Es kam, wie es kommen musste: Der Flughafen-Betreiber Fraport zieht den geplanten Bau des Terminals 3 durch, völlig unbeeindruckt von Protesten, völlig unbeeindruckt auch von den Versuchen des grünen Wirtschaftsministers Tarek Al-Wazir in Hessen, die Fraport zum Umdenken zu bewegen. Fraport setzt eisern weiter auf Wachstum, und die Region ist entsetzt. Am Donnerstag kam der Konter: Die schwarz-grüne Landesregierung in Hessen will jetzt die Einführung von Lärmobergrenzen forcieren – und die sollen deutlich unter den Obergrenzen des Planfeststellungsbeschlusses liegen.
Die Fraport hatte am Mittwoch angekündigt, mit dem Bau des Terminals 3 noch in diesem Jahr zu starten, das Entsetzen in Mainz ist groß. Die Fraport setze ihr „Credo des exzessiven Wachstums gegen verifizierbare Bedenken mit der Brechstange und um jeden Preis fort“, kritisieren der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) und seine Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne). Das Unternehmen brüskiere mit seiner Entscheidung die gesamte vom Fluglärm betroffene Rhein-Main-Region, jegliche Warnungen und Bedenken würden einfach ignoriert. „Ein Flughafen dominiert die Region“, kritisiert Ebling, das sei eine „Kampfansage der überaus unversöhnlichen Art.“ Der Satz zeigt deutlich: Zwischen Fraport und Rhein-Main-Region hat sich ein Graben aufgetan, und die Kluft wird immer größer.
Die Fraport ficht das nicht an, Fraport-Chef Stefan Schulte betonte, man brauche das Terminal 3 unbedingt. Der Fraport-Aufsichtsrat habe am Dienstag noch einmal intensiv das Für und das Wider diskutiert, aber man bleibe dabei: Angesichts der Prognosen über steigende Passagierzahlen werde es ab 2021 in Frankfurt zu eng. Jetzt schon müsse man Flugzeuge auf dem Vorfeld abfertigen, und das sei in Sachen Komfort unzumutbar, „inakzeptabel“ und finde „null Kundenakzeptanz“, sagte Schulte: Der Kunde erwarte nach einem siebenstündigen Flug „nicht noch eine Stadtrundfahrt.“
Aus Sicht der Fraport ist das noch nicht einmal so falsch: Der Flughafen sieht sich im Wettbewerb mit arabischen Großflughäfen, die natürlich für allen Komfort sorgen. In Frankfurt sagen die Prognosen bis 2021 ein Passagieraufkommen von 68 bis 73 Millionen voraus, die Fraport-eigenen Gutachter sprechen sogar von 86 bis 90 Millionen Passagieren bis zum Jahr 2030. Mit den derzeitigen Terminals 1 und 2 aber könnten in Frankfurt maximal 64 bis 68 Millionen Passagiere im Jahr abgefertigt werden, rechnet die Fraport vor.
Doch Flughafenausbaugegner halten dagegen: Fraport operiere mit falschen Zahlen, die Prognosen seien völlig überhöht und schon nach dem Bau der neuen Nordwestlandebahn nicht eingetreten. „Die Prognosedaten bilden die Notwendigkeit für ein drittes Terminal weiterhin nicht ab“, betonen Eder und Ebling.
Die Entscheidung für eine weiteres Terminal „ist aus unserer Sicht nicht nachzuvollziehen. Es gibt keinen Bedarf für die Erweiterung des Frankfurter Flughafens um die Größenordnung des Hamburger Flughafens“, sagt Thomas Scheffler, Sprecher des Bündnisses der Bürgerinitiativen gegen den Flughafenausbau: „Alle Prognosen über das Wachstum des Flugverkehrs in Frankfurt haben sich bisher als Wunschdenken erwiesen.“ Der Bau des dritten Terminals – genannt T3 – sei gar „ein ökonomisches Risiko wider die Vernunft“, das die Fraport in finanzielle Schieflage bringen könne, warnt die Mainzer Bundestagsabgeordnete Tabea Rößner (Grüne).
Die Fraport widerspricht: „Wir arbeiten nicht mit falschen Prognosen“, betonte Schulte vor einigen Wochen bei einer Anhörung im Hessischen Landtag. Der Flugverkehr werde zudem immer Saison abhängiger mit mehr Fluggästen im Sommer und weniger im Winter, das bedeute mehr Spitzenzeiten. Bei 200.000 Passagieren an einem einzigen Tag im Sommer habe man jetzt schon Schwierigkeiten mit der Abfertigung, betonte Schulte. Baustart soll noch in diesem Jahr sein, das Terminal 2022 in Betrieb gehen.
