Die Debatte um Kitaessen ist nicht neu, vor einem Jahr setzte der Stadtrat eine Arbeitsgruppe zu dem Thema ein – das Ziel: Kinder in den Einrichtungen der Stadt flächendeckend mit frisch gekochtem Essen versorgen. Die grüne OB-Kandidatin Tabea Rößner will das Thema im Fall ihrer Wahl zur Chefsache machen: Sie wolle einen Ernährungsrat ins Leben rufen, der helfen solle, die Verpflegung in den Kitas mit gesunden und frischen Lebensmitteln zu organisieren, sagte Rößner im Gespräch mit Mainz&. Gesunde Ernährung sei gerade im Kindesalter enorm wichtig und präge für den Rest des Lebens. Die Stadt könne durch Ausschreibungen hier viel steuern – oder auch einen Anbieter in zentraler Lage von Mainz mehrere Kitas bekochen lassen.
Die Herausforderung ist riesig: 122 Kindertagesstätten hat Mainz derzeit, 56 befinden sich davon in der Hand der Stadt. Rund 9.000 Betreuungsplätze stehen in der Stadt zur Verfügung – und Mainz baut ständig weitere Kitas. Um das Mittagessen in diesen Einrichtungen gibt es immer wieder Ärger, das Essen kommt von Großküchen, wird dort schockgefrostet und dann nach Mainz ausgeliefert. Es könne doch nicht sein, „dass in Mannheim gekocht wird und das Essen hierher transportiert wird“, kritisierte nun die grüne OB-Kandidatin Tabea Rößner im Gespräch mit Mainz&. Dabei entstehe zudem ein riesiger Müllberg.
Regionale Erzeuger, biologische oder nachhaltig erzeugte Lebensmittel, das sei es doch, was in Kitas auf den Tisch kommen müsse, forderte Rößner. Und das Ganze frisch zubereitet mit Mixer, Pürierstab und Co. Dafür sollte man möglichst auf die Qualität der Küchengeräte achten und beispielsweise den besten Pürierstab kaufen. Schuleingangsuntersuchungen in Rheinland-Pfalz zeigten, dass 5,8 Prozent der Kinder übergewichtig seien, im Kindesalter aber werde die Grundlage für gesunde Ernährung gelegt. „Es ist ganz entscheidend, wie sich Kinder ernähren, das wirkt sich eben auch auf die weitere Entwicklung aus“, betonte Rößner: „Das Thema treibt die Leute wirklich um.“
Zudem gehe es ihr nicht nur ums gesundes Essen, sondern auch um die Essenskultur und das gemeinsame Erleben, betonte die Politikerin: „Es ist enorm wichtig, dass Kinder gesundes Essverhalten lernen, aber auch dass man ihnen vermittelt, woher das Essen kommt und wie gemeinsam gekocht wird – und dass Essen nicht nur aus Aluschälchen kommt.“ Sie selbst habe das bei ihren Töchtern miterlebt: „Ich war in einer Elterninitiative aktiv, die das Essen für die Kinder selbst gekocht hat“, erzählte Rößner. Das gemeinsame Kochen sei für die Kinder immer ein besonderer Höhepunkt gewesen. Zu dem Ansatz habe auch gemeinsames Einkaufen oder der Besuch bei lokalen Landwirten gehört.“
„Ganz nebenbei und spielerisch lernen die Kinder noch eine Menge über die Lebensmittel, deren Herkunft, Herstellung und die Natur“, sagte Rößner. In Mainz-Finthen gebe es hingegen eine Kita, die ihre Brötchen „nicht mehr beim Bäcker um die Ecke holen dürfen, die kommen jetzt aus Wiesbaden“, berichtete Rößner. Ein Ernährungsbeirat könne die lokalen Akteure an einen Tisch holen und Projekte zu gesundem Essen entwickeln helfen. Aber auch die Stadt habe Stellschrauben in der Hand: „Bei den Ausschreibungen kann man Standards setzen“, sagte Rößner, darüber könne sehr viel gesteuert werden.
„Jede Kita, die neu gebaut wird, sollte eine Küche bekommen“, fordert Rößner zudem. Weil es aber nicht in jeder Kita eine Küchen geben könne, sei eine Idee, einen Anbieter vor Ort in Mainz zu haben, der frisch für mehrere Kitas koche. „Das wäre schon mal ein Schritt in die richtige Richtung“, betonte sie. Genau darauf hatte vor einem Jahr auch ein Bündnis aus Stadtelternausschuss, Gewerkschaft GEW, Linke und ÖDP gedrungen, Stadtelternausschuss und GEW hatten vor der Stadtratssitzung im September 2018 eindringlich an den Rat appelliert, einen Grundsatzbeschluss pro Frischeküchen zu fassen.
„Die Zeit drängt“, betonte der damalige Linksfraktionschef Jasper Proske: Die Stadt baue in den kommenden Jahren 20 Kitas, die zum Teil schon geplant seien – und das ohne Frischeküchen. „Das werden dann 75 fertige Kitas ohne Frischeküche sein“, sagte Proske,. und befürchtete, das werde „der Todesstoß für das Konzept.“ SPD, Grüne und CDU beschlossen hingegen, erst einmal eine Arbeitsgruppe einzusetzen. Diese solle „durch das Sammeln von Informationen und das Entwickeln von Szenarios uns einen guten Weg aufzeigen, Frischekost in den Kitas einzuführen“, sagte SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers vor einem Jahr. Es stellten sich noch viele Fragen vor der Umsetzung, das Essen müsse bezahlbar bleiben, die Kommunalaufsicht ADD zustimmen.
Es habe viel Klärungsbedarf zu verschiedensten Anliegen wie baulichen Maßnahmen, finanziellen Auswirkungen, aber auch Fälle von Allergien und Unverträglichkeiten bei Kindern gegeben, sagte nun die SPD-Stadträtin Jana Schneiß. Die AG habe ergeben, dass ein Pilotmodell „Frischküchen in Kitas“ in die Wege geleitet werden solle – das Konzept soll in einer der nächsten Sitzungen im Jugendhilfeausschuss vorgestellt werden.
Info& auf Mainz&: Nach unseren Informationen sollte das Pilotprojekt Frischeküchen eigentlich am heutigen Dienstag im Jugendhilfeausschuss eine Rolle spielen, auf der Tagesordnung steht es aber nicht. Das Mainzer Umweltministerium wirbt bereits seit 2013 im Rahmen seiner Ernährungsinitiative „Rheinland-Pfalz isst besser“ dafür, das Essen in Kitas und Schulen im Land zu verbessern, derzeit läuft ein Ideenwettbewerb für Kitas (Bewerbungsfrist 30. September) – mehr Infos zu dem Landesprogramm gibt es hier im Internet.