Bei den Impfungen in Deutschland hängt es weiter gewaltig: Seit diesem Mittwoch können sich in Rheinland-Pfalz nun zwar auch über 60-Jährige für einen Impftermin registrieren, auf ihre Impfung müssen sie aber noch bis mindestens Ende April warten: Die Impfungen dieser Altersgruppe sollten „spätestens Mitte Mai starten“, sagte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) am Mittwoch in Mainz. Derweil luden Berlin und NRW Ostern zu Sonder-Impfterminen mit dem Impfstoff von AstraZeneca, wieviel Impfstoff des Herstellers derzeit in Rheinland-Pfalz unverimpft ist: unklar. Derweil kommen Briefe mit Impfterminen verspätet an, in manchen Impfzentren bleiben Termine frei – in Mainz war dafür das Impfzentrum Anfang der Woche überbucht, das Ergebnis: Lange Warteschlangen.

Lange Warteschlange vor dem Mainzer Impfzentrum an Osterdienstag. - Foto: privat
Lange Warteschlange vor dem Mainzer Impfzentrum an Osterdienstag. – Foto: privat

„Locker 500 Meter lang“ sei die Warteschlange am Osterdienstag vor dem Mainzer Impfzentrum in Gonsenheim gewesen, klagten Mainzer auf dem Facebookprofil der Stadt Mainz, Mainz&-Leser berichteten, die Schlange habe komplett um das Gebäude gereicht, die Wartezeit 1,5 bis zwei Stunden betragen. Es könne doch nicht sein, „dass vor allem betagte Menschen – vereinzelt mit Rollator – 40 Minuten und länger in Kälte und Wind stehen müssen, bis sie überhaupt in das Gebäude kommen“, kritisierte ein Facebook-Leser. Vor dem Zentrum sei „auch nicht nach den Impfterminen priorisiert“ worden, „das war ein Unding heute“, kritisierte er.

Die Stadt Mainz entschuldigte sich, die Wartezeiten seien „heute ausnahmsweise höher als üblich“ – die Terminvergabe habe das Impfzentrum „im Zeitraum von 8.00 – 13.00 Uhr überbucht.“ Dazu habe es zwei krankheitsbedingte Ausfälle im Kollegium gegeben, die man schnellstmöglich nachbesetzt werde – zudem hätten „einige Impflinge die Post aufgrund der Feiertage nicht rechtzeitig erhalten.“ Tatsächlich berichteten mehrere Impfwillige, sie hätten den Brief mit ihrem Impftermin erst am gleichen Tag erhalten – manche bekamen ihn sogar erst, nachdem ihr Termin bereits abgelaufen war.

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Die Stadt Mainz betonte, die Verzögerung habe an den Osterfeiertagen gelegen, entschuldigte sich das Social Media-Team auf Facebook. Die Mitarbeiter im Impfzentrum hätten aber versucht, trotz der Überbuchung alle Impflinge auch zu bedienen. „Das war heute sehr unglücklich, dass drei Dinge zusammen gekommen sind, wir haben aber versucht, das Beste daraus zu machen“, hieß es weiter. Mainz ist zudem nicht das einzige Impfzentrum, in dem es organisatorische Probleme gibt: Impfzentren aus dem Norden von Rheinland-Pfalz meldeten wiederholt, sie hätten mehr Termine und Impfstoff offen, als ihnen Impflinge von der Landes-Hotline zugeteilt würden, das berichteten etwa Impfzentren aus Neuwied und Wittlich.

Der Impfstoff von BionTech ist begehrt, die Länder halten allerdings einen bestimmten Teil auf Vorrat zurück. - Foto: Biontech
Der Impfstoff von BionTech ist begehrt, die Länder halten allerdings einen bestimmten Teil auf Vorrat zurück. – Foto: Biontech

Vergangene Woche mehrten sich Meldungen, wonach in den Bundesländern Millionen noch nicht gespritzter Impfdosen vorhanden sind, der Tagesspiegel berichtete am Donnerstag, die Zahl der zurückgehaltenen und nicht verimpften Dosen liege mit 4,6 Millionen inzwischen auf einem Rekordhoch. Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) widersprach dem energisch: „Bei uns in Rheinland-Pfalz liegt kein Impfstoff ungenutzt in Kühlschränken herum“, betonte die Ministerin vergangene Woche: „Alle Impfdosen, die wir bekommen haben, werden verplant, kontingentiert und Impfungen zugeführt.“

Laut dem Impfmonitor des Bundes verimpft Rheinland-Pfalz 77,9 Prozent seiner gelieferten Impfdosen, der Schwerpunkt liegt dabei auf den Erstimpfungen: Stand 6. April waren in Rheinland-Pfalz 761.661 Impfungen verabreicht worden, davon mehr als 560.000 Erstimpfungen. Damit haben zwar inzwischen 13,2 Prozent der Rheinland-Pfälzer eine Erstimpfung erhalten, bei den Zweitimpfungen hänge man allerdings mit rund fünf Prozent „etwas hinterher“, räumte Bätzing-Lichtenthäler ein. Das liege aber daran, dass das Land das erlaubte Intervall zwischen Erst- und Zweitimpfung ausgereizt habe, um schneller mehr Erstimpfungen verabreichen können.

