Es war ein höchst emotionales Gedenken: Am Freitagabend haben Hunderte auf dem Mainzer Markt des Ausbruchs des Ukrainekrieges vor genau einem Jahr gedacht. Im Schatten des Doms wurden ukrainische Fahnen geschwenkt und ukrainische Lieder gesungen, auf Plakaten hieß es: „Stoppt Putin!“ Mit Fotos erinnerten Ukrainer an russische Kriegsverbrechen in Butcha und Zhytomyr, Gostomel, Irpin und Mariupol. Besonders emotional: „Danke Deutschland, Danke Mainz“, skandierten die hier lebenden Ukrainer minutenlang. Innenminister Michael Ebling (SPD) versicherte, die Unterstützung für die Ukraine werde nicht aufhören: „Wir verteidigen gemeinsam Freiheit und Demokratie.“
Vor genau einem Jahr, am 24. Februar 2022, begann in den frühen Morgenstunden der völkerrechtswidrige Überfall Russlands auf die Ukraine. Ab 4.00 Uhr morgens regnete es Bomben auf ukrainische Städte, Russland griff das vormalige „Bruderland“ von vier Seiten aus an. Das vorgebliche Ziel: Die Ukraine von „Nationalsozialisten zu befreien“ – das eigentlich Ziel: Die Ukraine einem neuen groß-russischen Reich einzuverleiben. Der russische Präsident Wladimir Putin spricht der Ukraine das Recht auf einen eigenständigen Staat und eine eigenständige Identität ab, seit einem Jahr kämpfen die Ukrainer nun um ihr Überleben.
Seither sind nach Angaben der Vereinten Nationen rund 180.000 russische Soldaten und rund 100.000 ukrainische Soldaten in einem Krieg gefallen, der von russischer Seite als unbarmherziger Vernichtungskrieg geführt wird: Russland bombardierte von Anfang an nicht nur militärische Ziele, sondern zivile Wohnvierte, Schulen und sogar Krankenhäuser. Ziel der Russen ist offenbar, die gesamte Infrastruktur der Ukraine zu zerstören, ganze Städte werden in Schutt und Asche gebombt, Energieversorgungseinrichtungen massiv zerstört. Alles das sind nach der UN-Chartas Kriegsverbrechen – Russland schert das nicht.
Fotos erinnern an Vergewaltigungen, Folter, Morde der Russen
Die UN zählte bislang 8000 zivile Opfer in der Ukraine, darunter auch Hunderte Kinder. 14 Millionen Menschen sind aus der Ukraine vor dem krieg geflohen, die meisten Frauen und Kinder – rund 1,1 Millionen davon sind nach Deutschland gekommen. Nach Mainz kamen bislang rund 2.300 Flüchtlinge aus der Ukraine, viele davon trafen sich am Freitagabend auf dem Mainzer Marktplatz, um an den Ausbruch des Krieges vor einem Jahr, den Verlust ihrer Heimat, aber auch an die schrecklichen Kriegsverbrechen Russlands wie Vergewaltigungen, Folter und Verschleppungen vieler Ukrainer nach Russland zu erinnern. „Russland ist ein Terrorstaat“, riefen sie.
Es wurde ein höchst emotionales Gedenken: „Heute vor einem Jahr, war ein schrecklicher Tag, den wir alle niemals vergessen werden“, sagte eine Rednerin der ukrainischen Gemeinde in Mainz. 365 Tage Krieg, das seien 8.760 Stunden Trauer und Kummer. Doch trotz Dunkelheit, Kälte und Raketenbeschuss „bleiben die Ukrainer bis heute standhaft und kämpfen unermüdlich weiter um ihre Freiheit und die Solidarität der Ukraine“, so die Rednerin weiter. Alle Teile der Ukraine hätten sich vereint, um unsere Freiheit und unsere demokratischen Werte zu verteidigen.
Wir sind überwältigt von der Hilfsbereitschaft und der Unterstützung der gesamten freien Welt“, betonten sie zudem. „Man sei heute gekommen, um der Opfer des Krieges zu gedenken – „aber auch, um Danke zu sagen“, betonten die Vertreter der ukrainischen Gemeinschaft.: „“Denn dass sich die Ukraine verteidigen kann, verdanken wir der westlichen Hilfe.“ Man verdanke es der Hilfe aus Deutschland, aber auch Hilfsorganisationen sowie „der großartigen Unterstützung vieler einfacher Menschen“ aus Mainz und Umgebung, sagte Vertreterinnen des Ukrainischen Vereins in Mainz.
