Es war eine gigantische Feuerwerks-Show, die da in dieser Silvesternacht über Mainz abgebrannt wurde: Raketen und Böller von gefühlt gleich drei Jahren wurden in der Nacht zum 1. Januar 2023 in Mainz in den Himmel und in die Gegend gejagt – so viel, wie wohl noch nie. Die Polizei Mainz sprach dennoch von einer ausgesprochen ruhigen Silvesternacht, die Feuerwehr Mainz meldete drei Balkonbrände. Beim Tierheim Mainz war man indes stocksauer: Das „stundenlange extreme Geböller“ habe „eher einer Art Krieg und Inferno für Umwelt, Mensch und Tier“ geähnelt.

Große Feuerwerks-Show am Himmel über Mainz um kurz nach Mitternacht. - Foto: gik
Große Feuerwerks-Show am Himmel über Mainz um kurz nach Mitternacht. – Foto: gik

Zwei Jahre lang war den Mainzern in der Silvesternacht privates Feuerwerk verwehrt, weil wegen der Corona-Pandemie jeder Feuerwerksverkauf verboten war. Die Maßnahme sollte helfen, die Kliniken nicht noch zusätzlich durch Verletzte in der Silvesternacht zu belasten – trotz massiv belasteter Kliniken am Jahresende 2022 galt dies aber jetzt nicht mehr: In der vergangenen Nacht durfte erstmals wieder nach Herzenslust geballert und das alte Jahr verscheucht werden.

Der Nachholbedarf war offenbar riesig: Schon den ganzen Tag über knallte und ballerte es in Mainz immer wieder, um Mitternacht brachen dann alle Dämme: Ein Meer bunter Lichter und Raketen erhellte den Nachthimmel, der gesamte Horizont leuchtete und strahlte – es wurde ein Jahreswechsel-Feuerwerk in einem Ausmaß, wie wohl noch nie in Mainz. Wer sich einen guten Standort verschafft hatte, konnte ein Feuerwerks-Show genießen, die weit über das normale Maß hinaus ging – vielleicht war ja auch das Bedürfnis, das alte Jahr 2022 gründlich zu verscheuchen, besonders groß…

- Werbung -
Werben auf Mainz&

Polizei Mainz zieht friedliche Bilanz der Silvesternacht

Bundesweit wurde deutlich mehr geballert, als in früheren Jahren, und das hatte auch erhebliche negative Folgen: Medien berichteten bundesweit von diversen schweren Verletzungen, die aber meist durch selbstgebastelte Böller verursacht wurden. In Thüringen verloren zwei Männer, die mit Kugelbomben experimentiert hatten, Hände und Unterarme, in Leipzig starb gar ein 17-Jähriger beim Hantieren mit nicht zugelassenem Feuerwerk, wie Spiegel Online berichtete. In Berlin gingen Banden systematisch mit Feuerwerkskörpern auf Rettungskräfte und Feuerwehr los – doch die Hauptstadt blieb ein Einzelfall.

Mit diesem entspannten Foto grüßte die Mainzer Polizei aus der Silvesternacht. - Foto: Polizei Mainz
Mit diesem entspannten Foto grüßte die Mainzer Polizei aus der Silvesternacht. – Foto: Polizei Mainz

In Mainz zog die Polizei ein ausgesprochen friedliches Fazit der Silvesternacht: „Die Menschen im Bereich des Polizeipräsidiums Mainz starteten überwiegend friedlich und ausgelassen ins neue Jahr“, vermeldete die Polizei am Neujahrsmorgen. Der Führungszentrale in Mainz seien in der Silvesternacht per Notruf insgesamt 25 Ruhestörungen, 10 Streitigkeiten und 16 Körperverletzungsdelikte gemeldet worden – wenig, für so eine Nacht.

Deutlich mehr zu tun hatte indes die Feuerwehr Mainz: „Bereits im Tagesverlauf kam es im Stadtgebiet zu fünf Bränden von Unrat und Mülltonnen, die vermutlich durch Feuerwerk ausgelöst wurden“, berichtete die Feuerwehr in ihrer Silvesterbilanz. „Wie erwartet“ sei es dann zwischen 22.00 Uhr und 3.00 Uhr morgens „zu einem deutlich erhöhten Einsatz- und Notrufaufkommen“ gekommen: Insgesamt 300 Notrufe musste die Feuerwehr abarbeiten, aus denen 34 Feuerwehreinsätze wurden: 16 Einsätze im Stadtgebiet Mainz und neun Einsätze in den Landkreisen Mainz-Bingen und Alzey-Worms.

