Eine wahrhaft gespenstische Stimmung herrschte am Montag in Mainz: Am ersten Tag des verschärften Corona-Lockdowns waren kaum Menschen in der Innenstadt unterwegs, die Geschäfte zum Großteil dunkel, die Atmosphäre seltsam gedämpft. Doch Halt: Auf einmal biegen bunte Fahnen um die Ecke, eine Band in roten Jacken und Turnschuhe schleppt Equipment, Kameras richten sich auf Gesichter. Für einen kleinen Moment lugte die Fastnacht um die Ecke: Seit Sonntag dreht der SWR an den Wochenenden Musikvideos für die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“. „Ich glaube, das wird eine sehr emotionale Geschichte“, sagte Thomas Neger im Gespräch mit Mainz&, „besonders für die Mainzer Fastnachter.“

Närrische Farben mitten im Corona-Lockdown: Fahnenschwenker des MCV sorgten beim Dreh des SWR auf dem Theaterbalkon für Farbtupfer. - Foto: Uta Meyer/ SWR
Närrische Farben mitten im Corona-Lockdown: Fahnenschwenker des MCV sorgten beim Dreh des SWR auf dem Theaterbalkon für Farbtupfer. – Foto: Uta Meyer/ SWR

Die Corona-Pandemie macht der Fastnachtskampagne 2021 gründlicher den Garaus, als sich das vor einem Jahr jemals ein Mainzer hätte vorstellen können. In diesen Tagen würden in den Sälen eigentlich Fastnachtssitzungen proben, Redner in der Bütt ihre Verse ins närrische Volk schmettern, Balletts wirbeln, Chöre aus voller Kehle singen – nichts davon kann derzeit wegen Lockdown und Kontaktbeschränkungen stattfinden. Die Mainzer Fastnachter leiden. „Entzugserscheinungen? Definitiv“, sagt Thomas Neger, „massiv…“

Es ist ein Abend mitten in dem, was eigentlich die Kampagne wäre, aber Thomas Neger werkelt zuhause in seiner Küche herum – und hat Zeit für ein Interview. „Im Zweifelsfall würde ich jetzt auf einer Bühne stehen“, sagt Neger, der seit Jahren mit seiner Band „Die Humbas“ durch die Fastnachtssäle von Mainz zieht. „Zwischen 40 und 50 Termine haben wir so pro Kampagne“, erzählt Neger. Fastnachtssitzungen, Bälle, Kneipen und schließlich die große Fernsehsitzung, überall sorgen die „Humbas“ mit Hits wie „Wenn Margit singt“ und natürlich dem ewigen „Im Schatten des Doms“ für gute Laune – in normalen Jahren.

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Thomas Neger und seine Humbas mit Masken auf dem Theaterbalkon mit Blick auf den Mainzer Dom. - Foto: Johannes Musseleck
Thomas Neger und seine Humbas mit Masken auf dem Theaterbalkon mit Blick auf den Mainzer Dom. – Foto: Johannes Musseleck

Nichts ist normal im Jahr 2021. Die Fastnachtskampagne ist weitgehend abgesagt, Umzüge und Events gestrichen, die Rosenmondnacht ebenso wie schon die Party zum 11.11. auf dem Schillerplatz. Trotzdem kündigte der SWR Mitte Dezember mutig an: Die Fernsehsitzung „Mainz bleibt Mainz“ findet statt. Am Fastnachtsfreitag, dem 12. Februar 2021, wird es deshalb eine Sendung der besonderen Art geben: Eine Fastnachtssitzung ohne Einmarsch oder Publikum, aber aus dem Saal des Kurfürstlichen Schlosses in Mainz, mit Rednern auf der Bühne, aber ohne Livemusik – die Spannung ist groß, wie das gehen soll.

„Diese Kombi mit Rednern so ganz nackig ohne Publikum, wie das dieses Jahr angeboten werden muss, finde ich grenzwertig“, sagt Neger, „auch für uns als Band ist das ganz schwer, uns da hinzustellen und Laune zu verbreiten, wenn so gar nichts zurückkommt.“ Die Humbas hätten deshalb auch zuerst dem SWR absagen wollen, als der mit der Bitte kam, ein Musikvideo zu drehen. Der zuständige Redakteur Norbert Christ habe aber „schwer gekämpft“, verrät Neger, das Hauptargument sei gewesen: „Den Menschen fällt die Decke komplett auf den Kopf, denen müssen wir was anbieten.“

Dreharbeiten mit Blick auf den Mainzer Dom: Die Humbas im Fokus der SWR-Kameras. - Foto: Uta Meyer/SWR
Dreharbeiten mit Blick auf den Mainzer Dom: Die Humbas im Fokus der SWR-Kameras. – Foto: Uta Meyer/SWR

Neger und seine Humbas ließen sich überzeugen: „Der Frohmut und die Lebensfreude sterben in Mainz nicht, wir müssen da die Fahne hochhalten“, findet Neger inzwischen. Am Sonntag drehten sie also auf dem Liebfrauenplatz vor dem Dom, in aller Frühe, um nur ja keinen Menschenauflauf zu verursachen. Am Montag dann ging es zum Osteiner Hof und auf den Balkon des Staatstheaters mit seinem grandiosen Blick auf den Dom. „Wir hatten unfassbares Glück, wir hatten ja richtiges Kaiserwetter“, sagt Neger.

