Anfang Juni warnten Experten vor einer Corona-Sommerwelle, nun ist sie bereits da: Die Corona-Zahlen steigen derzeit deutlich wieder an. Für Mainz meldete das Landesuntersuchungsamt am, Mittwoch beriets wieder eine Sieben-Tage-Inzidenz von 701, in Wiesbaden liegt der Wert laut Robert-Koch-Institut sogar bei 797. Die Sommerwelle sei Realität, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Grund sind der neue Omikron-Subtyp BA.5, der Wegfall der Maskenpflicht in Innenräumen sowie die grassierenden Partys und Feste – der Sommereffekt droht zu verpuffen.

Ausbreitung der verschiedenen Subtypen der Omikron-Variante des Coronavirus in Deutschland, ganz rechts unten in Blau: die ansteigende Kurve von BA.5. - Grafik: RKI
Ausbreitung der verschiedenen Subtypen der Omikron-Variante des Coronavirus in Deutschland, ganz rechts unten in Blau: die ansteigende Kurve von BA.5. – Grafik: RKI

92.344 neue Corona-Infektionen hatte das Robert-Koch-Institut (RKI) am Mittwochvormittag gemeldet, die bundesweite Sieben-Tage-Inzidenz lag bei 472,4 – das ist doppelt so hoch wie eine Woche zuvor. Und das dürfte bei Weitem nicht die volle Realität sein: Die Zahl der Coronatests ist drastisch gesunken, am 16. Juni meldete das RKI gerade einmal noch rund 619.000 Coronatests in Deutschland für die 23. Kalenderwoche, zum Vergleich: Anfang des Jahres waren es zwischen 1,5 und 2,6 Millionen Pro Woche.

Derzeit wird deutlich weniger getestet, die Dunkelziffer der nicht erfassten Corona-Infektionen dürfte deshalb deutlich höher sein – dich auch die Zahl der erfassten Fälle steigt wieder: Lag die Sieben-Tage-Inzidenz am 1. Juni in Mainz noch bei 322, so steigt seither die Zahl der Neuinfektionen wieder an – am Mittwoch übersprang die Inzidenz in Mainz die Marke von 700. Im Landkreis Mainz-Bingen liegt sie bereits ebenfalls wieder bei 686, die Nachbarstadt Wiesbaden steht beim RKI gar mit 797 zu Buche – die Sommerwelle rollt.

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„Die angekündigte Sommerwelle ist leider Realität geworden“, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nun gegenüber der „Rheinischen Post“. Das bedeute für die nächsten Wochen „wenig Entspannung“ – in diesem Jahr „verpufft der Sommereffekt in der Pandemie.“ Als Grund nannte der Gesundheitsminister die aktuell sich neu in Deutschland ausbreitende Virusvariante BA.5, die noch einmal leichter übertragbar ist – und das Auslaufen fast alle Vorsichtsmaßnahmen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf einer Pressekonferenz. - Foto: gik
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf einer Pressekonferenz. – Foto: gik

Virologen hatten bereits vor Wochen vor neuen Corona-Wellen gewarnt, Gehör fanden sie damit nicht.  Ab Mitte Mai stiegen die Corona-Infektionen dann bereits wieder langsam an, denn aus Portugal erreichte eine neue Variante auch Deutschland: BA.5 ist ein Subtyp der Omikron-Variante, der noch einmal als deutlich ansteckender gilt. Ob BA.5 auch aggressiver ist, ist umstritten, Lauterbach hatte den Subtyp als „aggressiver und gefährlicher“ bezeichnet, dafür spricht, dass in Portugal auch die schweren Fälle – und die Todeszahlen wieder deutlich ansteigen.

Im Mai wurden die Sublinien BA.4 und BA.5 der Omikron-Variante im Rahmen von Abwasseruntersuchungen auch in Wiesbaden nachgewiesen, Anfang Juni schickte sich BA.5 bereits an, Deutschland zu erobern: Pro Woche verdoppelten sich die Fälle mit dem Subtyp jeweils. Im ZDF sagte Lauterbach nun, die Sommerwelle sei „kein Grund zu Panik“ und müsse den Deutschen auch nicht den Sommer verderben – etwas Vorsicht sei derzeit aber schon angebracht. Der Minister empfahl den Deutschen, wieder freiwillig in Innenräumen Masken zu tragen und plädierte ansonsten für eine vierte Impfung.

 

Wie gefährlich oder wie "niedlich" ist der neue Omikron-Subtyp BA.5? - Foto: gik
Wie gefährlich oder wie „niedlich“ ist der neue Omikron-Subtyp BA.5? – Foto: gik

Er rate allen, die „einen ruhigeren und beschwerdefreieren Sommer haben wollen“, eine vierte Impfung in Erwägung zu ziehen, sagte Lauterbach – bislang wird die vierte Impfung nur Risikogruppen und älteren Senioren empfohlen. Der Minister riet nun aber zum zweiten Booster, auch den Menschen, die bereits einmal eine Corona-Infektion hatten: „Leider kann man sich an BA.4 und BA.5 infizieren, auch dann, wenn man mit BA.1 und BA.2 schon infiziert war“, sagte er im ZDF.

Hauptursache für die neuen Ansteckungszahlen dürfte vor allem auch die massiv gestiegene Zahl von Festen und Feiern sein, manche machen auch das Neun-Euro-Ticket mit verantwortlich: In überfüllten Zügen könne sich das Virus besonders gut ausbreiten. Allerdings gilt im Nahverkehr weiter eine Maskenpflicht – auch wenn die inzwischen oft unterlaufen wird. In Supermärkten und Gebäuden dagegen ist das Tragen einer Schutzmaske inzwischen fast schon zur Ausnahme geworden. Und Ende Juni laufen nach derzeitigem Stand die kostenlosen Corona-Bürgertests aus – wenn es keine Verlängerung gibt.

Ein auf die Omikron-Variante besser angepasster Corona-Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech könnte im Herbst kommen: Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMA) läutete gerade den Zulassungsprozess für den angepassten Covid-19-Impfstoff von Biontech und Pfizer ein, wie der NDR berichtet. Derweil fordern Ärzte und Pflegeorganisationen die Politik dringend dazu auf, wieder über mehr Schutzmaßnahmen nachzudenken und konkrete Pläne für den Herbst auf den Weg zu bringen.

Tausende feiern derzeit wieder auf Festen und Festivals, oft in dichten Mengen - wie hier beim SWR3 Open Air in Mainz. - Foto: gik
Tausende feiern derzeit wieder auf Festen und Festivals, oft in dichten Mengen – wie hier beim SWR3 Open Air in Mainz. – Foto: gik

„Das Experiment Eigenverantwortung ist gescheitert“, sagte der Chef der Ärzte-Gewerkschaft Marburger Bund in Niedersachsen, Hans Martin Wollenberg, dem NDR: „Wir sind noch lange nicht in der Normalität angekommen, nach der wir uns alle sehnen und die uns durch den Wegfall der verpflichtenden Schutzmaßnahmen suggeriert wird.“ Politik und Bevölkerung seien gefordert, die Schutzmaßnahmen wieder stärker zu nutzen, appellierte er.

Info& auf Mainz&: Das ganze Interview mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) im ZDF findet Ihr hier im Internet. Mehr zum neuen Omikron-Subtyp BA.5 lest Ihr hier bei Mainz&:

Omikron-Subvariante BA.5 im Wiesbadener Abwasser nachgewiesen – Aus Mainz keine Zahlen – Lauterbach: Typ ist gefährlicher