Der Impfstoff von AstraZeneca darf in Deutschland nun nur an Personen über 60 Jahre verimpft werden. - Foto: AstraZeneca
Der Impfstoff von AstraZeneca darf in Deutschland nun nur an Personen über 60 Jahre verimpft werden. – Foto: AstraZeneca

Doch diese Strategie kommt nun ebenfalls an ihre Grenzen: Als die Ständige Impfkommission (Stiko) am 31. März erneut ihre Empfehlung für AstraZeneca änderte, und nun die Impfung nur noch für über 60-Jährige empfiehlt, musste Rheinland-Pfalz 20.000 Impftermine mit AstraZeneca verschieben – die Reserven für eine Ersatzimpfung mit einem anderen Impfstoff waren schon durch die erste AstraZeneca-Änderung aufgebraucht.

Die Stiko hatte am 31. März ihre erste Empfehlung, den Impfstoff von AstraZeneca nur noch an Jüngere zu verimpfen revidiert, nachdem allein in Deutschland 31 Fälle schwerer Sinusvenenthrombosen nach Impfungen mit AstraZeneca aufgetreten waren – mindestens neun Menschen starben allein in Deutschland an den Folgen. Offenbar tauchten in Deutschland besonders viele Fälle in kurzer Zeit auf, weil Deutschland das Vakzin vor allem an jüngere Menschen in Pflegeberufen verimpft hatte – darunter viele jüngere Frauen.

Die erweisen sich nun immer mehr als die gefährdete Gruppe für diesen Impfstoff: Großbritannien stoppte inzwischen die Impfungen mit AstraZeneca an junge Frauen unter 30 Jahren, das Risiko auf eine Thrombose sei hier größer als der Nutzen, räumten die Briten ein – auch auf der Insel waren inzwischen zahlreiche Fälle der gefährlichen Hirnthrombosen entdeckt worden. Europaweit wurden inzwischen bereits rund 170 solcher Fälle gezählt, die Europäische Arzneimittelagentur EMA stellte nun fest: Es bestehe ein klarer Zusammenhang zwischen den Impfungen und den Sinusvenenthrombosen.

Auch Impfungen bei der Polizei mussten wegen den Änderungen bei AstraZeneca verschoben werden. - Foto: rlp
Auch Impfungen bei der Polizei mussten wegen den Änderungen bei AstraZeneca verschoben werden. – Foto: rlp

Eine Einschränkung für den Impfstoff wollte die EMA trotzdem nicht aussprechen, der Nutzen der Schutzwirkung vor dem Coronavirus durch eine Impfung mit AstraZeneca sei weiterhin deutlich höher als die Gefahr, an einer solchen Thrombose zu erkranken, begründete die EMA ihre Entscheidung. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bezifferte inzwischen die Wahrscheinlichkeit für eine solche Erkrankung auf der Grundlage von Studien auf weniger als eins zu 100.000, Deutschland entschied inzwischen, den Impfstoff nur noch an Personen über 60 Jahre zu verimpfen – wer jünger ist, darf nach vorheriger Beratung ebenfalls zu AstraZeneca greifen, wenn er möchte.

Das größte Problem aber derzeit: Rheinland-Pfalz muss rund 90.000 Zweitimpfungen umbuchen, die eine Erstimpfung mit AstraZeneca erhalten hatten – Personen unter 60 Jahren erhalten nun ihre Zweitimpfung mit einem mRNA-Impfstoff von BionTech oder Moderna. Die Stiko hatte kurz vor Ostern empfohlen, die zweite Impfung zur Sicherheit nicht mit AstraZeneca durchzuführen, sondern auf einen anderen Impfstoff auszuweichen. Tierexperimentelle Daten zeigten, dass die Immunreaktion nach der zweiten Impfung mit einem anderen Wirkstoff gleich ausfalle, sagte Stiko-Vorsitzender Thomas Mertens – Experten gehen schon länger davon aus, dass eine Kombination von Impfstoffen unproblematisch ist und im Prinzip zu dem gleichen Ergebnis führt: einer vollständigen Immunisierung.

Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) bei einer Pressekonferenz in Mainz. - Foto: gik
Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) bei einer Pressekonferenz in Mainz. – Foto: gik

Der Schwenk der Stiko führte nun dazu, dass an Ostern in den Bundesländern AstraZeneca-Impfstoff in großen Mengen frei wurde – Berlin und Nordrhein-Westfalen organisierten daraufhin Sonder-Impfungen für über 60-Jährige, was zu einem wahren Ansturm auf die Impfzentren führte.