Mit dabei auch ein paar Fahnenschwenker des Mainzer Carneval-Vereins (MCV), natürlich sei das aufgefallen: „Jeder, der vorbeikam, hat das Handy gezückt, und das festgehalten“, erzählt Neger. Man habe deutlich gemerkt, wie sehr schon dieser kleine Farbtupfer Freude bereitet habe. In den Autos habe man grinsende Gesichter gesehen, lustige Kommentare wie „Oh, es gibt doch einen Zug!“ seien gefallen, oder: „Die Mainzer lassen sich doch die Fastnacht nicht nehmen!“

Die "Humbas" mit Thomas Neger in der Mitte 2020 live auf der Bühne bei "Mainz bleibt "Mainz". - Foto: gik
Die „Humbas“ mit Thomas Neger in der Mitte 2020 live auf der Bühne bei „Mainz bleibt „Mainz“. – Foto: gik

Auf die Sendung „Mainz bleibt Mainz“ schaut Neger inzwischen mit großer Spannung: „Ich glaube, das kann gut werden, und auf jeden Fall wird es spannend“, sagt der Sänger. So vieles gebe es zum ersten Mal: „Dass ‚Mainz bleibt Mainz‘ mal nicht live ausgestrahlt wird, das hätte ich mir nicht vorstellen können“, betont Neger – nun ist es so weit. Die Redner sollen sich abwechseln mit Musikclips, die vorher gedreht wurden, die Humbas werden mit zwei Titeln vertreten sein, verrät Neger. Gedreht wird aber auch mit Thorsten Ranzenberger und den Schwellköppen, alle Drehs seien unter scharfen Corona-Auflagen absolviert worden, Maske und Abstand selbstverständlich genau eingehalten worden.

„Es wird ein absolutes Überraschungspaket“, sagt Neger gespannt: Im Gegensatz zur sonstigen Fernsehsitzung kenne in diesem Jahr ja niemand vorher die Vorträge und Auftrittsnummern – sonst touren die Auftretenden ja wochenlang vorher durch die Fastnachtssäle. „Das birgt ja auch enorme Chancen mal zu sagen, wir probieren mal was“, sagte Neger, „Du hast da auch ein bisschen Narrenfreiheit, weil es eine besondere Situation ist.“

Florian Sitte brillierte in den vergangenen Jahren als "Angela Merkel" - das Coronajahr wäre ja ein guter Anlass für die Rückkehr der Kanzlerin. - Foto: gik
Florian Sitte brillierte in den vergangenen Jahren als „Angela Merkel“ – das Coronajahr wäre ja ein guter Anlass für die Rückkehr der Kanzlerin. – Foto: gik

Der SWR hat angekündigt, bekannte Redner mit viel Erfahrung einsetzen zu wollen, auch weil man die ungewöhnliche Situation nicht jedem Unerfahreneren zumuten könne. Die politisch-literarische Fastnacht werde stattfinden, die Redner sich humorvoll mit dem Thema Corona beschäftigen, aber auch andere wichtige Themen des Jahres „aufpieksen“, so das Versprechen. Garniert wird die Sendung mit bekannten Hits, gedreht an bekannten Mainzer Orten.

„Ich glaube, das wird eine sehr emotionale Geschichte – für die Mainzer Fastnachter sowieso“, sagt Neger, denn schließlich werde „Mainz bleibt Mainz“ wohl eine der ganz wenigen neu produzierten Fastnachtssitzung im Jahre 2021 im Fernsehen sein. Bislang haben nur die Franken angekündigt, ihre „Fastnacht in Franken“ zelebrieren zu wollen – auch das in anderer Form als sonst.

Auch durch das andere "Mainz bleibt Mainz" 2021 wird Sitzungspräsident Andreas Schmitt führen - und sicher auch als Obermessdiener in die Bütt steigen. - Foto: gik
Auch durch das andere „Mainz bleibt Mainz“ 2021 wird Sitzungspräsident Andreas Schmitt führen. Wetten dass, er auch als Obermessdiener in die Bütt steigt? – Foto: gik

Die Einmaligkeit biete enorme Chancen für die Zuschauerreichweite, glaubt Neger: „Da sitzen dann die, die „Mainz bleibt Mainz“ immer gucken, aber eben auch die, die sonst unterwegs gewesen wären und gefeiert hätten“, rechnet Neger vor „Die Karnevalisten bundesweit, die werden alle vor der Glotze sitzen“, schätzt er, dazu dann vielleicht noch ein paar Unentschlossene, die aus lauter Corona-Langeweile vorbeischauten. „Du hast die Chance, um 20.15 Uhr ein Riesenpublikum zu erreichen“, glaubt Neger – das könne ja eventuell auch ein paar neue, jüngere Zuschauer überzeugen, auch in den Folgejahren wieder einzuschalten. „Vielleicht wird es dann auch mal für Jüngere ein Event, Freitags die Sitzung zu gucken“, sagt Neger.

Fest steht für ihn und seine „Humbas“ inzwischen deshalb auch: „Es ist extrem wichtig, dass die Fernsehsitzung stattfindet – mit der Message: Das wird das einzige Lebenszeichen aus Mainz in der Fastnachtskampagne sein“, sagt Neger: „Das wollen wir deshalb auch unterstützen – deshalb machen wir mit.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Konzept von „Mainz bleibt Mainz“ in der Corona-Fastnachtskampagne 2021 lest Ihr hier bei Mainz&.

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