Der Vorhang zu und alle Fragen offen: Bund und Länder haben am Mittwochnacht einen Fahrplan für Öffnungen nach dem Corona-Lockdown beschlossen, doch der Stufenplan wirft viele Fragen auf. Der Corona-Lockdown ist erst einmal bis Ende März verlängert, ab dem 8. März werden aber nun wieder Kontakte zweier Haushalte mit bis zu fünf Personen erlaubt. Ab dem 8. März sollen zudem weitere Lockerungen bei Geschäften, Restaurants und Freizeit möglich sein, aber abhängig von der Inzidenz von 50 – ob das nun bedeutet, dass in Mainz am Montag die Geschäfte öffnen dürfen, ist aber noch völlig unklar.
Bund und Länder hatten am Mittwoch bis spät in die Nacht stundenlang miteinander gerungen, erst kurz vor Mitternacht verkündete Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die vereinbarten Regeln. Danach sollen ab dem 8. März weitere Öffnungsschritte möglich sein, so werden bundesweit wohl Buchläden, Gartenmärkte und körpernahe Dienstleistungen wieder öffnen dürfen – in Rheinland-Pfalz wurde das in Teilen bereits zum 1. März umgesetzt. Ab dem 8. März dürfen dann auch Einzelhandelsgeschäfte aller Art öffnen, dazu Museen, Galerien und Gedenkstätten, allerdings nur bei einer Inzidenz von unter 50 Neuinfektionen pro 100.0000 Einwohner im Sieben-Tages-Schnitt. Über einer Inzidenz von 50 ist nur Terminshopping im Einzelhandel erlaubt, Museen, Galerien und Zoos dürfen dann nur mit Terminbuchung Besucher zulassen.
14 Tage später, frühestens ab dem 22. März, dürften dann dem Plan zufolge Theater, Opernhäuser und Kinos sowie die Außengastronomie wieder öffnen – wenn denn die Inzidenzen durch den ersten Öffnungsschritt dann nicht erneut angestiegen sind. Liegt die Inzidenz über 50, dürfen diese Öffnungen nur mit tagesaktuellem Schnelltest erfolgen. Geht alles gut und steigen die Inzidenzen nicht an, dürfen ab dem 5. April Freizeitveranstaltungen im Außenbereich wieder stattfinden, und der Einzelhandel auch über einer Inzidenz von 50 wieder öffnen.
Doch damit ist keineswegs gesagt, dass am kommenden Montag die Geschäfte in Mainz wieder öffnen: Die Landeshauptstadt wies am Donnerstag eine Sieben-Tages-Inzidenz von 32 auf, der Landkreis Mainz-Bingen aber von 41 – in beiden Regionen waren die Infektionen zuletzt wieder angestiegen. Unklar ist nun, welche Inzidenzzahl bei den Öffnungen angesetzt wird: die des Bundeslandes, oder die einer Region, und wenn letzteres, dann welcher? In Rheinland-Pfalz lag die Sieben-Tages-Inzidenz am Donnerstag bei 47, war zuletzt aber immer um die 50-er Marke gependelt – mal drüber und mal drunter.
Auch Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ließ diese Frage bei ihrer Pressekonferenz am Donnerstagmorgen offen, in der Staatskanzlei hieß es am Nachmittag auf Mainz&-Anfrage: Man werde genau diese Frage der Öffnung pro Region mit den Einzelhandels- und Wirtschaftsverbänden besprechen und am Freitag im Kabinett entscheiden. Bei der Stadt Mainz hieß es, dies müsse in einer neuen Corona-Bekämpfungsverordnung des Landes geregelt werden, die müsse man abwarten – entscheiden könne man eine Öffnung derzeit nicht.
Die Gefahr bei den Öffnungsschritten: Die neue britische Virus-Mutation B.1.1.7 verbreitet sich derzeit so stark, dass sie bereits jetzt bundesweit fast die Hälfte aller Fälle ausmacht – Deutschland droht weiter eine Dritte Welle, wie sie andere europäische Länder bereits durchmachen. Bei schnellen Öffnungen würde Deutschland erneut ein exponentieller Anstieg der Fallzahlen drohen, dann müsste der Lockdown wieder verschärft werden – es würde ein Auf-Zu-Drama drohen, das die Politik unbedingt vermeiden will.