Ebling: „Wir verteidigen gemeinsam die Freiheit“
Es seien die Hilfslieferungen und die militärische Unterstützung, die der Ukraine den Widerstand ermöglichten, aber auch die Aufnahme der geflüchteten Ukrainer in den Häusern und Herzen der Deutschen. Und dann skandierte die Menge minutenlag: „Danke Deutschland! Danke Mainz!“ Es war ein Gänsehautmoment, und es war Innenminister Michael Ebling (SPD), der ausdrückte, was wohl die meisten Deutschen in diesem Moment dachten: „Es gibt nur eine Botschaft, die wir heute Abend haben: Russland und die russische Regierung soll diesen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg sofort beenden, und das Ukrainische Volk in Freiheit und in Frieden leben lassen!“
„Wir sind auch hier, weil wir traurig sind“, sagte Ebling weiter: „Traurig über die, die bei dem russischen Angriffskrieg ihr Leben verloren haben.“ Und der Innenminister versprach: Diejenigen, die diese Kriegsverbrechen zu verantworten hätten, würden zur Rechenschaft gezogen, „vorher geben wir keine Ruhe, bevor diese Kriegsverbrechen geahndet sind.“ Deutschland und Mainz wolle aber auch den Ukrainern „einen großen Respekt zollen“, betonte Ebling weiter: „Ein so tapferes Volk, das der übermächtigen Gewalt Russlands die Stirn bietet, das sich nicht zurückdrängen lässt. Das seinen Stolz bewahrt, seine Liebe zur Heimat, und das sein Land so tapfer verteidigt.“
In diesem Krieg zu helfen, sei nicht nur eine Frage der Humanität, sagte Ebling weiter: „Dieser Krieg hat uns längst erreicht.“ Das sei durch die Einflussnahme auf die Energieversorgung in Deutschland, aber auch durch die sogenannte „Zeitenwende“ spürbar. Und Deutschland werde weiter an der Seite der Ukraine stehen: „Wir verteidigen gemeinsam die Freiheit, wir verteidigen gemeinsam den Frieden, und wir verteidigen gemeinsam die Demokratie“, unterstrich Ebling, „das ist unser gemeinsamer Auftrag in dieser Stunde, wo Russland weiter mit Waffen gegen die Demokratie, die Freiheit und den Frieden streitet.“
Ukrainischer Botschafter kommt nach Mainz: Rede im Landtag
Am Morgen hatte bereits auch die Bundesregierung mit einer zentralen Veranstaltung im Schloss Bellevue des Jahrestags des Überfalls auf die Ukraine gedacht. „Deutschland ist nicht im Krieg, aber dieser Krieg geht uns an“, sagte Bundespräsident Frank Walter Steinmeier dabei. Bestrebungen, der Ukraine Aufgabe und Unterwerfung zu empfehlen, erteilte Steinmeier eine klare Absage: „Den Frieden ersehnen sich viele Menschen in diesen Tagen“, sagte der Bundespräsident: „Doch ein Scheinfriede, der nur Putins Landraub belohnt, und die Menschen der Willkür der Besatzer überlässt, so ein Friede wird kein Friede sein.“
Auf allen öffentlichen Gebäuden wehten zudem am Freitag ukrainische Fahnen, auch in Mainz. Der russische Angriffskrieg habe für die Ukrainer „unermessliches Leid gebracht“ und „die Welt, Europa und uns verändert“, hatte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) am Vorabend des Jahrestages gesagt. Der Krieg, der nur 15 Autostunden von Mainz entfernt stattfinde, richte sich gegen Frieden, Freiheit und Menschenwürde, also gegen alles, was die Demokratie ausmache, betonte Dreyer: „Mit dem Angriff auf die Ukraine wurde auch unsere demokratische Lebensweise, unsere Rechtstaatlichkeit und unsere Gewaltenteilung angegriffen.“ Solidarität mit der Ukraine sei die Antwort darauf.
Am 15. März wird der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev zu einem Antrittsbesuch nach Mainz kommen, und im Landtag Rheinland-Pfalz vor den Abgeordneten und den Mitgliedern der Landesregierung zur Lage in der Ukraine sprechen. Landtagspräsident Hendrik Hering verurteilte „die andauernde kriegerische Aggression sowie die Lügen und Täuschungen des russischen Präsidenten Wladimir Putin“ deutlich. Putin habe sich damit von den in der Präambel der UN-Charta genannten Idealen der Gleichberechtigung aller Nationen und des Zusammenlebens als gute Nachbarn in Frieden miteinander verabschiedet. Putin aber habe „die Kraft der Demokratie unterschätzt“, fügte Hering hinzu.
Rund 1,5 Stunden dauerte die Kundgebung am Freitagabend auf dem Markt in Mainz, bei der auch ukrainische Lieder gesungen wurden – ein Video dazu findet Ihr hier auf dem Mainz&-Facebook-Account. Besonders begehrt am Rande der Veranstaltung: Fotos mit dem ukrainischen Friedensengel, einer Frau mit Flügeln in der Farbe der Ukraine, Gelb und Blau. Der Wunsch nach Frieden – er ist übermächtig nach einem Jahr des verheerendes Vernichtungskrieges. Doch der Wille der Ukrainer, ihr Land zu verteidigen, ist ungebrochen – immer wieder schallte ein Ruf über den Platz: „Slava Ukraini“, Ehre und Ruhm der Ukraine.
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