Gefälschte Impfpässe werden inzwischen zum Massen-Kriminalitäts-Phänomen in der Corona-Pandemie: mehr als 11.000 Fälle zählten die Landeskriminalämter inzwischen schon, berichtet die Berliner „taz“, in Rheinland-Pfalz seien es derzeit rund 720. Sogar ein Security-Mitarbeiter des Mainzer Weihnachtsmarktes flog Anfang Dezember mit einem gefälschten Zertifikat auf, immer wieder entdecken die Ermittler ganze Fälscherwerkstätten. Schon im November hatten Kriminalexperten gewarnt: Die Einführung der 2G-Regel im Handel werde zu einem Ansteigen von gefälschten Impfpässen führen, das bestätigt sich nun offenbar.
Ende November hatten Bund und Länder die 2G-Regel sogar für den Einzelhandel eingeführt, seither können Ungeimpfte nur noch in Läden des täglichen Bedarfs ohne Impfnachweis einkaufen, auch Kinos, Restaurants und Fußballstadien stehen nur Menschen mit dem Nachweis, geimpft oder genesen zu sein offen. Das hat offenbar zu einem rapiden Anstieg der Kriminalität in Sachen Impfnachweise geführt: Die Zahl der Verfahren wegen gefälschter Impfnachweise stieg seither sprunghaft an.
Nach einer taz-Umfrage in allen Landeskriminalämtern werden dort inzwischen mehr als 11.000 Fälle zu gefälschten Impfausweisen gezählt – wobei einige Fälle gleich eine Vielzahl an Fälschungen beträfen, schreibt die Zeitung in ihrer Online-Ausgabe. Der Umfrage zufolge ermittelte allein das LKA Bayern seit Jahresbeginn in 3.070 Fällen zu gefälschten Impfpässen – Anfang September waren es erst 110 Fälle. Auch in Nordrhein-Westfalen werden 2.495 Fälle gezählt, knapp die Hälfte davon seit Ende November. In Berlin sind es 1.028 Fälle, in Rheinland-Pfalz 727 Fälle, in Hamburg allein 720. Und selbst im kleinen Schleswig-Holstein wird zu 550 Fällen ermittelt – zwei Drittel davon fielen in den letzten vier Wochen an.
„Gefälschte Impfausweise sind kein Kavaliersdelikt“, warnte kurz vor Weihnachten noch das rheinland-pfälzische LKA: Durch den vorgetäuschten Impfschutz werde die Gesundheit anderer Menschen gefährdet – von der eigenen ganz zu schweigen. Virologen warnen seit Monaten: In diesem Winter werde sich vor dem Coronavirus niemand mehr „verstecken“ können. Die neuen, hochansteckenden Varianten bedeuteten eine simple Rechnung: Am Ende des Winters werde jeder geimpft, genesen – oder gestorben sein. Die Fälscher und Nutzer der Werke stört das offenbar nicht: In sozialen Netzwerken und im Internet werden gefälschte Impfpässe offen angeboten, Interessenten zahlen wischen 100 und 400 Euro für eine Fälschung.
Schon Ende November hatte die Mainzer Polizei von vermehrten Impfpass-Fälschungen berichtet, die zumeist in Apotheken auffielen. Genutzt würden dabei gerne Daten von realen Personen, die so unvorsichtig waren, ihre Impfausweise samt Daten in sozialen Netzwerken zu posten – etwas, was man unbedingt vermeiden sollte, rät das LKA. Oft aber erfinden die Fälscher einfach Phantasiedaten, und dann sind die Fälschzungen einfacher zu erkennen: Da stimmen etwa die Abstände zwischen den Impfungen nicht, das Datum fehlt, oder die Orte sind völlig unplausibel.
Bei den bisher in Rheinland-Pfalz festgestellten Fälschungen handele es sich in den meisten Fällen um bei Apotheken vorgelegten Impfpässen, die dort in einen digitalen Impfnachweis umgewandelt werden sollen, heißt es beim LKA weiter. So flog im Dezember auch ausgerechnet ein Mitarbeiter der Security-Firma des Mainzer Weihnachtsmarktes auf: Der 33 Jahre alte Mann wollte sich in einer Apotheke den digitalen Nachweis holen, die Apotheke informierte aber die Polizei, die gegen den Mann ein Strafverfahren einleitete.
Bei der Stadt Mainz zeigte man sich wütend: Das Verhalten des Mannes sei „überaus ärgerlich und in keiner Weise hinnehmbar“, teilte ein Stadtsprecher auf Mainz&-Anfrage mit. Die Stadt habe umgehend die Security-Firma kontaktiert und „mit Nachdruck“ ihren Ärger über den Vorfall deutlich gemacht. Bei der Firma sei man „sehr kooperativ und schockiert“ gewesen, hieß es weiter. Bei einer umgehend erfolgten Überprüfung aller Security-Mitarbeiter auf dem Weihnachtsmarkt seien keine weiteren gefälschten Impfpässe gefunden worden – bis zum Ende des Weihnachtsmarktes blieb es der einzige Vorfall dieser Art.
Bundesweit gehen die Ermittler aber von einer riesigen Dunkelziffer aus – und das, obwohl die Behörden die Fälle zunehmend scharf ahnden: Nicht nur das Herstellen und Vertreiben, sondern auch die Nutzung von gefälschten (digitalen) Impfausweisen sei strafbar, betont LKA-Präsident Johannes Kunz. Die Betrüger machten sich etwa der Urkundenfälschung, dem Fälschen von Gesundheitszeugnissen oder dem Ausstellen beziehungsweise des Gebrauchs unrichtiger Gesundheitszeugnisse schuldig. Auch die Vorlage eines gefälschten Impfdokuments in der Apotheke ist inzwischen als Straftat ausgewiesen.
Die Apotheken nähmen die Kontrollen sehr ernst und brächten Betrugsversuche konsequent zur Anzeige, erklärte etwa die Präsidentin des Landesapothekerverbandes (LAV) Baden-Württemberg, Tatjana Zambo, kurz vor Weihnachten. LAV und LKA Baden-Württemberg stellten dabei eine Checkliste für Apotheken sowie eine Plakatkampagne vor, bereits Mitte Dezember hatte der deutsche Apothekerverband mitgeteilt, die Apotheken könnten nun auf vereinfachte Weise die Chargennummern der Impfstoffe überprüfen. Mit der Chargenprüfung stehe den Apotheken „nun ein weiteres wirksames Instrument zur Verfügung, um Kriminelle und Urkundenfälscher zu stoppen“, sagte Thomas Dittrich, Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbandes (DAV).
Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema gefälschte Impfpässe sowie zu Razzien im Rhein-Main-Gebiet haben wir Ende November schon hier bei Mainz& berichtet. Eine Bilanz des ausgesprochen friedlichen Mainzer Weihnachtsmarktes lest Ihr hier bei Mainz&.