Nach dem Debakel bei der OB-Wahl Anfang des Jahres setzt die Mainzer SPD nun konsequent auf Neuaufstellung: Bei der Kommunalwahl 2024 wollen die Sozialdemokraten mit vielen neuen und vor allem prominenten Gesichtern punkten. „Wir stellen wortwörtlich eine Liste von und für Mainz auf „, sagten die beiden Kreischefs Jana Schmöller und Ata Delbasteh. Auf der 60 Plätze fassenden Liste gibt es viele Überraschungen: einen Bundestagsabgeordneten und eine Psychologin, eine Ex-AZ-Redakteurin – aber keinen Kreischef. Derweil weht den Sozialdemokraten in Umfragen ein immer stärkerer Gegenwind entgegen.
60 Sitze fasst der Stadtrat von Mainz, und 60 Listenplätze vergaben die Mainzer Sozialdemokraten nun bei ihrer Aufstellung zur Kommunalwahl, die am 9. im Juni 2024 stattfinden wird. „Diese Liste umfasst bis zum letzten Platz engagierte Menschen, die sich leidenschaftlich mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen für die Zukunft der Stadt Mainz einsetzen, und ein Kompass der Gesellschaft sind“, betonten die beiden Kreischefs Jana Schmöller und Ata Delbasteh nun bei der Aufstellung in Mainz, und versprachen: „Jede Wählerin und jeder Wähler wird sich durch die Repräsentanten auf dieser Liste wiederfinden.“
Die Liste ist noch nicht final, die 60 Kandidaten und ihre Reihenfolge müssen noch auf einem Parteitag am 18. November beschlossen werden. Die jetzige Liste sei „ein Vorschlag des Vorstands der SPD Mainz“, teilte die Partei mit – ein solch umfassender Vorschlag, der bereits einer fertigen Liste gleichkommt, ist in der Parteienlandschaft eher ungewöhnlich. Die Mainzer SPD hat harte Zeiten hinter sich: im Frühjahr stürzte die SPD Mainz mit ihrer OB-Kandidatin Mareike von Jungenfeld auf ganze 14,3 Prozent ab und verlor erstmals seit mehr als 70 Jahren den OB-Sessel in der Landeshauptstadt.
Wo stehen die Mainzer Sozialdemokraten in der Wählergunst?
Seither ist völlig unklar, in welchem Zustimmungsrahmen sich die Sozialdemokraten in Mainz überhaupt noch bewegen. Bundesweit schadet die Beteiligung an der Ampel-Regierung in Berlin den Sozialdemokraten zurzeit massiv, beim jüngsten ZDF-Politbarometer kam die Kanzlerpartei nur noch auf ganze 14 Prozent. Aber auch im Land Rheinland-Pfalz ließ die Zufriedenheit mit den seit 32 Jahren regierenden Sozialdemokraten jüngst deutlich nach. In den Umfragen liegt die SPD Rheinland-Pfalz immerhin noch bei 25 Prozent, das sind aber rund zehn Prozentpunkte weniger als bei der Landtagswahl im Frühjahr 2021.
Dazu kommt, dass viele Mainzer noch immer dem alten Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) seinen urplötzlichen Abgang in Richtung Innenministerium vor genau einem Jahr weiter übel nehmen. Ebling habe einen schlecht aufgestellten Mainzer Kreisverband hinterlassen, und seit ohne Rücksicht auf die Mainzer SPD entschwunden, kritisieren auch viele in der SPD selbst. Ebling hat das immer zurückgewiesen: „Du läufst vor so einer Verantwortung nicht weg“, verteidigte sich Ebling jüngst bei einem Gespräch im Mainzer Presseclub: Wenn er zu so einem Amt gerufen werde, „dann schlag‘ ich mich nicht in die Büsche.“
Das Ergebnis des plötzlichen Abgangs war indes ein krachendes Scheitern bei der OB-Wahl, danach setzt die Mainzer SPD nun mit dem neuen Spitzenduo aus Stadträtin Jana Schmöller und dem Gastronom Ata Delbasteh auf einen Neuanfang – und will das nun auch demonstrativ bei der Kommunalwahl im kommenden Jahr zeigen. „Wir stellen wortwörtlich eine Liste von und für Mainz auf und zeigen deutlich: Wir sind die verlässliche kommunalpolitische Kraft in dieser Stadt“, betonten die beiden Kreischefs. Die SPD werde auch weiter „gegen soziale Ausgrenzung kämpfen, für Bildung sorgen, den Wirtschaftsstandort stärken, dabei unsere Kultur und Geschichte bewahren. So wird die Zukunft der Stadt gestaltet. Das war so und so wird es über die Wahl hinaus so bleiben.“
Schmöller und Baldy Spitzenkandidaten, auch Ebling auf Liste
Kreischefin Jana Schmöller soll denn auch als Spitzenkandidatin auf Platz eins kandidieren – das hatte der SPD-Vorstand bereits im Juni entschieden. Die 31-Jährige hat Politikwissenschaften an der Fernuni Hagen studiert und ist die aktuelle Fraktionschefin der SPD im Mainzer Stadtrat. Seit April ist Schmöller auch Co-Vorsitzende der Mainzer SPD, gemeinsam mit dem Gastronomieunternehmer Ata Delbasteh. Der 44-Jährige wohnt indes in Mainz-Bischofsheim – auf der Stadtratsliste ist er deshalb nicht zu finden.
