Mainz& exklusiv: Angriff aus dem bürgerlichen Lager: Die Landeshauptstadt Mainz hat einen weiteren Akteur auf der politischen Bühne. Die Freien Wähler gründeten am Dienstagabend einen Kreisverband Mainz, damit stellt sich die bisherige Wählervereinigung für die kommenden Wahlen schlagkräftiger auf. Auch bei der anstehenden OB-Wahl will man gleich mitmischen: Einstimmig votierte der neue Kreisverband dafür, den Kandidaten Nino Haase zu unterstützen. Haase sagte auf der Versammlung, das Motto „Machen, statt Meckern“ passe gut zu seiner Kampagne und kritisierte das „ideologische Mauern“ in der Mainzer Stadtpolitik. Parteilos will er trotzdem bleiben.

Wahlplakat der Freien Wähler bei der Kommunalwahl in Mainz 2019. - Grafik: Freie Wähler
Wahlplakat der Freien Wähler bei der Kommunalwahl in Mainz 2019. – Grafik: Freie Wähler

Um 20.22 Uhr war es so weit: 15 Anwesende aus Mainz und Umgebung stimmten einhellig für die Gründung eines Kreisverbandes der Freien Wähler in Mainz. Bislang waren die Freien Wähler in der Landeshauptstadt eine Wählervereinigung in Vereinsform, jedoch keine Partei im Sinne des deutschen Parteiengesetzes – das ändert sich nun. Hintergrund ist die Gründung eines Landesverbandes der Freien Wähler im Mai 2010, laut dem Internetlexikon Wikipedia haben die Freien Wähler in Rheinland-Pfalz mittlerweile 400 Mitglieder.

Die Freien Wähler verstehen sich als bürgerlich-pragmatische Partei, die aus den Kommunen heraus Politik gestalten will, ihr bisher größter Erfolg war der Einzug in den rheinland-pfälzischen Landtag bei der Landtagswahl 2021 mit 5,4 Prozent. Seither sind die Freien Wähler mit sechs Abgeordneten im Mainzer Landtag vertreten und machen dort mit viel Schwung, pragmatischen Anträgen sowie der intensiven Arbeit im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal auf sich aufmerksam.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

 

Nun wollen die Freien Wähler auch in der Landeshauptstadt verstärkt angreifen: „Freie Wähler können Kommunales“, sagte Landesvorsitzender Wefelscheid am Dienstagabend, und verwies selbstbewusst auf eine Erfolgswelle der noch jungen Partei in Rheinland-Pfalz: Man stelle bereits mehrere Bürgermeister, in Koblenz halte man sogar die zweieinhalbfache Sitzanzahl im Vergleich zur FDP, betonte Wefelscheid selbstbewusst: „Wir wollen schauen, ob wir das hier auch aufs Pferd setzen können.“

Gründungsversammlung des Kreisverbandes Mainz der Freien Wähler mit FW-Landeschef Stephan Wefelscheid (Mitte). - Foto: gik
Gründungsversammlung des Kreisverbandes Mainz der Freien Wähler mit FW-Landeschef Stephan Wefelscheid (Mitte). – Foto: gik

Es ist ein Kampfangriff auf das bürgerliche Lager von FDP und CDU – aber nicht nur: Auch die Wählerschaft von SPD und Grünen nehmen die Freien Wähler ins Visier. Bislang allerdings hatten die Freien Wähler als verein in der Landeshauptstadt nicht viel reißen können: Mit gerade einem Sitz sind sie im Mainzer Stadtrat vertreten, bei der Kommunalwahl 2019 kamen sie auf gerade einmal 1,9 Prozent. Nun aber sehe man Chancen für eine pragmatische, bürgernahe Politik in Mainz, hieß es am Dienstagabend – die nächste Kommunalwahl steht 2024 an.

„Unser Ziel in Mainz muss es sein, die Ampel abzuwählen“, kündigte Christian Weiskopf am Dienstagabend an. Der 48 Jahre alte Bauingenieur aus dem Mainzer Stadtteil Bretzenheim wurde am Dienstag mit 14 Ja-Stimmen und bei einer Enthaltung nahezu einstimmig zum neuen Kreisvorsitzenden für Mainz gewählt. „Dogmatismus und Dilettantismus prägen die Ampel“, schimpfte Weiskopf mit Blick auf die Arbeit von Grünen, SPD und FDP im Mainzer Stadtrat und Stadtvorstand.