„Wir stehen wieder einmal an der Schwelle einer neuen Phase der Pandemie“, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) Mittwochnacht – und in die könne man „mit berechtigten Hoffnungen“ hineingehen, aber nicht ohne Vorsicht. Deutschland habe gemeinsam sehr viel erreicht, betonte die Kanzlerin: Die Ausbreitung des Virus eingedämmt, die Intensivstationen von der Schwelle der Überlastung zurückgeholt, Massenarbeitslosigkeit verhindert und bisher auch eine Dritte Welle vermieden. „Was wir gemeinsam durchgestanden haben, das war hart, aber man kann auch sagen: es war wirksam und es hat Erfolge gebracht, auf die wir stolz sein können“, betonte Merkel, und fügte hinzu: „Bei allem, was unvollkommen ist, und da gibt es manches, hat Deutschland Stärke gezeigt.“
Tatsächlich gibt es inzwischen massive Kritik am Impffortschritt in Deutschland sowie an der Tatsache, dass eine Strategie zum Einsatz der Schnelltests weiter nicht existiert – in Deutschland werden jetzt erst Antigen-Schnelltests und Corona-Selbsttests für den breiten Gebrauch zugelassen. Merkel kündigte nun an, Bund und Länder würden eine gemeinsame Taskforce zur Beschaffung flächendeckender Schnelltests, insbesondere auch für Schulen und Kitas gründen, man wolle jetzt Schnelltests systematisch nutzen, insbesondere um symptomlose Infizierte herauszufiltern. Ab dem 8. März soll nun auch für jeden Bürger einmal pro Woche ein kostenloser Schnelltest zur Verfügung stehen, entsprechende Testzentren würden nun vor Ort aufgebaut. Der Beschluss von Bund und Ländern sieht zudem vor, dass Arbeitgeber Schnelltests zur Verfügung stellen müssen, genaueres soll am Freitag beraten werden.
Der massenhafte Einsatz von Schnelltests sei ein wichtiger Helfer auf dem Weg zu Lockerungen, der Weg aus der Pandemie aber sei das Impfen, sagte Merkel weiter. Dass die meisten Hochbetagten in Deutschland inzwischen geimpft sei, sei eine erhebliche Erleichterung und werde sich in sinkenden Todeszahlen zeigen, doch zuletzt sank das ohnehin niedrige Impftempo noch einmal weiter ab. „Wir haben heute darüber gesprochen, wie wir das Impfen deutlich forcieren können“, sagte Merkel die Zahl der möglichen Erstimpfungen solle „möglichst maximal“ ausgeschöpft werden. „Wir wissen, wir sind hier in einem Wettlauf gegen die Zeit“, räumten die Kanzlerin ein.
Deshalb soll nun – nach wochenlangen Diskussionen – der Abstand zwischen der Erst- und der Zweitimpfung maximal ausgedehnt werden, und zwar beim Biontech-Impfstoff auf 42 Tage, beim Impfstoff von AstraZeneca sogar auf 12 Wochen. So sollen mehr Menschen schneller eine erste Impfung erhalten können, Großbritannien feiert damit bereits seit Wochen große Fortschritte beim Impftempo. Zudem werde die Ständige Impfkommission (StiKo) den AstraZeneca-Impfstoff auch für ältere Menschen zulassen – am Donnerstag folgte die StiKo dieser Ansage prompt. Merkel betonte, es solle zudem vor Ort „ein kluges Nachrückermanagement“ für Fälle ungenutzten Impfstoffes entwickelt werden – seit Wochen gibt es bereits Debatten darüber, wer in solchen Fällen eine liegengebliebene Impfdose bekommt und wer nicht. Merkel sagte weiter, hierbei solle „Flexibilität an den Tag gelegt werden.“
