Nach der Verschärfung der Corona-Verordnung des Landes Hessen erlassen nun die ersten Landkreise nächtliche Ausgangssperren – darunter auch einer direkt vor den Toren von Mainz: Im Landkreis Groß-Gerau gilt ab Freitag, dem 11. Dezember, wegen anhaltend hoher Corona-Neuinfektionen eine nächtliche Ausgangssperre. Zwischen 21.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens ist dann der Aufenthalt im öffentlichen Raum grundsätzlich untersagt, Ausnahmen gelten nur für Beruf, medizinische Termine oder zur Wahrnehmung von Sorgerecht oder Pflege. Der Kreis Groß-Gerau grenzt unmittelbar an Mainzer Stadtgebiet an: Gleich hinter der Weisenauer Brücke oder der Eisenbahnbrücke steht man auf dem Gebiet des Landkreises.
Erst am Mittwoch hatte das Land Hessen seine Corona-Verordnung verschärft und seinen Corona-Warnstufen eine „Stufe schwarz“ für besonders extreme Corona-Hotspots hinzugefügt. Regionen, die mehr als 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner im 7-Tages-Schnitt haben, und das an drei Tagen hintereinander, müssen nun zusätzliche, verschärfte Maßnahmen ergriffen werden. Dazu gehört ein Alkoholverbot im öffentlichen Raum, aber eben auch eine nächtliche Ausgangssperre – in Hessen kämpfen seit Wochen mehrere Regionen und Städten mit extrem hohen Corona-Infektionszahlen.
In der Konsequenz erließen am Donnerstag mehrere Regionen Maßnahmen entsprechend der neuen Regeln, darunter die Stadt und der Kreis Offenbach, die Kreise Limburg-Weilburg, der Main-Kinzig-Kreis – und eben der Landkreis Groß-Gerau. Der Landkreis grenzt unmittelbar an die Mainzer Stadtgrenze, zu ihm gehören etwa die Orte Ginsheim-Gustavsburg, Mainz-Bischofsheim sowie die Stadt Rüsselsheim mit dem Opelwerk. Der Landkreis Groß-Gerau liegt seit Wochen über der Marke von 200 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern im Sieben-Tages-Schnitt, am Donnerstag war es eine Inzidenz von 206,8.
Am Donnerstagmittag habe der Landkreis mit 116 neuen Infektionsfällen die 200er-Marke überschritten, am Freitag werde das Pandemiegeschehen im Kreis den dritten Tag in Folge über dem Wert der 200 Neuinfektionen liegen. „Nach dem Erlass des Landes müssen wir dann zu diesem Mittel greifen“, sagte Landrat Thomas Will (SPD) am Donnerstag. Damit werde ab Freitagabend für die 275.900 Menschen in den 14 Kommunen des Kreises die nächtliche Ausgangssperre gelten müssen.
Zwischen 21.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens ist der Aufenthalt im öffentlichen Raum dann grundsätzlich untersagt, eine Durchfahrt durch den Kreis sei jedoch zulässig, betonte Will. Ausnahmen für die Ausgangssperre gibt es beispielsweise aus beruflichen Gründen, wegen notwendiger medizinischer Versorgung oder auch zur Wahrnehmung des Sorgerechts. Zusätzlich gilt dann auch ein ganztägiges Alkoholverbot im öffentlichen Raum, die neuen Regeln sollen erst einmal bis zum 22. Dezember 2020 gelten. „Eine Verlängerung bleibt aber vorbehalten“, betonte Will. Sobald die Corona-Inzidenz fünf Tage lang unter dem Wert von 200 liege, müssten die Maßnahmen wieder aufgehoben werden.
„Seit vielen Wochen beobachten wir mit Sorge ein diffuses Infektionsgeschehen im Kreis“, sagte Will weiter. Gesundheitsamt und Landkreis seien überzeugt, dass viele Ansteckungen im privaten Bereich erfolgten. „Eine nächtliche Ausgangssperre, so schmerzlich der Eingriff in die Freiheitsrechte der Menschen auch ist, könnte dazu beitragen, Infektionen wieder einzudämmen“, sagte Gesundheitsdezernent Walter Astheimer. Die hohe Rate der an und mit Covid Verstorbenen und der Schutz der vulnerablen Menschen in den Alten- und Pflegeheimen machten „diese strengen und weitreichenden Maßnahmen notwendig.“
Landrat Will kritisierte zugleich, die jetzt ergriffenen Maßnahmen hätten früher kommen müssen: „Hätten wir nach den Herbstferien in der Corona-Bekämpfung konsequenter gehandelt und zum Beispiel Kontakte entschiedener unterbunden, dann befänden wir uns jetzt zwei Wochen vor Weihnachten nicht in dieser Lage“, sagte Will. Der Landrat nannte dabei explizit auch „Möglichkeiten zur Kontaktvermeidung auch in den Schulen“ – über das Offenhalten der Schulen und den Präsenzunterricht tobt auch in Hessen derzeit ein heftiger Streit. Womöglich hätte es dann „eines Mittels wie der Ausgangssperre auch gar nicht bedurft“, sagte Will.
Mit den bisherigen Regelungen im Teil-Lockdown sei es eben nicht gelungen, die Zahl der Neuinfektionen im Kreis Groß-Gerau zu senken. „Wir verharren auf einem zu hohen Niveau, es ist bedauerlich, aber es reicht offenbar nicht, an die Vernunft der Menschen zu appellieren“, betonte der Landrat, und appellierte an seine Bevölkerung: „Die aktuelle Situation verlangt von uns allen sehr viel ab. Helfen Sie mit, damit wir die Pandemie schnellstmöglich unter Kontrolle bekommen.
Das Land Rheinland-Pfalz hat über verschärfte Corona-Regeln noch nicht entschieden, Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sprach sich aber am Donnerstag für einen verschärften Lockdown nach Weihnachten aus: „Wir haben jetzt die Chance, die Weihnachtsferien zu nutzen, eine Zeit in der das öffentliche Leben ohnedies weitgehend ruht, um das Land weiter runterzufahren und so weiter Kontakte zu reduzieren“, sagte Dreyer. In einer Zeit, in der die Schulen und viele Betriebe ferienbedingt geschlossen hätten, sei auch der wirtschaftliche Schaden geringer als in anderen Zeiten.
Dreyer betonte allerdings zugleich, sie halte es für wichtig, eine gemeinsame Linie für ganz Deutschland zu vereinbaren. „Das ist notwendig, da wir ansonsten einen Corona-Tourismus zwischen Ländern mit und ohne Lockdown erleben würden, der kontraproduktiv wäre“, sagte Dreyer. Bund und Länder debattieren derzeit, ob es ein weiteres Treffen geben soll, um verschärfte Maßnahmen zu beschließen – im Gespräch ist dafür der kommende Sonntag.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den neuen Corona-Regeln im Land Hessen lest Ihr hier bei Mainz&. Die ganze Mitteilung des Kreises Groß-Gerau könnt Ihr hier im Internet nachlesen.