Drei Balkonbrände in Mainz durch Feuerwerkskörper

In Mainz waren es vor allem durch Feuerwerkskörper ausgelöste Balkonbrände: Der erste wurde bereits um 00.11 Uhr in der Alten Mainzer Straße in Mainz-Hechtsheim gemeldet, das Feuer auf einem Balkon habe aber rasch abgelöscht und eine Brandausbreitung verhindert werden können. Fast gleichzeitig wurde um 00.12 Uhr ein weiterer Balkonbrand in der Löhrstraße in der Mainzer Altstadt gemeldet, auch hier habe der Brand im 4. Stock schnell über die Drehleiter gelöscht werden können.

Schönheit auf der einen Seite - Belastungen und Brände auf der anderen: Silvesterfeuerwerk in Mainz. - Foto: gik
Schönheit auf der einen Seite – Belastungen und Brände auf der anderen: Silvesterfeuerwerk in Mainz. – Foto: gik

Dramatischer war da schon die Lage, zu der die Feuerwehr um 00.42 Uhr in die Suderstraße nach Mombach gerufen wurde: In einem Mehrfamilienhaus hatte sich ein Balkonbrand entwickelt, vermutlich ebenfalls durch Feuerwerkskörper. „Beim Eintreffen der Feuerwehr stand der Balkon bereits komplett in Flammen, und der Brand drohte auf die Wohnung überzugreifen“, heißt es im Bericht weiter: „Die Feuerwehr rettete eine Person aus dem Haus, eine Brandausbreitung ins Gebäude konnte in letzter Sekunde verhindert werden.“

Auch am späten Abend brannten zudem erneut Mülltonnen im Stadtgebiet, gleich sechs Einsätze vermerkte die Feuerwehr hier. Dazu seien „zahlreiche Notrufe mit medizinischen Hilfeersuchen an die Rettungsleitstelle Mainz vermittelt worden“, so der Bericht weiter.

Feinstaubwerte explodieren in der Silvesternacht

Die Balkonbrände dürften auch eine Ursache in dem durchaus starken Wind gehabt haben, der in der Silvesternacht gerade rund um Mitternacht aufkam. Für die Luft in Mainz hatte das indes gute Auswirkungen: Ein dichte Feinstaubglocke, wie oft in Vorjahren, entwickelte sich zumindest in den Außenbezirken von Mainz nicht. Die Deutsche Umwelthilfe klagte hingegen, es habe eine bis zu 9-fach höhere Luftbelastung in der Silvesternacht gegeben.

Dicke Luft in der Silvesternacht um 2.00 Uhr morgens vor allem in Wiesbaden und im Mainzer Norden - im Süden und der Innenstadt vertrieb ein frischer Wind viel der Schadstoffe. - Screenshot: gik
Dicke Luft in der Silvesternacht um 2.00 Uhr morgens vor allem in Wiesbaden und im Mainzer Norden – im Süden und der Innenstadt vertrieb ein frischer Wind viel der Schadstoffe. – Screenshot: gik

„Die nach zwei Jahren Corona-Pause wieder erlaubte archaische Silvester-Böllerei hat noch dramatischere Folgen gehabt als zuvor bereits befürchtet“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. So habe etwa in München die Belastung der Atemluft mit gesundheitsgefährdendem Feinstaub (PM10) um 911 Prozent höher gelegen als im Vorjahr an Silvester – als es ein Verkaufsverbot gab.

Tatsächlich stieg auch in der Mainzer Parcusstraße die Konzentration mit Feinstaub PM10 um 1.00 Uhr morgens auf satte 1.287 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft – bis zum Nachmittag sank der Wert wieder auf 7 Mikrogramm. Beim Feinstaub PM 2,5 erreichte der Höchstwert um 12.00 Uhr morgens in der Parcusstraße  1.122 Mikrogramm, auch er sank drastisch ab im Tagesverlauf – zum Abend hin stiegen beide Werte aber wieder an. Tatsächlich verzeichnete das Umweltbundesamt um 21.00 Uhr am Abend des 1. Januar 2023 eine schlechtere Luftqualität über Mainz als um 1.00 Uhr morgens – einen Grund geben die Messdaten dafür leider nicht an.

