Empörung bei der Christuskirchen-gemeinde in Mainz: Weil die Mainzer AfD auf einem Flyer fü5r den Kommunalwahlkampf unter anderem mit der Christuskirche warb, schrieb die Gemeinde der Partei nun einen Brief. „Als Eigentümerin des Gebäudes widerspricht die Evangelische Christuskirchengemeinde in Mainz der Nutzung des Bildes zur Wahlwerbung der AfD und verbietet diese“, teilte die Gemeinde am Dienstag mit. Die AfD sprach Postwendend von einer „Kampagne gegen die AfD“ – strich das Foto aber aus ihren Netzwerken. Nun ist dort noch der Mainzer Dom zu sehen.
Foto des Anstoßes ist ein Flyer der Mainzer AfD zur Kommunalwahl am 9. Juni, der Flyer enthielt nach eigenen Angaben der AfD ein Kurzprogramm der Partei samt Abbildungen der Christuskirche, des Mainzer Doms sowie des Gutenbergdenkmals. Das stieß nun aber der Evangelischen Kirchengemeinde der Christuskirche übel auf: „Unter dem Slogan ‚Mainz bleibt Mainz‘ will die AfD Heimatverbundenheit und Tradition propagieren – und nutzt dafür Abbildungen des Kirchengebäudes“, berichtet die Christuskirchen-Gemeinde – dagegen aber habe man nun protestiert.
In einem Brief fordert der Kirchenvorstand der Evangelischen Christusgemeinde die AfD Mainz auf, „unverzüglich alle Werbung mit dem Foto ihrer Kirche zu unterbinden“, wie die Gemeinde mitteilte. „Wir haben der AfD niemals die Zustimmung gegeben, unser Gebäude im Wahlkampf zu instrumentalisieren“, betont Pfarrerin Eva Lemaire, Vorsitzende des Kirchenvorstandes, eigenen Angaben zufolge in dem Brief: „Die Forderungen und Ansichten der AfD widersprechen dem Menschenbild unseres christlichen Glaubens und unserem Verständnis von einem offenen und friedlichen Miteinander in unserer Gesellschaft.“
Dekanat untersagt AfD Mainz jede Werbung mit der Christuskirche
Man fordere deshalb die AfD auf, „jetzt und in Zukunft, das Bild der Christuskirche nicht mehr für ihre Zwecken zu verwenden.“ Werde dieser Forderung nicht entsprochen, werde man rechtliche Schritte einleiten, das sei auch mit der Rechtsabteilung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau abgesprochen. „Kirchen sind Gotteshäuser. Sie sollen Orte der Zuwendung und des Schutzes für alle sein“, betonte auch der Mainzer Dekan Andreas Klodt – und tat dies gemeinsam mit Domdekan Henning Priesel.
„Alle Menschen haben die gleiche Würde und die gleichen Rechte. Alle sind Gott in seinem Haus willkommen. Wir widersprechen allen Versuchen, Kirchen als Hintergrundbilder für Parolen der Ausgrenzung zu missbrauchen“, unterstreichen Klodt und Priesel gemeinsam – denn auch der Mainzer Dom ist auf dem Flyer zu sehen.
Die AfD warf postwendend der Christuskirchen-Gemeinde „eine Kampagne“ und „Hetze“ gegen ihre Partei vor: „Solche Kampagnen wie die aktuelle der Christuskirchengemeinde sind mit der moralischen Autorität der Kirchen unvereinbar“, schimpfte Stadtrat Arne Kuster, AfD-Spitzenkandidat für die Kommunalwahl in Mainz: „Anstatt immer wieder gegen die AfD zu hetzen, sollten sich die Kirchen ihrer Verantwortung bewusst werden und lieber Aktionen starten, um eine weitere Polarisierung der Gesellschaft zu vermeiden und stattdessen eine Atmosphäre zu fördern, die alle Meinungsspektren akzeptiert.“
Die AfD Mainz bekenne sich in ihrem Kurzprogrammflyer zur Kommunalwahl „mit der Abbildung der Christuskirche, des Doms und des Gutenbergdenkmals zu den historischen Traditionen von Mainz und möchte dieses einmalige historische Stadtbild erhalten“, wehrte sich auch der AfD-Kreisvorsitzende und Mainzer Stadtrat Stephan Stritter. Die kostenlose Verwendung des Bildes der Christuskirche sei „natürlich zulässig, und die Quellen in den Flyern auch gekennzeichnet.“ Die AfD werde ihre Kurzprogramme deshalb „auch weiterhin in dieser Form im Wahlkampf einsetzen.“
Kirchen starten Plakataktion: „Unser Kreuz ist bunt“
Das Bild der Christuskirche war allerdings am Dienstagabend aus dem Netzauftritt der AfD sowie aus den sozialen Netzwerken verschwunden – zu sehen ist dort jetzt nur noch der Mainzer Dom auf AfD-Plakaten und Bannern. Das Evangelische Dekanat Mainz startete derweil gemeinsam mit den katholischen Innenstadtgemeinden die Plakataktion „Damit Mainz Mainz bleibt“. Man wolle den „Menschen vor Ort zeigen, dass die Evangelische Kirche gegen diese Instrumentalisierung ihrer Kirche ist“, betonte Dekan Klodt. Ob auch das Bistum Mainz gegen die Verwendung des Doms protestiert hat, ist derweil nicht bekannt.
