Kann ein Innenminister gleichzeitig Mitglied in einem Stadtrat sein? Ja, sagt die Mainzer SPD – und setzte Innenminister und Ex-OB Michael Ebling auf ihre Liste für die Kommunalwahl im Juni 2024. Dabei hatte gerade Ebling mit seinem Abgang in Richtung Innenministerium im Oktober 2022 die Mainzer SPD in die Bredouille gebracht: Die Sozialdemokraten verloren bei der folgenden OB-Neuwahl nach mehr als 70 Jahren den Chefsessel im Mainzer Rathaus. Und die Freien Wähler sagen nun: Nein, ein Innenminister kann eben nicht gleichzeitig Stadtratsmitglied sein – und pochen auf das Landeswahlgesetz. Mainz& fragt sich: Ist das jetzt Unwissenheit, Hybris oder ein Täuschungsmanöver? Mit Kommentar&.
Es war im Oktober 2022, als Malu Dreyer rief, und Michael Ebling sprintete: Ihr Innenminister Roger Lewentz (SPD) hatte am 13. Oktober wegen Missmanagements bei der Flutkatastrophe im Ahrtal unter enormem Druck zurücktreten müssen, als Nachfolger berief Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) ausgerechnet einen alten Mitstreiter aus Mainzer Tagen – Michael Ebling, Oberbürgermeister der Stadt Mainz.
Ebling sei ihre „erste Wahl, ich kann es nicht anders beschreiben“, schwärmte Dreyer am Rande der Ernennung von Ebling zum Innenminister gegenüber Mainz&, und ließ erkennen: Sie habe nicht lange überlegt, wen sie anrufe, und sei „sehr glücklich darüber, dass er sich schnell entschieden hat.“ Tatsächlich bekannte Ebling selbst, er habe nicht lange gebraucht, um „Ja“ zu sagen – die Eile, mit der der Stadtchef das Mainzer Rathaus verließ, stieß vielen in Mainz übel auf – die Frage, wie es in Mainz weitergehen würde, war völlig ungeklärt und spielte offenbar in der Staatskanzlei auch keine große Rolle.
SPD Mainz nach Wechsel Eblings bei OB-Wahl 2023 abgestraft
Die Folgen des Wechsels sind bekannt: Bei der Oberbürgermeisterwahl im Frühjahr 2023 wurde der parteilose Nino Haase mit überwältigenden 63,3 Prozent zum neuen Mainzer Oberbürgermeister gewählt – und die Mainzer SPD mit ihrer Kandidatin Mareike von Jungenfeld nach 74 Jahren an der Spitze der Landeshauptstadt mit gerade einmal 13,3 Prozent geradezu abgestraft worden. Umso mehr wunderten sich Beobachter, als die Mainzer SPD bei der Aufstellung ihrer Stadtratsliste für die Kommunalwahl 2024 ein ausgesprochen bekanntes Gesicht auf Listenplatz 30 setzte: Michael Ebling.
Vergangenen Samstag winkte der Parteitag der Mainzer SPD die Personalie Ebling kommentarlos durch, allerdings nicht, ohne dem Minister einen Dämpfer mit auf den Weg zu geben: Ebling kam mit 77 Ja- und 24 Nein-Stimmen auf eine Zustimmung von nur 70 Prozent, das war das zweitschlechteste Ergebnis des Parteitags. Viele in der Mainzer SPD hadern bis heute damit, dass Ebling ohne Rücksicht auf die Mainzer Genossen ins Staatsamt wechselte – und eine schlecht aufgestellte Mainzer SPD hinterließ.