 

Trotz starker Grüner plane die Ampel, knapp 70.000 Quadratmeter der Frischluftschneise auf den Feldern am Europakreisel mit einem Gewerbegebiet „zuzupflastern, und zwar vier Stockwerke hoch“, kritisierte Weiskopf in seiner Bewerbungsrede. Auch in der Schulpolitik liegt „einiges im Argen“, viele Probleme würden von der Ampel überhaupt nicht angegangen. Auch die Verkehrspolitik sei ideologisch, aber nicht pragmatisch: „Das hat nichts mit Klimaschutz zu tun, sondern nur mit Auto Vergrämen – mehr nicht“, schimpfte Weiskopf.

Der neue Kreisvorstand Mainz der Freien Wähler, von links: Vize Peter Rosenhayn, Schatzmeisterin Isabella Rosenhayn, Kreischef Christian Weiskopf sowie die Vize Victoria Wruuck und Michael Schwarz. - Foto: gik
Der neue Kreisvorstand Mainz der Freien Wähler, von links: Vize Peter Rosenhayn, Schatzmeisterin Isabella Rosenhayn, Kreischef Christian Weiskopf sowie die Vize Victoria Wruuck und Michael Schwarz. – Foto: gik

Zu stellvertretenden Kreisvorsitzenden wählte die Versammlung im Anschluss Victoria Wruuck, Michael Schwarz und Peter Rosenhayn. Die 38 Jahre alte Juristin Wruuck wurde in Barcelona geboren, wuchs aber in Ingelheim auf und studierte in Mainz Jura, bevor sie als Juristin unter anderem im Rechtsamt des Kreises Mainz-Bingen sowie in der Hessischen Landesregierung arbeitete. Wruuck ist aktuell Justiziarin der Freien Wähler im Landtag, sie wolle „meiner Stadt etwas zurückzugeben, nachdem ich die Probleme gesehen habe“, betonte sie.

Der Bankbetriebswirt Michael Schwarz kommt aus Marienborn, der 44-Jährige arbeitet als Business Analyst im Bereich IT bei der Areal Bank in Mainz und ist seit 2021 Mitglied der Freien Wähler. „In Mainz gibt’s viel zu tun, die Verwaltung ist nicht die effektivste“, sagte Schwarz in seiner Bewerbungsrede: „Da möchte ich meinen Beitrag leisten, die Verwaltung auf Trab zu bringen.“

 

Der 49 Jahre alte Peter Rosenhayn war 24 Jahre lang Mitglied der SPD, er habe sich von den Sozialdemokraten entfremdet, erklärte er: „Mich hat abgeschreckt, dass wir uns als Eltern Kitaplätze einklagen mussten“, kritisierte der Betriebswirt, der bei der Bankaufsicht BaFin arbeitet. Im erweiterten Vorstand sind zudem als B4eisitzer unter anderem der Bundestagkandidat der Freien Wähler von 2019, Gerhard Wenderoth, die Hechtsheimer Stadtratskandidatin Heike Leidinger-Stenner sowie Stadtrat Erwin Stufler vertreten.

Haase: „Die Freien Wähler sind ein Startup“

Nino Haase tritt erneut als OB-Kandidat in Mainz an - als Parteiloser. - Foto: Nino Haase
Nino Haase tritt erneut als OB-Kandidat in Mainz an – als Parteiloser. – Foto: Nino Haase

Die erste größere Entscheidung des neuen Kreisverbandes betraf aber direkt die anstehende OB-Wahl: Einstimmig beschlossen die Freien Wähler, bei der Wahl Nino Haase zu unterstützen. „Die Freien Wähler sind ein Startup“, warb Haase am Dienstagabend um Unterstützung: „Startups sind unkonventionell, ecken oft auch an und haben keine festen Feierabendzeiten – sie sind offen für neue Ideen und bleiben pragmatisch. Genau dafür möchte ich auch wieder antreten: für eine pragmatische Politik, die gut ist für Mainz.“