Spätestens Ende März oder Anfang April sollen zudem die Hausärzte in die Impfprozedur eingebunden werden, bis dahin soll die Belieferung der Hausärzte mit dem Impfstoff „als zweiter Strang“ etabliert werden. Die Arbeit in den Impfzentren könne „jederzeit auf Mehrschichtsystem umgestellt, und auf sieben Tage ausgedehnt werden“, betonte Merkel zudem – damit würde Deutschland endlich auch an Sonntagen impfen können. „Wir wollen so schnell wie möglich die Impfstoffe an die Menschen bringen“, sagte Merkel, „wir glauben, dass wir hier noch Steigerungspotenzial haben.“
Bei den Öffnungsschritten habe die Politik nun „einen neuen Puffer“ eingebaut, sagte Merkel weiter – es ist die Inzidenzspanne zwischen 50 und 100. Bisher galten eigentlich Öffnungen bei einer Inzidenz über 50 als absolut nicht möglich, Bund und Länder hatten vor wenigen Wochen sogar auf Drängen Merkels eine Inzidenz von 35 festgelegt, oberhalb derer Öffnungsschritte nicht möglich sein sollten. Nun verabschiedete sich die Kanzlerin von ihrer harten Linie, wohl auch, weil die befürchtete explosionsartige Dritte Welle durch die Corona-Mutationen bislang so nicht eingetreten ist. Nun können also Öffnungen bereits unter einer Inzidenz von 50 erfolgen, zwischen 50 und 100 müssen sie durch zusätzliche Maßnahmen wie Schnelltests oder Terminvergaben abgesichert werden.
„Ein nächster Öffnungsschritt kann immer dann erfolgen, wenn eine stabile oder sinkende Tendenz nach 14 Tagen vorhanden ist“, betonte Merkel: „Ist meine Inzidenz stabil oder sinkt sie, dann kann ich den nächsten Schritt gehen.“ Werde aber in den 14 Tagen eine steigende Inzidenz verzeichnet, oder gar eine Inzidenz von über 100 stabil an drei Tagen hintereinander erreicht, müsse der Lockdown wieder verschärft werden – und zwar auf den Stand von vor dem 8. März. „Wir bauen eine Notbremse ein“, betonte Merkel, das sei ihr ganz wichtig gewesen: „Es war mir sehr, sehr wichtig, dass wir nicht Pakete schnüren, die zu groß sind.“ Nun biete der Stufenplan „ein Konzept der Verlässlichkeit und des schrittweisen Vorgehens.“
Keine Perspektive allerdings bietet der Plan bisher der Tourismusbranche, wann Hotels, Ferienwohnungen oder Campingplätze wieder öffnen dürfen oder auch Fahrgastschiffe wieder Gäste transportieren dürfen, ist weiter unklar. Das sorgte umgehend für harsche Kritik aus der Branche, der Präsident des Hotel- und Gaststättenverbandes (DEHOGA) in Rheinland-Pfalz, Gereon Haumann, forderte Ministerpräsidentin Dreyer umgehend auf, ihr Versprechen eines rheinland-pfälzischen Sonderweges jetzt umgehend wahr zu machen. Dreyer hatte am 24. Februar bei einer Mahnwache der DEHOGA in Mainz versprochen, könnten sich die Bund-Länder-Konferenz nicht auf Öffnungsschritte für Gastronomie und Hotellerie einigen, sei Rheinland-Pfalz auch „bereit, eigene Wege zu gehen.“
Am 22. März wollen Bund und Länder nun über diesen Punkt beraten, oberstes Ziel der Politik ist weiter, zu viel Mobilität und zu viele Kontakte zu verhindern. Die Pflicht zum Homeoffice wurde deshalb ebenfalls verlängert, und zwar gleich bis zum 20. April – im Februar war der Anteil der Arbeitnehmer im Homeoffice schon wieder auf nur noch rund 30 Prozent gesunken. „Wir befinden uns in einer sehr, sehr heiklen Phase“, warnte Merkel deshalb, „wir werden in den nächsten Tagen erleben, dass die britische Variante die Dominante wird.“ Kontaktbeschränkungen und AHA-Regeln müssten deshalb auch weiter „akkurat eingehalten werden.“
Info& auf Mainz&: Die kompletten Vereinbarungen von Bund und Ländern von Mittwochnacht könnt Ihr hier als pdf zum Download herunterladen. Was in Rheinland-Pfalz seit dem 1. März wieder erlaubt ist, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.