Aber kann ein Innenminister überhaupt gleichzeitig Mitglied in einem Stadtrat sein? Bei der Mainzer SPD winkte man am Samstag ab, das sei rechtlich möglich, hieß es dort. Bei den Freien Wählern sieht man das indes völlig anders: „Nach Paragraph 5, Absatz 1,7 des Kommunalwahlgesetzes darf er als Mitglied des Gemeinderates nicht zugleich hauptamtlich als Beamter tätig sein, der unmittelbar mit Aufgaben der Staatsaufsicht über die Gemeinde befasst ist“, sagt Christian Weiskopf, Vorsitzender der Freien Wähler in Mainz. Das sei ein klarer Interessenkonflikt.
„Unvereinbarkeit mit Aufgaben der Staatsaufsicht über Gemeinden“
Tatsächlich heißt es in dem fraglichen Paragraphen zum Thema „Unvereinbarkeit von Amt und Mandat“: „Wer zum Mitglied des Gemeinderats gewählt ist und die Wahl angenommen hat, darf nicht gleichzeitig hauptamtlich tätig sein als (…) Beamter oder als Beschäftigter, der unmittelbar mit Aufgaben der Staatsaufsicht über die Gemeinde oder mit der überörtlichen Prüfung der Gemeinde befasst ist.“ Der Innenminister des Landes sei aber qua Amt derjenige, der die oberste Staatsaufsicht über die Kommunen hat, betont man bei der Grünen-nahen Heinrich Böll-Stiftung – und damit auch die Aufsicht über die kommunalen Haushalte.
Der Innenminister habe die Einhaltung des Haushaltsrechts in den Kommunen zu überwachen, insbesondere die Ausgeglichenheit des Haushalts, und müsse dies auch durchsetzen, so die Stiftung weiter. In Rheinland-Pfalz ist dafür ganz konkret die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) in Trier zuständig, oberster Dienstherr: der Innenminister. Damit ist Ebling als Beamter unmittelbar „für die überörtliche Prüfung der Gemeinde“ zuständig – sollte der Minister bei der Wahl in den Stadtrat gewählt werden, und das Amt annehmen, werde das zu Interessenkonflikten führen, betonte Weiskopf.
„Es mag zwar sein, dass Michael Ebling in Person diese Staatsaufsicht über die Stadt Mainz nicht ausübt, und er sich bei einzelnen Tagesordnungspunkten jeweils für befangen erklärt oder an der Beratung nicht teilnimmt“, sagte Weiskopf weiter: „Über allem schwebt dann aber trotzdem die Mächtigkeit des Ministers.“ Es sei doch zudem schwer denkbar, „dass Ebling im Stadtrat eine Haushaltsrede hält, in der er für die Erhöhung der Grundsteuer plädiert“ – das seien doch höchst „unangenehme Situationen.“
Wefelscheid: Ebling muss seine Energie dem Land widmen
Auch FW-Landeschef und Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion Stephan Wefelscheid kritisierte, eine ehrenamtliche Stadtratstätigkeit vertrage sich mit dem Amt eines Innenminister in herausfordernden Zeiten schon zeitlich nicht: „Die Kommunen des Landes Rheinland-Pfalz befinden sich in einer schwierigen Lage, finanziell, personell und vielfach auch strukturell“, betonte Wefelscheid
Da sei es doch „die gebotene Aufgabe des Kommunalministers Ebling, seine volle Zeit dem Land und seinen Kommunen zu widmen.“ Ebling muss sich schon entscheiden, „wem er seine Zeit widmen will“, forderte Wefelscheid: „Dem Land oder der Stadt Mainz.“
Hinzu komme, „dass es eigentlich zur guten kommunalpolitischen Tradition gehört als Ex-OB nicht in den Stadtrat zu gehen, dem sein Nachfolger vorsitzt“, kritisierte Weiskopf zudem, und argwöhnte: „Oder ist es Eblings Ziel, künftig Nino Haase das Leben schwer zu machen?“ Auch angesichts seines „bescheidenen Abschneidens von lediglich 70 Prozent bei Listenaufstellung sollte Ebling in sich gehen, und seine Entscheidung zur Kandidatur überdenken“, forderte Weiskopf: „Offensichtlich sind seine Genossen selber nicht davon überzeugt.“
Kommentar& auf Mainz&: Täuschungsmanöver?
