Ein harter Lockdown mit der Schließung von Geschäften, Schulen und Teilen der Wirtschaft steht offenbar unmittelbar bevor – wann er kommt, ist aber noch immer unklar. „Wir sind dafür, dass wir einen Shutdown in Deutschland bekommen“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Freitag in Trier, auf einen Zeitpunkt wollte sie sich aber nicht festlegen. Am Sonntag wollen sich nun offenbar Bund und Länder doch noch einmal zu einer Schaltkonferenz treffen, die Wahrscheinlichkeit, dass dann ein bundesweiter Lockdown beschlossen wird, ist hoch. Baden-Württemberg führt bereits ab Samstag landesweite Ausgangsbeschränkungen am Abend ein – bundesweit steigen die Corona-Infektionen wieder.
29.875 Neuinfektionen meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) am Freitag binnen 24 Stunden, Deutschland steuert damit erneut auf einen exponentiellen Anstieg der Coronainfektionen zu. Schlimmer noch: Die Zahl der Todesfälle in Folge einer Covid-109-Erkrankung stieg auf 598, damit starben an einem einzigen Tag in Deutschland mehr Menschen als je zuvor an den Folgen einer Erkrankung mit dem Coronavirus. Damit musste nun auch die Politik einräumen: Der Teil-Lockdown ist gescheitert, die Eindämmung des Infektionsgeschehens greift nicht.
„Die Lage ist sehr ernst“, räumte Dreyer am Freitag nach einer Sitzung ihrer Ampel-Koalition ein: „Die Zahl der schweren und tödlichen Krankheitsverläufe nimmt zu, das können wir nicht hinnehmen.“ Man wolle sicherstellen, „dass wir alle Patienten medizinisch gut behandeln können“, betonte Dreyer: Das ganze Kabinett sei nun der Auffassung, dass ein Shutdown kommen müsse, der aber auch bundesweit getragen werden müsse.
Das hatte am Dienstag noch anders geklungen, da hatte sich Dreyer nach einer Sitzung ihres Kabinetts noch zu einem Lockdown oder anderen strikten Maßnahmen nicht äußern wollen. „Wir sehen, die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, reichen nicht aus“, sagte Dreyer am Dienstag – Konsequenzen daraus wollte ihr Kabinett gleichwohl nicht ziehen. Bislang hatte sich vor allem die FDP mit Wirtschaftsminister Volker Wissing vehement gegen weitere Verschärfungen ausgesprochen. Noch Ende November hatte Wissing, der auch Generalsekretär der Bundes-FDP ist, vehement weitere Verschärfungen für den Handel abgelehnt, die Schließung der Gastronomie ebenso kritisiert wie Beschränkungen an Weihnachten. Eine erneute Schließung der Schulen werde es mit der FDP nicht geben, sagte Wissing etwa im Deutschlandfunk.
Genau das aber steht jetzt im Raum: Der Ministerrat habe sich darauf verständigt, den Einzelhandel zu schließen, ausgenommen seien nur Lebensmittelläden, kündigte Dreyer am Freitag an. Wann das aber gelten soll – das sagte Dreyer nicht: „Wir werden uns nicht auf ein Datum festlegen“, betonte die Ministerpräsidentin vor Journalisten in Trier, „ich möchte, dass wir das bundesweit tun, dann werden wir das auch in Rheinland-Pfalz umsetzen.“ Auch Kitas und Schulen würden von einem harten Lockdown betroffen sein, „das ist klar“, sagte Dreyer weiter, auch hier machte sie aber keine Angaben zum Zeitpunkt.
Damit rückt die Landesregierung erstmals von dem Mantra ab, Schulen und Kitas auf gar keinen Fall wieder zu schließen. Auch Wechselunterricht könnte nun offenbar flächendeckend möglich werden: Bundesweit steht die Forderung nach einer Verlängerung der Weihnachtsferien vom 16. Dezember bis zum 10. Januar im Raum, in Rheinland-Pfalz würde die Schule allerdings schon am 4. Januar wieder losgehen. Dreyer sagte nun, Kinder sollten aber ab dem 4. Januar bis voraussichtlich zum 10. Januar „nicht in Präsenz in die Schulen kommen“, ab dem 4. Januar sei „Fernunterricht das Naheliegende.“
Seit Wochen fordern Gewerkschaften, Schulleitungen und Lehrer die Landesregierung auf, Schulen nach eigener Einschätzung den Übergang zu einem Wechselunterricht zwischen Präsenz und Fernunterricht zu ermöglichen, bislang hatte die Landesregierung das stets strikt abgelehnt. Erst Ende November einigten sich Bund und Länder darauf, dass ab einer Sieben-Tages-Inzidenz von 200 Infektionen pro 100.000 Einwohnern Schulen in den Wechselunterricht gehen dürfen – derzeit gibt es solche Inzidenzen nur im Raum Ludwigshafen-Frankenthal-Speyer. Lehrergewerkschaften halten den Schwellenwert von 200 viel zu hoch – das RKI selbst empfiehlt bereits seit dem Frühjahr Wechselunterricht ab einer Inzidenz von 50. Bislang wird diese Empfehlung in keinem Bundesland umgesetzt.
Derweil schließt das Bundesland Sachsen ab Montag sämtliche Schulen, Kindergärten und Geschäfte, Bayern kündigte Ausgangssperren an, auch Hessen verhängte diese Maßnahme für extreme Hotspots – im Landkreis Groß-Gerau gilt eine nächtliche Ausgangssperre bereits vom heutigen Freitag an. Baden-Württemberg zog nun ebenfalls in diese Richtung nach: Ab Samstag gilt landesweit eine Ausgangssperre zwischen 20.00 Uhr und 5.00 Uhr morgens, der Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung ist dann nur noch aus triftigen Gründen erlaubt.
Und sogar tagsüber soll es in Baden-Württemberg ab dem 12. Dezember Ausgangsbeschränkungen geben, wie im Frühjahr sollen dann nur noch Einkäufe, der Gang zur Arbeit, Sport und Bewegung an der frischen Luft und wichtige medizinische und andere Besorgungen erledigt werden dürfen. Auch Friseure sollen hier wieder schließen – alle Regelungen findet Ihr hier im Internet. Damit wiederholt sich der Dominoeffekt vom Frühjahr, als die Schließungen in einzelnen Bundesländern einen bundesweiten Lockdown nach sich zogen. Inzwischen sei allen Ministerpräsidenten-Kollegen klar, dass man nicht so weitermachen könne, sagte Dreyer noch: Es gelte, die Weihnachtstage zur Einkehr zu nutzen – und dazu, die Coronazahlen endlich wieder zu senken.
Info& auf Mainz&: Rheinland-Pfalz hatte bereits am Dienstag angekündigt, die Lockerungen zu Weihnachten und Silvester wieder zurückzunehmen, mehr dazu lest Ihr hier. Alles zur Ausgangssperre im Landkreis Groß-Gerau könnt Ihr hier nachlesen. Welche Faktoren das Sinken der Coronazahlen verhindern, und warum der Teil-Lockdown gescheitert ist, haben wir hier in unserer Mainz&-Analyse aufgeschrieben.