Wenn am Donnerstag um 11.00 Uhr Euer Handy losrappelt, nicht erschrecken: Das soll genau so sein! Zum dritten Mal haben Bund und Länder einen bundesweiten Warntag ausgerufen, wieder soll getestet werden, wie gut die Warnsysteme für Krisen und Katastrophen funktionieren. Bislang war die Bilanz eher ernüchternd: 2022 bekam rund die Hälfte der Handys die neue Cell Broadcasting-Meldung nicht. Das soll dieses Jahr anders werden – die spannende Frage lautet: Funktioniert die Warnkette? Mainz und Wiesbaden testen zudem ihre Sirenen und sowie digitale Anzeigetafeln – und Mainz seine neuen Hochleistungssirenen.

2020 hatte der erste bundesweite Warntag stattgefunden, es wurde eine Desaster: Sirenen warnten mit 30 Minuten Verspätung oder gar nicht, Warnapps schlugen nicht an oder gaben nur Entwarnung – das Bundesinnenministerium musste gar einräumen: Die Auslösung des Probealarms sei „aufgrund eines technischen Problems fehlgeschlagen“. Hauptgrund war, dass das Modulare Warnsystem MoWaS seine Meldungen nur verspätet ausspielte – weil zeitgleich zu viele Stellen eine MoWas-Warnung ausgelöst hatten – das System war überlastet.
Ein Jahr später zeigte die Flutkatastrophe im Ahrtal überdeutlich, wie wenig die Warnketten in Deutschland funktionieren: Die meisten Menschen im Ahrtal gaben hinterher an, nicht vor der Flutwelle gewarnt worden zu sein. Tatsächlich hatte es nur einige wenige Katwarn-Meldungen gegeben, hauptsächlich vor Starkegen – vor der bis zu zehn Meter hohen Flutwelle, die sich über sechs Stunde hinweg durch das Ahrtal wälzte, wurde jedoch nicht gewarnt.
Warntag 2022: Cell Broadcasting erreichte nur die Hälfte der Geräte
Zudem wurden die Katwarn-Warnmeldungen wegen eines technischen Fehlers nicht über das Parallelsystem NINA ausgespielt – und Cell Broadcasting gab es in Deutschland zu dem Zeitpunkt gar nicht. Das änderte sich 2022: Beim zweiten bundesweiten Warntag wurde erstmals auch das Cell Broadcasting-System eingesetzt. Dabei sollen alle Handys und Smartphone unabhängig von ihrem Netzanbieter eine Meldung bekommen – eine Warnapp muss man dafür ebenfalls nicht installiert haben.

Doch das funktionierte nicht: Auf etwa der Hälfte der Handys ging zum angekündigten Zeitpunkt 2022 keine Warnung ein – zu überhören wäre sie nicht gewesen: Bei Cell Broadcast rappelt das Handy mit einem schrillen Warnton los. Tatsächlich berichteten zahlreiche Nutzer, die mehrere Handys besitzen, eines der Handys sei losgegangen – das andere, das direkt daneben lag, aber nicht. Das Bundesamt für Katastrophenschutz musste später einräumen: Das Zusammenspiel mit den Netztreibern klappte nicht in jedem Fall – beim Warntag funktionierte offenbar die Schnittstelle zur Deutschen Telekom sowie zu vielen Apple-Geräten nicht.
Auch die Verbindung zu den Rundfunkanstalten funktionierte 2022 nicht: Radiosender wie der SWR verlassen die offizielle Warnmeldungen erst mit 20 Minuten Verspätung – früher war die Warnmeldung der Behörden nicht eingetroffen. Trotzdem teilte man beim Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe (BBK) noch am Vormittag mit, der Warntag sei ein Erfolg gewesen, das Zusammenspiel habe sehr gut funktioniert – Erklärungen für die Probleme lieferte das BBK auch im Nachhinein nicht, auch nicht auf Nachfrage.
Dritter bundesweiter Warntag 2023: Funktioniert die Warnkette?
Umso spannender dürfte deshalb nun der Donnerstagvormittag werden: Zum dritten Mal soll an diesem Warntag erprobt werden, ob die Warnketten denn nun inzwischen funktionieren. Pünktlich um 11.00 Uhr sollen nun erneut alle Handys in Deutschland per Cell Broadcasting mit einer Warnung versorgt werden. „Gegen 11.00 Uhr“ werde das BBK über das Modulare Warnsystem des Bundes (MoWaS) eine Probewarnung auslösen, teilte das Amt im Vorfeld mit.
Diese Warnung werde an alle angeschlossenen Warnmultiplikatoren verschickt, etwa Rundfunksender und App-Server. Von dort gehe die Probewarnung dann an die verschiedenen Warnmittel, nämlich Rundfunk- und Fernsehsender, Warn-Apps sowie an insgesamt rund 6.600 digitale Anzeigetafeln. „Diese transportieren die Warnung an die Bevölkerung“, heißt es weiter – wir werden das beobachten. Gegen 11.45 Uhr soll dann über die Warnmittel und Endgeräte eine Entwarnung folgen, nicht aber über Cell Broadcast.
„Wir schauen auf einen erfolgreichen Warntag 2022 zurück, und ich bin sehr zuversichtlich, dass es 2023 wieder gut läuft, betonte BBK-Präsident Ralph Tiesler allen Ernstes im Vorfeld. Dennoch habe man „den Warntag bewusst als Stresstest angelegt, um die Warnsysteme, die im Alltag störungsfrei laufen, auf Herz und Nieren zu prüfen.“ Beim Warntag gehe es aber nicht nur um die Technik: „Mit jedem Warntag lernen wir die Bedürfnisse der Bevölkerung und auch die Herausforderungen und notwendigen Stellschrauben der warnenden Stellen besser kennen, die für eine gute Warnung nötig sind.“
Das BBK ruft deshalb auch die Bevölkerung auf, sich rege an der Umfrage zu beteiligen, bei der man dem BBK Rückmeldungen geben kann, ob die Warnungen funktioniert haben – oder eben nicht. Die Umfrage erfolgt online und am Warntag ab 11.00 Uhr freigeschaltet. Eure Rückmeldungen könnt Ihr dann bis zum 21. September 2023 unter diesem Link im Internet abgeben. Die Umfrageergebnisse sollen im Anschluss wissenschaftlich ausgewertet werden.
36 neue Sirenen bis Mitte 2024 für Mainz
Zusätzlich zu den Warnungen auf Handys und via Warn-Apps erproben die Kommunen noch ihre Sirenenanlagten – und davon soll es in Zukunft wieder mehr geben: 34 Sirenen gab es im Jahr 2020 noch im Stadtgebiet Mainz, damit aber konnten nicht mehr alle Stadtteile abgedeckt werden. Die alten Sirenen befanden sich zumeist entlang der Rheinschiene, etwa die Hälfte des Stadtgebiets aber war mit Sirenen gar nicht mehr erreichbar – nach dem Ende des Kalten Krieges waren Sirenenanlagen in ganz Deutschland flächendeckend abgebaut oder nicht mehr ersetzt werden.