Das Motto der Freien Wähler, „Machen, statt Meckern“, passe sehr gut dazu, sagte Haase weiter: „Das wünschen sich 60 Prozent der Menschen in Deutschland, viele trauen mittlerweile keiner Partei mehr zu, Probleme zu lösen.“ Er selbst wolle in Mainz „für eine neue politische Form der Bürgerbeteiligung antreten“, betonte Haase. Es gehe darum, den Menschen etwas zuzutrauen, die Bürger wirklich mitzunehmen und aktuelle Themen voranzutreiben.

 

„Ich glaube wirklich, dass es dieses Mal in dieser Stadt eine unglaublich große Chance gibt, eine unabhängige Stadtspitze etablieren zu können“, sagte Haase mit Blick auf den kommenden Wahlkampf. Der wird nötig weil der bisherige Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) überraschend am 13. Oktober zum Innenminister von Rheinland-Pfalz berufen wurde, nachdem sein Vorgänger Roger Lewentz (SPD) wegen des Krisenmanagements in der Flutkatastrophe im Ahrtal zurückgetreten war. Die Neuwahl des Stadtoberhaupts soll nun am 12. Februar 2023 stattfinden, bislang haben sechs Kandidaten und Kandidatinnen ihren Hut dafür in den Ring geworfen.

Einstimmig votierten die Freien Wähler für die Unterstützung von Nino Haase im OB-Wahlkampf. - Foto: gik
Einstimmig votierten die Freien Wähler für die Unterstützung von Nino Haase im OB-Wahlkampf. – Foto: gik

Haase betonte, er wolle auch weiter als parteiloser Kandidat für alle Bürger antreten. Er sei überzeugt, dass gerade ein überparteilicher Oberbürgermeister in Mainz viel bewegen könne. „Ein parteiloser Kandidat – das klingt immer so, als wäre das schlimm“, sagte Haase, „ich sehe das nicht so.“ Er sei überzeugt, dass die Lösung eines überparteilichen Oberbürgermeisters aus verschiedensten Parteien Zustimmung finde. „Das ist kein Weg gegen die Parteien, sondern eine moderne, überparteiliche Lösung, etwas Moderierendes, was die Stadtpolitik in Mainz voranbringen kann“, betonte der 39-Jährige.

In Mainz gebe es jetzt die große Chance, „die historischen Narben der Stadt“ zu heilen, „wir können Mainz wirklich zu einer starken und unabhängigen Stadt entwickeln“, versprach Haase. Es gehe darum, „ein neues Mainz politischer Art zu entwickeln.“ Dafür brauche es aber „mehr als das Drehen um den eigenen Posten“, stichelte Haase in Richtung der Ampel: Dafür brauche es pragmatische Politik, jemanden mit Unternehmergeist und  – wegen der Ausrichtung als Biotechnologie-Standort – „jemanden mit naturwissenschaftlichen Kompetenzen“, warb Haase, der promovierter Chemiker ist.

„Und es braucht jemanden, der in die Stadt hineinhört und hört, was für die Stadt, was für die Mainzer wichtig ist“, betonte Haase weiter. Auch künftig solle der Oberbürgermeister in Mainz „immer bei einem Glas Wein zur Verfügung stehen“, fügte er hinzu: „Es soll sich ja nicht alles ändern.“ Haase muss allerdings für seine Kandidatur noch die Stimmen von mindestens 200 Unterschriften von Wahlberechtigten aus Mainz sammeln, kommenden Samstag, den 12. November 2022, laden Haase und nun auch die Freien Wähler deshalb zum Wahlkampfauftakt auf den Gutenbergplatz in Mainz.

Info& auf Mainz&: Die bisherige Homepage der Freien Wähler in Mainz (dem Verein) findet Ihr hier im Internet, den Auftritt von Nino Haase zur OB-Kandidatur findet Ihr hier. Alle Informationen und Hintergründe sowie die neuesten Entwicklungen zur OB-Wahl in Mainz findet Ihr hier in unserem Mainz&-OB-Wahldossier.