Nach dem Aus für die geplante Groß-Shopping-Mall an der Ludwigsstraße in Mainz stellt sich die spannende Frage: Wie geht es weiter an der LU? Im Stadtrat wurden am Mittwoch Wunden geleckt, die Bürgerinitiative Ludwigsstraße legte ihrerseits den Finger noch mal in diverse – und veröffentlichte nach dem Gutachten zur (Un)Verträglichkeit der Mall auch noch Verhandlungsprotokolle der Stadt Mainz mit den ECE-Oberen. Das Aus für das Projekt sei bereits spätestens im Sommer 2014 klar geworden, sagt die BI – Wirtschaftsdezernent Christopher Sitte (FDP) bestätigte Mainz& gegenüber genau das. Fragt sich doch: Warum hat es dann keiner gesagt?
Sitte stellte sich kurz am Rande der Stadtratssitzung am Mittwoch den Mainz&-Fragen – und gab offen zu, es habe sich ja schon im Sommer 2014 abgezeichnet, dass die Mall kleiner werde, weil ECE die nötigen Grundstücke nicht erwerben könnte. Damit hat also die Stadt ihre Bürger fast ein komplettes Jahr im Unklaren darüber gelassen, wie es an der LU weiter geht – das finden wir ein starkes Stück.
Sitte: Gutachten nicht vorgelegt, weil ECE-Scheitern schon 2014 klar wurde
Mehr noch: Weil sich ja das Scheitern der großen Lösung abzeichne, habe man „im Stadtvorstand beschlossen“, das Gutachten von Bulwiengesa zur Verträglichkeit einer Mall vorerst nicht den Gremien vorzulegen, sagte Sitte Mainz&. „Wir wollten keine akademische Diskussion führen“, begründete Sitte gegenüber Mainz& das Unter-Verschluss-Halten der Analyse, die der Shopping Mall bescheinigt, bis zu 70 Prozent ihres Umsatzes aus den umgebenden Geschäften abzuziehen. Die komplette, detaillierte Analyse könnt Ihr in diesem Mainz&-Artikel nachlesen – es lohnt sich.
Sitte sagte außerdem, die Beauftragung des Gutachtens habe der Wirtschaftsausschuss beschlossen. Zu den Kosten von 40.000 Euro sagte der Dezernent lediglich: „So viel kostet das.“ Die Stadt habe aber Vergleichsangebote eingeholt. „Ich finde es skandalös, dass die Fakten erst durch die BI veröffentlicht wurden“, kritisierte hingegen ÖDP-Stadtrat Claudius Moseler im Stadtrat das Verhalten der Stadtspitze: „Transparenz sieht anders aus.“
ÖDP fordert Runden Tisch und neues Lufo-Forum für Bürger – Grosse lehnt ab
Moseler forderte „möglichst schnell“ einen Runden Tisch mit allen Beteiligten. „Jetzt ist wieder alles bei Null, wir fangen wieder von vorne an, Stillstand ist das Ergebnis“, kritisierte der ÖDP-Chef, der übrigens schon immer gegen die ECE-Riesenmall war, aber kein Mitglied der BI LU ist. Deshalb brauche es auch ein neues Ludwigstraßen-Forum – in diesen Foren waren die Bürger beteiligt und die Leitlinien für den Bau an der LU entwickelt worden.
„Wir sind mitnichten beim Nullpunkt angelangt“, beschied ihn sehr kühl Bauderzenentin Marianne Grosse (SPD). Die Leitlinien würden weiter gelten, „die Lufos sind beendet“, sagte die Dezernentin. Doch so einfach kam sie nicht davon, prompt fragte nämlich Altstadt-Ortsvorsteher Brian Huck (Grüne), welche Leitlinien denn nun gelten würden, „wir haben schließlich Änderungen im Rat beschlossen.“ Wo er Recht hat…
CDU: Für den Stadtvorstand peinliches Ergebnis
An den Leitlinien müsse festgehalten werden, befand auch CDU-Bauexperte Gerd Eckhardt – und kritisierte ebenfalls schgarf, dass Rat und Öffentlichkeit ein ganzes Jahr lang in Unkenntnis der Entwicklung gehalten worden seien. „Für den Stadtvorstand ist es schon peinlich, dass er lange verhandelt und kein Ergebnis auf den Tisch gebracht hat“, kritisierte Eckhardt. Ein Plan B sei richtig und wichtig, die Stadt müsse offensiv ihre Interessen vertreten, gerade mit Blick auf das Stadtbild.
