Warnsysteme und Warnketten erläutert, allerdings wird in Sachen Medien einzig auf Radio und Fernsehen abgehoben – der Bereich Internetmedien wird leider als Teil der Warnkette weiterhin völlig ausgeklammert, dabei waren es vielfach gerade die Internet-Zeitungen, die in der Corona-Pandemie die Menschen mit am schnellsten und umfassendsten gerade auch über Lockdowns und Schließungen informierten. Stattdessen werden digitale Stadtinformationstafeln allen Ernstes als Teil von „Pressearbeit“ bezeichnet – Pressearbeit bedeutet indes, direkten Kontakt mit der presse aufzunehmen, und sich nicht darauf zu verlassen, dass es irgendwer schon auf einer Tafel im Stadtbild sehen wird.
Leitfaden: Zusammenarbeit mit der Presse kaum Thema
Der Leitfaden schlägt zudem die Einrichtung einer Fachberatung „Warnung der Bevölkerung“ auf Landesebene vor. Diese Fachberatung könnte Fachwissen zum Thema bündeln und Warnverantwortlichen auf kommunaler oder Kreisebene beraten. „Insbesondere Warnverantwortliche, die relativ selten warnen, könnten hierdurch im Ereignisfall von den Erfahrungen und Kenntnissen der Hochrisikogebiete mit häufigeren Warnungen profitieren“, heißt es weiter.
Mainz& schlägt zudem eine Fachberatung „Kommunikation mit der Presse vor“, die Wissen darüber, wie Redaktionen arbeiten und in welcher Form sie Informationen benötigt ebenso zur Verfügung stellen, wie Kommunen bei der Vernetzung mit der lokalen presse helfen kann – der nicht existente Kontakt der meisten Bürgermeister im Ahrtal zu Pressevertretern aus ihrer Region war einer der Gründe dafür, warum Medien nicht über die gigantische Flutwelle im Tal informiert wurden – und deshalb auch nicht warnen konnten.
Info& auf Mainz&: Mehr zum bundesweiten Warntag am 12. September 2024 um 11.00 Uhr findet Ihr hier bei der Stadt Mainz – analog gilt die Ankündigung natürlich auch für das Stadtgebiet von Wiesbaden. Auf der Homepage der Stadt Mainz könnt Ihr Euch auch die Bedeutung der einzelnen Sirenensignal im Video ansehen. Den wirklich sehr ausführlichen Leitfaden „Lokale Warnkonzepte“ könnt Ihr Euch hier beim BBk herunterladen.