Der Region bleibt nur das Wehklagen: Der Bau des T3 sei „unnötig und schädlich“ und „ein Schlag ins Gesicht aller fluglärmgeplagten Bürger“, sagte die Fraktionschefin der Grünen im Mainzer Stadtrat, Sylvia Köbler-Gross. Der Lärmschutz spiele weiter keine Rolle bei Entscheidungen am Flughafen, klagte SPD-Fraktionschschef Eckart Lensch. Es sei aber „ein struktureller Fehler in der Debatte stets nur die ökonomische Dimension zu diskutieren und die sozialen Auswirkungen des Flugverkehrs über den Wohngebieten auszublenden.“
Der Mainzer CDU-Landtagsabgeordnete und frühere Umweltdezernent der Stadt Mainz, Wolfgang Reichel, geht sogar noch einen Schritt weiter: Ein Terminal 3 könne der erste Schritt zu noch einer Landebahn in Frankfurt sein, argwöhnt Reichel: „Es muss zwingend verhindert werden, dass eine weitere Bahn zur Auslastung von Terminal 3 geplant wird.“ Tatsächlich erweist sich an diesem Beispiel wieder einmal, wie hilflos die Politik der Wirtschaft gegenüber steht – und wie sehr in Deutschland das Leben dem Profit untergeordnet wird. Während die Wirtschaft jubelt, fürchten die Menschen noch mehr Fluglärm über ihren Häusern, noch mehr Schlafstörungen, noch weniger Ruhe in Haus und Garten.
Der Bau des neuen Terminals ist aber vor allem auch eine schallende Klatsche für den hessischen Verkehrsminister Tarek Al-Wazir und seine Grünen. Die hatten im hessischen Landtagswahlkampf 2013 vehement damit geworben, den Bau des T3 zu stoppen. Nun sitzen sie in der Regierung und müssen machtlos zusehen, wie die Fraport einfach durchmarschiert. Die Krux dabei: Mit dem Planfeststellungsbeschluss besteht für die Fraport Baurecht, die Baugenehmigung wurde kurz vor der Landtagswahl noch schnell vom – grünen! – Dezernenten in Frankfurt erteilt. Da halfen dann auch alle Appelle von Al-Wazir nach der Wahl an die Fraport, den Bau doch noch zu überdenken, nichts.
Vor einigen Wochen hatte Al-Wazir eigens noch Prüfungen des Landes zum Bedarf des Terminals vorgelegt und der Fraport geraten, doch erst einmal das Terminal 1 weiter auszubauen – vergeblich. Auch Al-Wazir und seine Gutachter mussten nämlich einräumen: Müssen tatsächlich 14 Millionen Passagiere mehr in Frankfurt abgefertigt werden, dann ist der Bau des T3 sogar die wirtschaftlichste Variante – trotz Investitionskosten zwischen 2,5 und 3 Milliarden Euro. Tja. Schulte schob noch höflich hinterher, die Ausbauvarianten aus dem Ministerium seien „nicht uninteressant“ – eine Alternative seien sie nicht. Viel klarer kann man einen Minister nicht brüskieren.
Doch die schwarz-grüne Landesregierung schlägt zurück: Dann werde man jetzt eben den Lärmschutz forcieren, lautete die Botschaft am Donnerstag. Bis Sommer 2016 will man ein Konzept für Lärmobergrenzen vorlegen, ein entsprechender Antrag wurde am Donnerstag im Wiesbadener Verkehrsausschuss diskutiert. Darin fordern CDU und Grüne, die Obergrenzen sollen „eine deutliche Reduzierung gegenüber dem im Planfeststellungsbeschluss vorgesehenen Werten erreichen.“
Im Klartext: Wenn Ihr gnadenlos weiter ausbaut, dann zwingen wir Euch eben dazu, leiser zu werden – und wenn das zulasten Eurer Flugkapazitäten geht. Übrigens soll auch Ziel sein, dass die Flugsicherung „den anfallenden Verkehr mit den lärmärmsten An- und Abflugverfahren abwickelt“ – da sind wir aber mal sehr gespannt. Bisher richtet sich die DFS bei der Planung der Flugrouten rein nach Sicherheitsaspekten, ob das Land daran überhaupt etwas ändern kann ist unklar – wahrscheinlich müsste dafür das Lärmgesetz des Bundes geändert werden. Man wolle nun erst einmal „die erforderlichen fachlichen Grundlagen erarbeiten“, heißt es in dem Antrag weiter. Auf gut Deutsch: Es wird dauern…