Auf den Plakaten prangt der Slogan „Mainzer Kirchen für Demokratie & Vielfalt“, sowie „Unser Kreuz hat alle Farben“. Erst im Februar hatte die katholische Deutsche Bischofskonferenz bei ihrer Frühjahrs-Vollversammlung am 22. Februar 2024 in Augsburg einstimmig eine Erklärung verabschiedet, nach der das Menschenbild der AfD mit den Werten des Christentums unvereinbar sei. In der Erklärung beschreiben die Bischöfe den Rechtsextremismus als derzeit „drängendste Gefahr“ für die freiheitliche Ordnung und betonen: „Wir sagen mit aller Klarheit: Völkischer Nationalismus ist mit dem christlichen Gottes- und Menschenbild unvereinbar.“
Anlass waren die Berichte über ein Treffen in Potsdam, an dem auch AfD-Vertreter teilnahmen, und in dem offen über Pläne für eine massenhafte Deportation von Migranten, aber auch Menschen mit deutschem Pass gesprochen wurde – unter dem beschönigenden Begriff „Remigration“ stellte den Recherchen des Netzwerks Correctiv zufolge Martin Sellner, langjähriger Sprecher der rechtsextremen „Identitären Bewegung“ Österreichs, einen Plan für eine Massenvertreibung vor.
Bischöfe: Völkischer Nationalismus mit Christentum unvereinbar
„Wir sehen mit großer Sorge, dass sich radikales Denken verstärkt und sogar zum Hass auf Mitmenschen wird – vor allem aufgrund ihrer Religion, Herkunft oder Hautfarbe, wegen des Geschlechts oder ihrer sexuellen Identität“, heißt es in der Entschließung der Bischofskonferenz vom Februar wörtlich, und weiter: „Die Kirche weist deshalb alle
Formen des Extremismus mit Nachdruck zurück. Sie sind unverantwortliche Gefährdungen des Gemeinwohls und der freiheitlichen Ordnung. Gegenwärtig stellt der Rechtsextremismus die größte Bedrohung extremistischer Art für unser Land und für Europa dar.“
Die Bischöfe setzen sich im Folgenden durchaus detailliert mit rechtsextremen Positionen, insbesondere mit dem völkischen Nationalismus, auseinander, unter anderem heißt es dort: „Das Volk ist für diese Ideologie eine Abstammungs-, letztlich eine Blutsgemeinschaft. Das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher ethnischer Herkunft, religiöser Zugehörigkeit und kultureller Prägung wird von diesem Denken deshalb prinzipiell infrage gestellt, wenn nicht gar verworfen. Das Volk wird als ‚Ethnos‘ gedacht (…), Dies ist die Ideologie des völkischen Nationalismus.“
Rechtsextremistische Gesinnungen und Konzepte zielten jedoch „fundamental auf Ab- und Ausgrenzung“, die gleiche Würde aller Menschen werde „entweder geleugnet oder relativiert“ – das sei für die Kirche unerträglich: „Damit wird die Axt an die Wurzeln der Demokratie gelegt, die vom Gedanken der gleichen Rechte aller bestimmt ist. Allen, die nicht der eigenen Gemeinschaft zugehören, wird Solidarität verweigert.“ Das aber widerspreche fundamental dem christlichen Menschenbild, deshalb rufe man dazu auf, „die politischen Angebote von Rechtsaußen abzulehnen und zurückzuweisen.“
„Wer Parteien wählt, die mindestens in Teilen vom Verfassungsschutz als ‚erwiesen rechtsextremistisch‘ eingeschätzt werden, der stellt sich gegen die Grundwerte des menschlichen Zusammenlebens und der Demokratie in unserem Land“, stellten die Bischöfe klar – die ganze Erklärung findet Ihr hier im Wortlaut zum Download. Die Plakate der Mainzer Gemeinden sollen nun in Schaukästen und an Gebäuden der Mainzer Gemeinden angebracht werden, ein großes Banner sollte am Dienstag, dem 21.5.2024, am Haus der Evangelischen Kirche angebracht werden.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Recherchen des Netzwerks Correktiv zu dem Potsdamer Treffen sowie mehr zu dem Thema „Remigration“ lest Ihr hier bei Mainz&. Die Berichterstattung hatte bundesweit massive Protestmärsche gegen die AfD und jegliche solcher Pläne ausgelöst, in Mainz fand gar eine der größten Demonstrationen überhaupt mit rund 7.000 Teilnehmern statt.