Ein Innenminister auf der Stadtratsliste für die Kommunalwahl 2024 – was hat sich die Mainzer SPD nur dabei gedacht? Im besten Fall: herzlich wenig. Vielleicht wollte man bei den gebeutelten Sozialdemokraten ja wirklich nur die ungeheure Bekanntheit des Mombachers „Michi“ nutzen, um bei der Stadtratswahl im kommenden Juni ein paar dringend benötigte Stimmen einzusammeln. Vielleicht hat man ja wirklich nicht gewusst, dass es hier rechtliche Probleme geben könnte – dass die Spitzenkandidatin der Mainzer SPD und Fraktionschefin Jana Schmöller keinerlei Probleme zu erkennen vermag, wirft jedoch kein gutes Licht auf die Kompetenzen der Spitzenfrau.
Denn Stephan Wefelscheid ist nicht nur Parlamentarischer Geschäftsführer der Freien Wähler im Mainzer Landtag, sondern auch ein gewiefter Jurist, der im Untersuchungsausschuss zur Flutkatastrophe im Ahrtal die Landesregierung eins ums andere Mal gehörig ins Schwitzen brachte. Und schon der Blick ins Gesetz offenbart ja in aller Klarheit: Wer Mitglied des Stadtrats ist, kann nicht gleichzeitig hauptamtlich als Beamter mit Aufgaben der Staatsaufsicht über die Gemeinde oder mit ihrer überörtlichen Prüfung befasst sein. Wer als der Innenminister ist denn die oberste Kommunalaufsicht im Land?
Unwissenheit, Kalkül oder Hybris?
Wusste man das bei der SPD Mainz nicht – oder nahm man es einfach in Kauf? Dann kann eigentlich nur das Kalkül dahinterstecken: Eblings Bekanntheit nutzen, Stimmen abgreifen – und dann sagt der Minister freundlich Danke und verzichtet auf sein Mandat. Das aber verdient nur ein einziges Wort: Wählertäuschung. Es dürfte übrigens höchst fraglich sein, ob dieses Kalkül aufgeht – die Mainzer SPD hat offenbar noch immer nicht verstanden, wie gründlich die Mainzer ihrem Ex-OB seinen reuelosen Abgang übel nehmen.
Im schlimmsten Fall also offenbart dieser Vorgang also eines: die anhaltende Hybris der Mainzer Sozialdemokraten. „Die Stadt gehört uns“, diese Haltung trug man über Jahrzehnte wie eine Monstranz vor sich her, besonders offenbar wurde das bei der OB-Wahl 2019, als die Mainzer Jusos sich nicht scheuten, den gefährlichsten Gegenkandidaten als Rechtsaußen zu diffamieren. Der Ebling-Gefährder hieß Nino Haase, die Juso-Vorsitzende: Jana Schmöller, damals unter ihrem Mädchennamen Jana Schneiß. Entschuldigt hat sie sich dafür nie.
„Wir haben verstanden“, hieß es nach dem desaströsen Abschneiden der SPD-OB-Kandidatin Mareike von Jungenfeld: 13,3 Prozent im ersten Wahlgang für die Partei, die sich als Erbhof in Sachen OB-Amt wähnte – eine Klatsche sondergleichen. Aber hat die Mainzer SPD wirklich verstanden? Mit der Nominierung Eblings auf der neuen Stadtratsliste dürfen die Wähler dahinter nun getrost ein Fragezeichen machen. Ein Neuanfang sieht wahrlich anders aus.
Info& auf Mainz&: Einen ausführlichen Bericht über die Stadtratsliste der Mainzer SPD findet Ihr hier bei Mainz&. Die Mainz&-Analyse nach dem Ausgang der OB-Wahl 2023 und zu künftigen Entwicklungen in der kommunalpolitischen Landschaft von Mainz findet Ihr hier.