Vor knapp einem Jahr bekam die Stadt Mainz die Rote Karte im Hitze-Check der Deutschen Umwelthilfe, an diesem Mittwoch findet nun erneut der bundesweite Hitzeaktionstag statt – Zeit, zu fragen: Was hat sich in Mainz denn nun seither verbessert? Die Mainzer ÖDP, die seit Jahren einen Hitzeaktionsplan für Mainz fordert, kritisiert, die Stadt tue noch immer zu wenig zur Vorbeugung gegen Hitzewellen und gegen die Aufheizung der Innenstadt: „Es gilt immer noch ‚Bau vor Baum'“, klagt ÖDP-Chef Claudius Moseler. Und gerade erst sei herausgekommen: Die Stadt vergaß jahrelang, in Bebauungsplänen vorgesehene Bäume zu pflanzen – rund 1.000 Stück. Dabei warnen Ärzte: „Hitze kann tödlich sein.“

„Jedes Jahr sterben in Deutschland tausende Menschen an den Folgen extremer Hitze“, warnt nun die Deutsche Umwelthilfe erneut zum Hitzeaktionstag, der am 4. Juni stattfindet. Der bundesweite Tag wurde 2023 von der Bundesärztekammer und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit e.V. (KLUG) initiiert, um auf die unzureichende Vorsorge in Deutschland vor extremen Hitzeereignissen aufmerksam zu machen. Mittlerweile werde der Aktionstag von einem Bündnis aus über 80 Partnern getragen, informierte die Deutsche Umwelthilfe (DUH), die selbst auch Partner ist.
2024 hatte die DUH zudem für einen Paukenschlag gesorgt: 190 deutsche Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern wurden für einen „Hitze-Check“ unter die Lupe genommen, dafür wurden vor allem der Grad der Flächenversiegelung und die Grünausstattung in der jeweiligen Stadt analysiert. Die Ergebnisse waren höchst durchwachsen: Insgesamt erhielten 24 Städte eine Rote Karte, 82 eine Gelbe Karte und immerhin 84 eine Grüne Karte. Peinlich für Mainz: Auch die seit 15 Jahren von einer grün-rot-gelben Ampel regierte Stadt gehört zu denen, die eine Rote Karte bekam.
DUH: Bevölkerung vor Überhitzung schützen, Städte resilient machen
In Mainz überraschte das wenig: Seit Jahren wurden hier hochgradig versiegelte Großflächen gebaut, etwa den neuen Zollhafen, den Vorplatz an der Johannes-Gutenberg-Universität oder den Platz am neuen LEIZA-Zentrum – und das, obwohl die Grünen seit 15 Jahren das Umweltdezernat leiten, und die SPD das Baudezernat. Doch alle Versprechen und Beteuerungen, Mainz müsse grüner werden und damit resilienter gegen Hitze und Klimawandel, verpufften regelmäßig an den tatsächlichen Bauvorhaben: Statt grünen Lungen entstanden in Mainz immer wieder und immer öfter Betonwüsten, sogar am neu gestalteten Mainzer Rheinufer.