„Sie tun so, als müsste die Stadt jetzt ihre Hunderte Millionen Euro nehmen und dort bauen“, hielt ihm SPD-Fraktionschef Eckhart Lentsch entgegen, das „suggeriert eine völlige Verdrehung und Handlungsfreiheit, die wir doch gar nicht haben.“ Die Stadt habe doch gar nicht das Geld dafür, deshalb müsse man sich „mit jemandem einig werden, und das heißt: einen Kompromiss zu finden, der bereit ist zu investieren.“ Eine solche Aussage macht uns indes sehr misstrauisch – sie klingt uns allzusehr nach: Mach, was Du willst, Hauptsache, Du investierst! Und ja, das war jetzt ein Kommentar 😉
Grosse: ECE kann nichts bauen, was uns nicht passt
Dabei hatte Baudezernentin Grosse gerade noch in einem Interview mit der AZ persönlich betont, „dass ECE nichts bauen kann, was nicht zu unserem Ziel passt, die Innenstadt aufzuwerten.“ Und die Stadt werde „mit den übrigen Eigentümern in Kontakt treten“, denn: „Das Ziel muss sein, eine qualitativ hochwertige Lösung für das gesamte Quartier zu bekommen.“ Da fragen wir uns: Ja, was gilt denn nun? Die markigen Sprüche der Dezernentin? Der ins Spiel gebrachte Investor des OB? Die – mit Verlaub – devote Haltung gegenüber einem Investor, irgendeinem Investor?
Ebling: „Über Investor entscheidet nicht der Stadtrat“ – aber wer dann?
OB Ebling sagte dazu jedenfalls im Stadtrat dies: „Welcher Investor mit welchem Geld hier zukünftig investiert, das entscheidet nicht der Stadtrat.“ Aber wer, bitte, entscheidet es dann? Die „überwältigende Meinung dieses Rates“ sei nun einmal dafür, dass an der LU eine private Investition ermöglicht werde, bügelte Ebling den ÖDP-Mann weiter ab, da müsse sich Moseler jetzt mal entscheiden, „ob Sie weiter in der Ecke bleiben, die jedes Engagement ablehnt.“ Ah ja. Kritisiert man einen Investor, lehnt man gleich ein Engagement aller ab? Was soll das, Politik?
Und dann sagte Ebling auch noch: „Die Frage, wer die Planungshoheit hat, ist glasklar zu beantworten: dieser Rat.“ Der aber werde erst wieder informiert, „wenn wir Ergebnisse haben“, fuhr Ebling fort und betonte: „Ich bin froh um jeden Euro, den hier jemand investiert.“ Macht Euch da selbst einen Reim drauf, wer jetzt wofür zuständig ist.
BI: Verhandlungstroika der Stadt vergaloppierte sich auswegslos
Nachdem sich das Scheitern abzeichnete, habe sich „die Verhandlungstroika der Stadt in eine ausweglose Situation vergaloppiert“ und suche „nun einen Weg, einen Gesicht wahrenden Ausstieg hinzubekommen“, kommentierte die BI Ludwigsstraße die aktuelle Entwicklung. Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) habe auch im zweiten Anlauf im August 2014 nicht geschafft, die Änderungswünsche des Stadtrats bei ECE durchzusetzen, sagt die BI mit Verweis auf die Verhandlungsprotokolle: ECE habe jede weitere Kooperation verweigert und vielmehr „die Stadt und den Rat am Nasenring durch die Manege geführt.“
Über ein Jahr lang sei daraufhin nichts passiert, kritisiert die BI, ECE sei schlicht „auf Tauchstation“ gegangen. Tatsächlich hatten sich siet Sommer 2014 die Hinweise deutlich verdichtet, dass es mit den Grundstückskäufen nichts wird – doch von Seiten der Stadt wurde stets abgewiegelt. Die BI wirft Ebling nun vor, das Scheitern der Verhandlungen im August 2014 verheimlicht zu haben. Erst auf wachsenden Druck der Öffentlichkeit seien Stadt und ECE gezwungen gewesen, „die Flucht nach vorne zu ergreifen“ und das Scheitern zu verkünden.