Horrornacht für das Tierheim Mainz

Doch die schlechte Luft war nicht die einzige Folge der ungebremsten Knallerei: „Es war eine Nacht des Schreckens für Millionen Tiere und Menschen, die durch die Knallerei in Panik versetzt wurden“, kritisierte Resch. Das können sie im Tierheim Mainz bestätigen: „Das, was wir gestern hier erleben mussten, war kein Silvester feiern mehr, es war ein rücksichtsloses Schauspiel der Unvernunft“, schrieb das Kleintierhaus Tierheim Mainz an Neujahr entsetzt auf dem Facebook-Account.

Für Tiere war die ungehemmte Knallerei in der Silvesternacht der pure Horror. - Foto: gik
Für Tiere war die ungehemmte Knallerei in der Silvesternacht der pure Horror. – Foto: gik

„Es glich eher einer Art Krieg und Inferno für Umwelt, Mensch und Tier hier in Mainz“, kritisierte das Tierheim scharf: „Stundenlanges extremes Geböller, rücksichtslos und egoistisch an und in unseren wunderschönen Naturschutzgebieten, rund um unser Tierheim und dem Wildpark.“ Silvester sei offenbar inzwischen „für einige Menschen eine Art Freifahrtschein für ausuferndes Verhalten und Zerstörung“, klagten die Tierheim-Mitarbeiter.

„Hier flogen Fledermäuse panisch umher“, es habe umherirrende Vogelschwärme am verrauchten Himmel gegeben, viele Vögel und Wildtiere habe das Spektakel vermutlich das Leben gekostet. „Unsere Hunde, Katzen und Kleintiere sind teilweise unfassbar müde, heiser vom Bellen, und sitzen immer noch in ihren Verstecken“, so das Tierheim weiter: „Die Luft war verpestet aber einige hatten ihren fragwürdigen Spaß.“ Es sei dringend „an der Zeit, behördlicherseits diesem Unsinn ein Ende zu setzen“, forderte das Tierheim weiter.

Umwelthilfe fordert sofortiges Verbot privater Pyrotechnik

Das sieht man auch bei der Umwelthilfe so: Die Regierung müsse „angesichts dieser verheerenden Nacht endlich reagieren, und den Verkauf und die Benutzung von Pyrotechnik zu Silvester verbieten“, forderte Resch – so, wie es im gesamten Rest des Jahres ohnehin bereits gelte. Gemeinsam mit der Gewerkschaft der Polizei (GdP) fordere ein Verbändebündnis ein endgültiges Verkaufsverbot von Silvesterkrachern und Feuerwerksraketen sowie ein bundesweites Anwendungsverbot.

Luftmesswerte in Mainz und Wiesbaden um 21.00 Uhr am Neujahrsabend: Tiefrote Bereiche, miserable Luftqualität . - Screenshot: gik
Luftmesswerte in Mainz und Wiesbaden um 21.00 Uhr am Neujahrsabend: Tiefrote Bereiche, miserable Luftqualität . – Screenshot: gik

„Es ist eine Minderheit, die die Silvesternacht ausnutzt, und mit Pyrotechnik die große Mehrheit terrorisiert“, räumte Resch ein. Opfer seien aber eben häufig auch Einsatzkräfte und vollkommen Unbeteiligte, nicht selten Kinder. „Mit aller Macht kämpfen wir für eine schnelle Entscheidung für ein absolutes Böllerverbot“, betonte Resch weiter, und behauptete: Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) habe „bereits klargemacht, dass eine Mehrheit das Böller-Verbot will und er diese Forderung unterstützt.“ Nun müssten taten folgen.

Info& auf Mainz&: Die Deutsche Umwelthilfe hat eine Petition für ein Böllerverbot gestartete, unter www.duh.de/boellerfrei/ kann man sich einem Offenen Brief an Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) anschließen. Auch in Mainz gibt es eine entsprechende Petition – mehr dazu hier im Internet. Mehr zur Debatte übers private Silvesterfeuerwerk und mögliche Alternativen könnt Ihr auch ausführlich hier bei Mainz& nachlesen.