2019 startete die Stadt Mainz bereits ein neues Ausbauprogramm für Sirenen, doch das stockte zunächst – die Ahrflut machte endgültig den Weg frei für den notwendigen Neuausbau. „Die neuen Sirenen werden dazu beitragen, die Sicherheit der Bürger von Mainz zu erhöhen, und im Notfall schnelle Warnungen zu ermöglichen“, betonte Oberbürgermeister Nino Haase (parteilos) im April. Sirenen seien ein wichtiger Teil des modularen Warnkonzeptes der Stadt, „das darauf abzielt, schnell und effektiv in Notfällen und Katastrophen zu warnen“, betonte Haase.
Zusätzlich zu den 34 existierenden Sirenen, sollen nun bis zum Sommer 2024 insgesamt 36 neue installiert werden, damit sollten Sirenen „noch im aktuellen Jahr im gesamten Stadtgebiet hörbar sein“, versprach Haase. Ein eigens beauftragtes Ingenieurbüro habe versucht, die besten Standorte für Sirenen zu ermitteln, um möglichst effizient zu sein – der Warntag gilt denn auch als ein wichtiger Test um zu schauen, ob die Warntöne tatsächlich im Stadtgebiet zu hören sind. Rund 14.000 Euro kostet eine einzige neue Sirene, die Gesamtkosten für das Programm betragen rund 820.000 Euro, etwa ein Viertel kommt von Bund und Land .
Hochleistungssirenen mit Lautsprechern und Warnmeldungen
Die neuen Hochleistungsirenen sind zudem elektronisch und stellen einen völlig neuen Typ dar: Statt den alten Halbschalen-Sirenen, bestehen die modernen Sirenen aus einem Mast mit vier Lautsprechern. In Mainz-Ebersheim wurde im April die erste Sirene des neuen Typs eingeweiht: „Der Vorteil der neuen Technik ist: sie braucht weniger Strom und ist Batterie-gepuffert“, erklärte Martin Spehr, Leiter der Mainzer Berufsfeuerwehr: „Wenn der Strom ausfällt, können wir trotzdem noch warnen.“

Ein weiterer Vorteil der neuen Anlagen: Neben Sirenentönen, können die neuen Masten auch Sprachdurchsagen verbreiten, dafür werden im System vorbereitete Sprachnachrichten hinterlegt, erläuterte Spehr.
Geplant sei, zunächst sieben Messages zu formulieren, darunter wahrscheinlich zunächst eine Nachricht wie „Achtung, Gefahr durch Schadstoffe oder Hochwasser, schalten Sie das Radio ein, bleiben Sie im Haus, Fenster schließen“, nannte Spehr ein Beispiel. Sowohl Störungen als auch die Rückmeldung, ob eine Sirene ausgelöst hat, werden direkt in der Leitstelle der Feuerwehr Mainz erfasst.

Sirenen hätten auch in der modernen Zeit eine Berechtigung, betonte Spehr zudem: „Wir brauchen eine Technik, die aufweckt und warnt, egal ob ich mich draußen oder drinnen befinde, mein Handy geladen ist oder nicht.“ In Mainz sollen deshalb am Donnerstag um 11.00 Uhr auch die Sirenen losheulen, und zwar mit dem Signal „Warnung der Bevölkerung“ – das ist ein einminütiger auf- und abschwellender Heulton. Um 11.45 Uhr solltet Ihr dann das Sirenensignal „Entwarnung“ hören, einen einminütigen Dauerton.
Von 9.00 Uhr bis 12.00 Uhr wird die Feuerwehr Mainz zudem mit einem Infostand auf dem Gutenbergplatz vertreten sein, und dort über die Bevölkerungswarnungen informieren. Dort kann auch eine echte Sirene aus der Nähe betrachtet werden, es stehen Experten zu allen Vorsorgethemen bereit.
Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht zum Warntag 2022 könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen. Die Online-Umfrage des Bundesamtes für Katastrophenschutz findet Ihr bis zum 21. September 2023 unter diesem Link im Internet. Bitte beteiligt Euch rege, vor allem, wenn etwas NICHT funktioniert. Ausführliche Informationen zu Sirenen, Sirenentänen und weiteren Elementen des Katastrophenschutzes in Mainz findet Ihr auf dieser Internetseite der Stadt Mainz.