Neubau für ganze 3,500 Quadratmeter mehr Fläche?
Dass nun angeblich eine Mall mit einer Größe von 16.000 Quadratmetern gebaut werden soll, hält die BI für verwunderlich. Schließlich belege Karstadt allein 12.500 Quadratmeter Fläche – und habe darüber einen „lang laufenden Mietvertrag“. „Der Zuwachs durch neue Läden und Gastronomie würde sich damit gerade mal auf 3.500 qm belaufen“, rechnet die BI vor und fragt: „Dafür Abriss und Neubau?“
Das klingt in der Tat alles andere als logisch. Die BI argwöhnt denn auch, ECE könne ganz andere Pläne haben – etwa, Karstadt wieder zu verkaufen. Damit aber bekäme die Aussage Eblings jüngst in einem Interview noch einmal neues Gewicht, bei der Ebling den Investor der „Neuen Mitte“ in Ingelheim ins Gespräch brachte… Stehen die Zeichen also auf einen kompletten Neuanfang an der LU? Und wer wäre der Nutznießer?
BI: Bauunternehmer Gemünden in den Startlöchern
Die BI hat bereits einen konkreten Verdacht: Der Ingelheimer Investor ist nämlich niemand anderes als die in Mainz bestens vernetzte Baufirma Gemünden/Molitor. Die habe rund um Karstadt bereits andere Liegenschaften gekauft und wolle nun auch die Deutsche Bank-Immobilie kaufen und dort Einzelhandel ansiedeln, sagt die BI. „Mit der Hamburger HBB – einem Projektentwickler wie ECE, nur kleiner – hat man bereits die „Neue Mitte Ingelheim“ gebaut, betont die BI, „nun könnte man doch die Expertise des Konsortiums auch der geplagten Stadt Mainz zugutekommen lassen.“ Und HBB habe Interesse…
Da passen doch wieder ein paar Puzzlestückchen zusammen, nicht wahr? Und wir haben Euch doch gesagt, der OB lässt das mit dem Ingelheimer Investor nicht einfach so fallen… wird hier klammheimlich ein Wechsel vorbereitet? „Jetzt – wo wieder alles stillsteht – würde der OB vermutlich allem zustimmen, um aus der selbstverschuldeten Lage wieder herauszukommen, bzw. drohende Imageschäden zu mindern“, meint die BI. Man könnte es aber auch positiv sehen: Will Ebling das Scheitern nutzen, um einer neuen Lösung den Weg zu bereiten? Nur: Was für eine Lösung wäre das?
Die BI verweist darauf: Würde aus dem Deutsche Bank-Gebäude doch noch eine Einzelhandels-Nutzung, kämen mit dem Karstadt-Gebäude und ein, zwei weiteren Grundstücken in der Nachbarschaft doch noch leicht 30.000 Quadratmeter Fläche zusammen. Damit aber bleibe die Analyse auf dem Bulwiengesa-Gutachten auch für die Zukunft relevant, betont die BI. Und sie beklagt, dass „Öffentlichkeit und auch die gewählten Ratsmitglieder“ über die Fortschritte in dem Projekt „nur spekulieren“ können – Transparenz sieht in der Tat anders aus.
Info& auf Mainz&: Die BI Mainzer Ludwigsstraße hat nicht nur das Bulwiengesa-Gutachten ins Netz gestellt, sondern auch eine ganze Reihe von Verhandlungsprotokollen zwischen ECE und der Stadt. Macht Euch selbst ein Bild – hier entlang.