Dabei sind die Folgen aufgeheizter Betonflächen lange bekannt: ohne Bäume oder andere Pflanzen steigt die Hitze in einer Straße um mehrere Grad, Hitze gefährdet insbesondere ältere Menschen, Kinder, chronisch Kranke und Menschen ohne festen Wohnsitz. „Der Klimawandel hat auf vielen Wegen einen negativen Einfluss auf die Gesundheit, etwa mehr Hitzetote, neue und vermehrt auftretende Infektionskrankheiten, erhöhte Allergiebelastung, Zunahme von Antibiotikaresistenzen und mehr Hautkrebs durch erhöhte UV-Strahlen-Belastung“, warnt etwa auch der Präsident des Robert Koch-Instituts, Lars Schaade.
Trotz dieser alarmierenden Tatsachen fehlten in vielen Städten weiter wirksame Schutzmaßnahmen, klagt DUH-Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. Die bestehenden Hitzeaktionspläne auf kommunaler und nationaler Ebene beschränkten sich im Wesentlichen auf Sensibilisierung und Verhaltenstipps, „doch Informationen allein reichen nicht aus, um die Bevölkerung vor Überhitzung zu schützen“, warnt Metz. Die DUH fordere verbindliche Maßnahmen, die die Städte widerstandsfähiger gegen Hitzeperioden machten – etwa verpflichtende Anteile von Grüne oder Wasserflächen, schattenspendende Bäume oder grüne Dächer, und die müssten in der Stadtplanung fest verankert werden.
ÖDP kritisiert: In Mainz gilt noch immer „Bau vor Baum“
In Mainz hingegen sei in den vergangenen Jahren genau das Gegenteil passiert, kritisiert nun der Mainzer ÖDP-Chef Claudius Moseler im Mainz&-Interview: „Die Stadt hat rund 1.000 Bäume in Neubau- und Gewerbegebieten nicht gepflanzt, obwohl sie in Bebauungsplänen vorgesehen waren“, berichtete Moseler – das habe eine Analyse des Naturschutzbundes NABU in Mainz ergeben. 300 davon seien jetzt bereits gepflanzt worden, doch die jahrelange Vernachlässigung habe Folgen. „In Mainz fehlen noch immer grüne Lungen“, klagt Moseler, die Stadt tue weiter nicht genug in Sachen Hitzeprävention.

Die ÖDP hatte bereits seit 2018 immer wieder im Mainzer Stadtrat einen Hitzeaktionsplan gefordert, von der Verwaltung, aber auch der bis Ende 2024 regierenden Ampel-Koalition wurde das stets als unnötig abgelehnt. Noch 2023 hatte Umweltdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) auf die erneute Forderung der ÖDP nach einem Hitzeaktionsplan stattdessen auf eine „gesamtstädtische Strategie zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels“ verwiesen. Man habe eine Hitzeinformationskampagne gestartet und Tipps zum Umgang mit Hitze unter anderem auf der Internetseite der Stadt Mainz bereitgestellt.
Der ÖDP reicht das nicht: „Entscheidend ist doch, wie kann man die Stadt resilient gegen Hitze machen?“, betonte Moseler: „Wenn ich sehe, wie im Augenblick weiter Baugenehmigungen erteilt werden – es gilt immer noch ‚Bau vor Baum‘, da fällt einem nichts mehr zu ein.“ Die ÖDP hatte unter anderem Hitzewarnsysteme gerade für Senioren gefordert, wie es sie in Frankreich seit dem Supersommer 2003 gibt, geschehen ist das bis heute nicht. Auch aus dem Hitze-Check der DUH seien „bis heute überhaupt keine Konsequenzen gezogen worden“, klagt Moseler, weder in der Bauleitplanung, noch bei Trinkwasserbrunnen oder dem Erhalt von Grünflächen und Bäumen.

Baumbündnis muss um Erhalt der Bäume in Mainz kämpfen
Tatsächlich hatte sich im Juli 2024 das „Mainzer Baumbündnis“ gegründet, das gegen die Fällung vor allem alter Bäume im Stadtgebiet kämpft und Baumerhalt als festen Teil der Stadtplanung fordert. Erst im Februar dieses Jahres lud das Baumbündnis zu einer neuerlichen Mahnwache, weil an der Lämmchenschule in Mombach weitere 10 Bäume auf dem Schulgelände gefällt werden sollten – und das, obwohl die Hälfte der Bäume nach Angaben des Baumbündnisses Schutzstatus genossen hätte. Man habe immerhin den Großteil der Fällungen auf dem Gelände Dank einer Petition mit mehr als 2.300 Unterschriften verhindern können, bilanzierte das Bündnis – Tatsache ist aber auch: Ohne die Petition wären vermutlich viel mehr Bäume den Baggern zum Opfer gefallen.

