Sechs Jahre lang gehörte das Kirchenschiff den Archäologen, an diesem Wochenende kehrte die Kirchengemeinde von St. Johannis in ihr Gotteshaus zurück: Erstmals seit sechs Jahren feierten Pfarrer und Gemeinde wieder Gottesdienste in der Johanniskirche. Berühmt ist die Kirche inzwischen für ihre sensationellen archäologischen Funde: Alter Dom von Mainz, Kirchenmauern aus der Merowingerzeit, Jugendstilkirche. Zum krönenden Abschluss fanden die Archäologen kurz vor Ende der Grabungen noch einen verzierten steinernen Sarkophag – es könnte das Grab des 1021 gestorbenen Erzbischofs Erkanbalds sein. Am Dienstag, 4. Juni, soll der Deckel angehoben und das Geheimnis gelüftet werden.
„In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen“, lautete der passende Vers aus dem Johannesevangelium, unter den die Johanniskirchengemeinde am Wochenende ihre Rückkehr in ihr Zuhause stellte. Sechs Jahre lang war die Gemeinde heimatlos gewesen, denn ihre Kirche wurde zu einer der spannendsten Ausgrabungsstätten in Deutschland: Römische Fundamente, Mauern aus der Merowingerzeit, Jugendstilkirche – St. Johannis in Mainz wurde zu einem der spannendsten Forschungsvorhaben Deutschlands. Der schlichte Kirchenbau hinter dem Mainzer Dom war einst die große Bischofskirche von Mainz, der Alte Dom der Stadt – und ist heute die wohl älteste weitgehend erhaltene früh-mittelalterliche Bischofsbasilika nördlich der Alpen.
2013 hatte die evangelische Kirchengemeinde eigentlich nur eine Fußbodenheizung einbauen wollen, daraus wurde ein beispielloser Grabungsmarathon. Mehr als 500.000 Fundstücke wurden geborgen, dokumentiert und inventarisiert, darunter reich verzierte frühmittelalterliche Schrankenplatten, mittelalterliche Stuckskulpturen, Austernschalen und Boulekugeln. In der Gotik gab es einen Mosaikfußboden, im 19. Jahrhundert stand hier eine reich verzierte Jugendstilkirche, Holzkassettendecke inklusive.
Die Grabungsfunde werden heute im Keller der Mainzer Christuskirche und in einer rheinhessischen Scheune gelagert. Mehrfach wurde die Grabungszeit verlängert, mehr als 200 mittelalterliche Grabstätten tauchten in- und außerhalb der Kirche auf. Fast wie zum krönenden Abschluss legte das Team Ende 2018 noch einen verzierten steinernen Sarkophag frei, darin ist womöglich der im August 1021 verstorbene Mainzer Erzbischof Erkanbald bestattet.
Erkanbald war von 997 bis 1011 Abt von Fulda und von 1011 bis zu seinem Tod Erzbischof von Mainz – und damit direkter Nachfolger des legendären Dom-Erbauers Willigis. Dass Erkanbald in St. Johannis begraben liegt, wusste man – nur wo, das wusste die Wissenschaft bisher nicht. Am Dienstag, 4. Juni, soll nun der Deckel des kürzlich gefundenen Sarkophags angehoben werden, er könnte ein weiteres Geheimnis der Mainzer Stadtgeschichte lüften.
Ende 2018 wurden die Grabungsarbeiten in St. Johannis nun endgültig eingestellt, damit endete für die K8irchengemeinde ein sechs Jahre währendes Exil: Die Gottesdienste fanden in der Augustinerkirche statt, andere Aktivitäten wurden in die Maria-Ward-Kapelle, ins Priesterseminar oder ins Pfarrheim der Paulusgemeinde ausgelagert. Nun erlaubt ein provisorischer Fußboden mit Metallstegen wieder die Nutzung von St. Johannis als Gotteshaus.
Bereits am Freitag gab es eine „Andacht zur Marktzeit“ mit Texten und Musik, am Palmsonntag dann feierte die 2.200 Seelen zählende Gemeinde ihre Rückkehr. Pfarrer Volker Truschel griff dabei das für Palmsonntag stehende Sinnbild des Einzugs Jesu nach Jerusalem auf, um gleich zu Beginn des Gottesdienstes den Wunsch zu äußern, dass „unser Herr Jesus mit uns auch wieder in St. Johannis einziehen möge“. Dekan Andreas Klodt erinnerte in seiner Predigt daran, dass Jesus als junger Mann von seiner Heimatstadt Nazareth nach Kapernaum zog, wo die Menschen als Gleiche unter Gleichen lebten: „Hier begann Jesus seine Wirksamkeit“, erläuterte Klodt.
Auch heute bewege es die Menschen, wo und wie sie wohnten, sagte der Dekan weiter. „Eine Bleibe zu haben bedeutet, dass wir an einem Ort ankommen und hier willkommen sind“, erklärte Klodt: „Jeder wird so angenommen, wie er ist.“ Eine Kirche mit einer solchen Vergangenheit, wie St. Johannis sie habe, sollte eine dauerhafte Bleibe sein. Und so verbinden sich in St. Johannis auf ganz besondere Weise Vergangenheit und Gegenwart, wird Geschichte auf besondere Weise erlebbar und ein Teil der Gegenwart: Aus dem einstigen Bischofsdom wurde eine evangelische Kirche, aus der ältesten Kirche von Mainz eine der „modernsten“.
Denn der Gottesdienst in St. Johannis auch ein Stück Neuanfang: Wie das Kircheninnere in Zukunft einmal aussehen wird, ist noch unklar. Den Grabungsarbeiten fiel das komplette Kircheninnere samt Altarraum, Orgelempore und Gestühl zum Opfer. In einigen Monaten soll nun ein neu entwickeltes Nutzungskonzept vorliegen, das derzeit von einer achtköpfigen Steuerungsgruppe erarbeitet wird. Das Stadtdekanat hat wiederholt betont, die 1.400 Jahre lange Kirchengeschichte solle sich künftig unbedingt im Kirchenraum spiegeln.
Ganz kann die Gemeinde also noch nicht in ihre Kirche zurück, immerhin soll nun wieder einmal im Monat einen Gottesdienst in St. Johannis geben. Immer samstags soll es zudem ab dem 27. April um 11.30 Uhr eine öffentliche Führung geben – die archäologischen Funde bleiben ein wichtiges Merkmal von St. Johannis. Am Ostersonntag wird hier zudem ab 6.00 Uhr morgen wieder eine Osternacht in St. Johannis gefeiert. Am Ostermontag findet dann sogar ab 10.00 Uhr ein großer Fernsehgottesdienst hier statt, der von der ARD live übertragen wird.
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Entdeckungen und der Geschichte von St. Johannis in Mainz lest Ihr hier bei Mainz&, die Geschichte der einstigen Jugendstilkirche St. Johannis haben wir hier aufgeschrieben. Beispiele für Funde und Entdeckungen in St. Johannis werden zudem auf dieser Internetseite ausführlich präsentiert und beschrieben. Die nächsten Termine: Ostersonntag, 21. April, 6.00 Uhr: Osternacht, anschließend Frühstück, mit Pfarrer Volker Truschel. Ostermontag, 22. April, 10.00 Uhr: Fernsehgottesdienst mit Live-Übertragung in der ARD mit Dekan Andreas Klodt, Kantor Volker Ellenberger und Johannis-Kantorei. Samstag, 27. April, 13.30 Uhr: Erste Offene Führung in St. Johannis.