Die Lockdowns in der Corona-Pandemie haben dem Einzelhandel stark zugesetzt, nun aber sollte es wieder aufwärts gehen – eigentlich. Doch offenbar hat sich das Einkaufsverhalten der Kunden inzwischen stark verändert: Vom Laden „Unverpackt Rheinhessen“ kommt jetzt jedenfalls ein verzweifelter Hilferuf. Kurz nach dem einjährigen Jubiläum des Geschäftes in Nieder-Olm drohe nun das Aus, schreiben die Betreiberinnen auf Facebook. Denn: Die Corona-Pandemie habe Einkaufswege und -Verhalten stark geändert – in den ersten Monaten des Jahres 2022 seien die Umsätze sogar noch weiter zurückgegangen.
Die Corona-Pandemie hat im Einzelhandel schwere Schäden hinterlassen, trotz staatlicher Hilfen kämpfen viele Geschäfte mit dem Überleben. Das trifft offenbar besonders stark Geschäfte, die mit individuellem Bedarf locken, und vor allem darauf angewiesen sind, dass man unmittelbar bei ihnen vorbei kommt. Die „Unverpackt“-Läden sind so eine Gruppe: Hier werden Lebensmittel, Haushaltswaren und auch Kosmetika gezielt ohne Verpackung zum Kauf angeboten, der Kunde transportiert Nudeln, Seife oder Shampoo in selbst mitgebrachten Behältnissen oder auch in Gläsern, die es im Laden selbst gibt.
Der „Unverpackt“-Laden in Mainz war einer der ersten Läden seiner Art in der Region, vor einem Jahr bekam er Gesellschaft: Rebecca Koss und Gabriela Ziegler gründeten mit dem „Unverpackt“-Laden in Nieder-Olm den ersten in Rheinhessen – mitten in der Corona-Pandemie. Für die Kindersendung „Pur+“ auf dem Kinderkanal Kika habe ihre Familie an einem Experiment teilgenommen, vier Wochen auf Plastik zu verzichten, berichtet Rebecca Koss auf der Homepage des Geschäfts: „Als wir gesehen haben, wie viele Bestandteile von Plastik sich in unsrem Körpern befinden, haben wir uns mit Themen wie plastikfrei und unverpackt Einkaufen beschäftigt.“
So sei der Gedanke entstanden: „warum nicht selbst einen solchen Laden aufmachen“ – in Gabriela Ziegler habe sie eine Gleichgesinnte gefunden. Durch das verpackungsfreie Einkaufen werde weniger Müll produziert und die Umwelt geschont. Das bedarfsgerechte Einkaufen auch von kleinsten Einheiten verringere zudem die Verschwendung von Lebensmitteln und senke die Lebenshaltungskosten, schreibt Koss weiter. Müsli, Getreide und Nüsse, aber auch Schokolade, Kekse, Tee oder Kräuter bieten die „Unverpackt“-Macherinnen in ihrem Laden an.
Doch der Start mitten in der Corona-Pandemie erwies sich als schwierig: „Seit unserer Gründung vor knapp einem Jahr kämpfen wir mit den direkten und indirekten Auswirkungen von Corona“, schreiben die Betreiberinnen nun auf ihrer Facebook-Seite: „In einer Zeit, in der andere Unverpackt-Läden 30-50% Umsatzeinbußen zu verkraften hatten, sind wir gerade erst gestartet und versucht in diesem Umfeld unseren Laden zu etablieren.“
Viele Menschen hätten ihr Einkaufsverhalten durch Corona geändert, schreiben die Geschäftsfrauen weiter: „Man besucht weniger Geschäfte, um Kontakte zu vermeiden, bestellt manchmal lieber online oder hat einfach keine Lust, noch entspannt bummeln zu gehen.“ Manche arbeiteten nun auch im Homeoffice und hätten andere Wege, die sie nicht mehr am „Unverpackt“-Laden vorbei führten. „Corona hat den gesamten Einzelhandel und auch die Unverpackt-Branche hart getroffen“, heißt es weiter. Zahlreiche Unverpackt-Läden, wie auch sonstige Einzelhändler, hätten Corona-bedingt bereits schließen müssen, „weitere stehen kurz davor schließen zu müssen.“
Zum Problem für die Betreiberinnen wird zudem, dass sie Ende 2021 auch noch einen Verkaufswagen anschafften: Mit dem Unverpackt-Rheinhessen-Mobil bieten die Macherinnen mehr als 300 Waren nun auch auf Wochenmärkten im Rheinhessischen an, etwa in Ingelheim, Groß-Gerau, Schwabenheim und Nackenheim. Doch genau diese Investition droht ihnen nun offenbar das Genick zu brechen: „Leider sind in den ersten Monaten in 2022 die Umsätze sogar noch weiter zurückgegangen“, schreiben die Betreiberinnen: „Das trifft uns jetzt doppelt hart, da wir gerade alle unsere Reserven in das Mobil gesteckt haben.“
„Können wir unseren Laden weiterführen?“
Daher stünden die Geschäftsfrauen, „wie leider viele andere Einzelhändler auch, vor einer schweren Entscheidung, die wir in den nächsten Wochen fällen müssen: Können wir den Laden weiterführen?“ Man wolle gerne weitermachen, aber dafür brauche der Laden „Euch und eure Unterstützung!“ Helfen könnten die Kunden, indem sie regelmäßig zum Einkaufen kämen, entweder im laden oder auf einem der Märkte. In Bodenheim und Umgebung biete man sogar einen Bestellservice an, bei dem die Waren im Bodenheimer Büro von „Unverpackt“ abgeholt werden könnten.
„Ihr benötigt noch Oster-Geschenke? Wir haben eine schöne Auswahl“, werben die Macherinnen weiter. Auch gebe es die Möglichkeit, im Büro oder im Geschäft nachhaltige Verpflegung für Mitarbeiter und Kollegen zu bekommen: „Wir bieten einen neuen Service und beliefern Unternehmen mit nachhaltigen und leckeren Angeboten für die Kaffeeküche.“ Die Vorteile seien die persönliche Beratung und man sei auch nicht teurer als andere Geschäfte, „eher im Gegenteil, da man die Verpackung und deren Entsorgung nicht mit bezahlt und nur die Mengen kauft, die man benötigt.“ Das Einkaufserlebnis sei viel intensiver, man kaufe mit Genuss, regional und gegen die Müllflut ein – „und wir haben noch Mehle, Öle und Toilettenpapier“, fügen die Betreiberinnen hinzu.
Info& auf Mainz&: Alle Informationen zum „Unverpackt Rheinhessen“-Laden, seinen Öffnungszeiten und seinem Verkaufsmobil findet Ihr hier im Internet. Den ganzen Post der Geschäftsbetreiberinnen könnt Ihr hier auf Facebook nachlesen. Einen Bericht zum Thema „Verzicht auf Plastikmüll“, in dem auch der Mainzer Unverpackt-Laden vorkommt, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.