Bei der Stadt wird in Antworten im Stadtrat gerne wie 2023 auf die neue gesetzte Begrünungs- und Gestaltungssatzung, die städtische Baumschutzsatzung und den Schutz von Kaltluftschneisen in der Bauleitplanung verwiesen, in der Realität genehmigte die Stadt problemlos den Bau des neuen Biotech-Campus an der Saarstraße – direkt in der wichtigsten Mainzer Kaltluftschneise samt Kaltluftentstehungsgebiet. In Sachen Trinkbrunnen wiederum wurden inzwischen drei in der Mainzer Innenstadt und einer im Stadtteil Bretzenheim aufgestellt – der ÖDP reicht das nicht: Es brauche mehr davon, gerade auch in Stadtteilen.
Erst im April warb die rheinland-pfälzische Umweltministerin Katrin Eder (Grüne) – immerhin zehn Jahre lang Umweltdezernentin in Mainz – erneut für mehr öffentliche Trinkbrunnen in Städten: Damit gebe es für die Bürger „die Möglichkeit jederzeit ihren Durst zu löschen oder sich zu erfrischen“, betonte Eder, man habe mit dem Förderprogramm des Landes bereits die Aufstellung von 100 Brunnen fördern können. „Um Menschen vor den gesundheitlichen Auswirkungen von Hitze zu schützen, ist es wichtig, dass der Zugang zu kostenlosem sauberen Wasser im besiedelten Raum ermöglicht wird“, betonte die Ministerin – und kündigte an, das Förderprogramm fortzusetzen: Bis Ende Mai 2026 können im Zuge von „Noch mehr Trinkwasserbrunnen für Rheinland-Pfalz“ weitere 50 Brunnen gefördert werden.
Tipps der Ärztekammer: Das könnt Ihr tun bei Hitzewellen
Zum Hitzeaktionstag am morgigen Mittwoch wird es nun wieder Hinweise regnen, wie man sich am besten bei Hitzewellen verhält – wichtig wäre allerdings, die Städte mit Bäumen, Wasserflächen und angepasstem Bauen zu rüsten. Temperaturen über 30 Grad und tropische Nächte belasten besonders Ältere und Menschen mit Herz-Kreislauf- oder Atemwegserkrankungen, warnt nun die Landesärztekammer Rheinland-Pfalz, und rät:
- …den Alltag bei einer Hitzewelle anzupassen und körperliche Aktivitäten und Erledigungen in die kühleren Morgen- und Abendstunden zu verlegen.
- …die Wohnung und sich selbst möglichst kühl zu halten.
- …ausreichend zu trinken – am besten Wasser und ungesüßte Tees.
- …für Sonnenschutz zu sorgen, wenn man sich im Freien aufhält.
- …auf sich und andere zu achten, vor allem aber auf Kinder und ältere Menschen.
- …bei Einnahme von Arzneimitteln vor einer Hitzewelle die Ärztin/den Arzt zu kontaktieren, um diese auf Hitzeverträglichkeit prüfen zu lassen. Zudem sollten bei Hitze Aufbewahrungshinweise in der Packungsbeilage von Arzneimitteln beachtet werden.
Banal ist das im Übrigen nicht, eine richtige Hitzewelle kann einiges an Gesundheitsproblemen auslösen, die man nicht unbedingt mit dem Thema Hitze in Verbindung bringt. Als Folge der andauernden Hitzebelastung können der Ärztekammer zufolge Hautausschläge, Wadenkrämpfe und Schwellungen in den Beinen auftreten. Bestehende Herz-Kreislauf-Erkrankungen können sich verschlimmern oder neu auftreten. Typische Symptome für eine Belastung des Herz-Kreislauf-Systems sind Schwindel, Kopfschmerzen, Erschöpfung und Benommenheit. „Hitze“, warnt Präsidiumsmitglied Jana Luntz, „kann tödlich sein.“ Das Thema Hitze müsse deshalb „als zentrale Herausforderung im Bevölkerungs- und Katastrophenschutz integriert werden.“
Info& auf Mainz&: Mehr zu den Forderungen der Ärzte in Sachen Hitzeschutz könnt Ihr hier im Internet lesen, am 3. Juni sollte es dazu auch eine Pressekonferenz in Berlin geben. Mehr zum Thema Baumfällungen und Baumpflanzungen in Mainz lest Ihr in unserer Mainz&-Analyse vom Juni 2024 „Wie Grüne ist Mainz?“ Alles zur Roten Karte für Mainz im Hitze-Check im August 2024 könnt Ihr noch einmal hier bei Mainz& nachlesen.