In Rheinland-Pfalz müssen sich über 60-Jährige jedoch noch bis mindestens Ende April gedulden: Das Land öffnete zwar am Mittwoch die Registrierungsmöglichkeit für Menschen zwischen 60 und 69 Jahren, doch einen schnellen Pieks wird es für sie nicht geben: Man strebe an, mit den Impfungen in dieser gruppe „schon Ende April“ beginnen zu können“, sagte Gesundheitsministerin Bätzing-Lichtenthäler – wo das nicht möglich sei, sollten die Impfungen der über 60-Jährigen „spätestens Mitte Mai starten“. Die Frage, wieviel Impfstoff von AstraZeneca nach der Änderung der Impfempfehlung in Rheinland-Pfalz nun übrige ist, beantwortete die Ministerin nicht.

Stattdessen unterstrich Bätzing-Lichtenthäler, die Priorisierungsreihenfolge werde nicht geändert, die über 70-Jährigen hätten zunächst Vorrang. Tatsächlich warten in Rheinland-Pfalz noch immer rund 200.000 Menschen über 70 Jahre im Terminpool des Landes auf ihre Erstimpfung – an sie verschickte das Land Rheinland-Pfalz rund um Ostern ein maschinell erstelltes Schreiben, das für erhebliche Irritationen sorgte. Darin heißt es nämlich, man habe noch immer nicht genügend Impfstoff, deshalb könne sich die Terminvergabe weiter verzögern: „Wir gehen derzeit davon aus, dass wir Ihnen einen Termin für Ihre Erstimpfung im Verlauf des Monats Mai anbieten können“, heißt es dort wörtlich. Das Schreiben ging jedoch auch an Personen, die bereits ihre Impftermine erhalten hatten.

Auch in Mainz verlaufen die Corona-Impfungen weiter schleppend - vielleicht sollten wir mal den Dom impfen lassen... - Foto: Sascha Kopp
Auch in Mainz verlaufen die Corona-Impfungen weiter schleppend – vielleicht sollten wir mal den Dom impfen lassen… – Foto: Sascha Kopp

Bätzing-Lichtenthäler sagte dazu, man habe sich an die über 70-Jährigen wenden wollen, die „schon recht lange im Wartepool sind, wir wollten uns bei denen mal melden.“ Man habe deutlich machen wollen, dass das Land die Angemeldeten nicht vergessen habe, die Terminvergabe geschehe weiter automatisch. Rheinland-Pfalz hatte kurz vor der Landtagswahl am 14. März die Terminvergabe an die über 70-Jährigen geöffnet, von rund 360.000 berechtigten Personen sind demnach bis heute rund 200.000 Personen ohne Termin. Von den über 80-Jährigen warten derzeit noch immer rund 700 Personen auf einen Ersttermin, die Ministerin betonte, man nähere sich in dieser Altersgruppe einer Impfquote von fast 90 Prozent.

In Mainz wurden bislang 33.739 Impfdosen verabreicht, davon 25.938 Erst- und 7.801 Zweitimpfungen. Damit sind gerade einmal rund 3,5 Prozent der Mainzer vollständig immunisiert, rund 11 Prozent haben eine erste Impfung erhalten. Der limitierende Faktor sei weiter der Impfstoff, betonte Bätzing-Lichtenthäler – und gerade erst seien 10.000 Dosen BionTech weniger geliefert worden als angekündigt. Das Mainzer Unternehmen kündigte umgehend an, die Dosen würden nachgeliefert. „Wir freuen uns über jede Impfdose, die mehr kommt“, betonte Bätzing-Lichtenthäler. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) kündigte derweil am Donnerstag an, sollte der russische Impfstoff Sputnik V von der EU zugelassen werden, „werden wir auch den gerne verimpfen.“ Eine Wahlmöglichkeit für einen Impfstoff ist bisher für die Impfwilligen aber nicht vorgesehen.

Derweil kritisiert die CDU-Opposition, die Terminvergabe des Landes sei „eine organisatorische – und für die betroffenen Mitbürger auch eine menschliche – Katastrophe.“ Es sei „völlig unbegreiflich“, dass das Land die kurzfristigen Impfungen von über 60-Jährigen „ungenutzt verstreichen lässt“, kritisierte CDU-Landeschefin Julia Klöckner: Obwohl AstraZeneca „in großen Mengen vorhanden ist, und die Lager in den Impfzentren voll sind, verweigert das Land impfwilligen Bürgern die entsprechenden Terminvergaben“ und vertröste sie bis Mai.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Turbulenzen rund um den Impfstoff von AstraZeneca und die Empfehlung der Stiko lest Ihr hier bei Mainz&. Den Zusammenhang zwischen den Hirnvenenthrombosen mit den AstraZeneca-Impfungen haben wir hier bei Mainz& erklärt. Über 60-Jährige können sich nun ebenso wie Menschen über 70 Jahre oder Personen der Impfkategorie 2 für einen Impftermin registrieren, und zwar online auf impftermin.rlp.de, die Termine für Erst- und Zweitimpfung werden dann per Email verbindlich mitgeteilt.

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