Auf Platz 2 der Liste – und damit dem ersten „Männerplatz“ – will hingegen der Mainzer SPD-Bundestagsabgeordnete Daniel Baldy antreten, trotz seines Mandats in Berlin. Auf Platz 3 soll die langjährige Ortsvorsteherin des Lerchenbergs, Sissi Westrich, kandidieren, auf Platz vier der SPD-Stadtrat Matthias Dietz-Lenssen. Die bisherige SPD-Fraktionschefin Alexandra Gill-Gers kommt hingegen erst auf Platz 33 – drei Plätze hinter Innenminister Michael Ebling, der auf Platz 30 geführt wird. Auch SPD-Finanzministerin Doris Ahnen taucht auf Platz 27 der Liste auf, auf Platz 20 der frühere Neustadt-Ortsvorsteher und Landtagsabgeordnete Johannes Klomann, der auch jetzt Stadtratsmitglied ist.
Seit der Kommunalwahl 2019 hält die Mainzer SPD aber nur 12 Sitze im Mainzer Stadtrat, damals kamen die Sozialdemokraten noch auf 20,5 Prozent. Sollte die Zustimmung der Mainzer zur Sozialdemokratie weiter sinken, müsste die SPD weitere Sitze abgeben – die sogenannten „sicheren Listenplätze“ könnten sich deshalb nur auf den Plätzen 12 bis 14 befinden. Sicher ist allerdings bei der Kommunalwahl gar nichts: Weil bei den Wahlen kumuliert und panaschiert wird, also bis zu drei Stimmen für einen Kandidaten vergeben, andere sogar gestrichen werden können, werden die Listenplätze regelmäßig stark durchgewürfelt.
Parteilose sollen SPD im Mainzer Stadtrat nach vorn bringen
Klar ist indes: Die SPD-Stadtratsfraktion wird sich stark verändern, die bisherige Stadträtin Myriam Lauzi tritt erst auf Platz 39 wieder an, Eleonore Lossen-Geißler, Martina Kracht, Henning Franz und Christine Zimmer überhaupt nicht. Mit größerer Sicherheit wieder dabei sind SPD-Verkehrsexperte Erik Donner (auf Platz 7 gesetzt), Martin Kinzelbach (Platz 11) sowie die OB-Kandidatin Mareike von Jungenfeld auf Platz 8. Neu in den Stadtrat einziehen könnten demnach Ehsan Braner (Platz 9), Kathleen Herr (Platz 10), Yasmine Koch (Platz 11) oder Bjoern Witczak (Platz 12) – wenn ihnen nicht andere, prominentere Kandidaten den Rang ablaufen.
Denn für ihre Neuaufstellung sucht die Mainzer SPD auch gleich mit einer ganzen Reihe prominenter Namen zu punkten – von denen drei als Parteilose antreten wollen. Dazu gehört die bisherige langjährige Redakteurin der Allgemeinen Zeitung, Maike Hessedenz, die gerade erst zum Oktober bei der VRM ausgeschieden war. „Keine kennt die Stadt Mainz so gut wie Maike Hessedenz: Sie repräsentiert das Mainzer Lebensgefühl, weiß wo der Schuh drückt und welche Themen angegangen werden müssen, um unsere Mainzigartigkeit zu bewahren“, betonten die beiden Kreischefs – Hessedenz soll auf Platz 5 antreten und wäre damit beinahe schon sicher im Stadtrat.
Auf Platz 26 wiederum soll mit Daniel Sieben ein weiterer Parteiloser antreten: Sieben ist einer der beiden Gründer des „Schrebergartens“ in der Mainzer Neustadt. Er habe „aufgrund seiner Liebe zu Mainz Unternehmungen aufgebaut, die beweisen, dass Regionalität und Kreativität kleiner Mainzer Labels treibende Kraft sein können“, schwärmte der Vorstand: „Seine Ideen, die Attraktivität von Stadteilen zu steigern, haben sich bereits bewährt.“ Dritte parteilose Kandidatin ist die Vorsitzende des ukrainischen Vereins, Viktoriya Jost, die allerdings erst auf Platz 49 rangiert.
SPD Mainz im Umbruch: Partei und Fraktion sortieren sich neu
Die Liste mache deutlich, „wie wichtig uns bei der Listenaufstellung der Aspekt der Diversität ist“, betonten Schmöller und Delbasteh weiter. Dazu gehöre auch die Kandidatur der Psychologin Donya Gilan auf Platz 13: Gilan sei Expertin für den Themenkomplex Anpassung an Krisen und neue Lebensumwelten, „das zeigt, dass wir bewusst Wege suchen, um auch in Zukunft eine soziale und resiliente Gesellschaft in Mainz auszubauen.“ Unter den weiteren Kandidaten sind auch die Kulturei-Macherin Yvonne Wuttke oder der Gewerkschafter Alexander Chatzigeorgiou, der bisherige SPD-Kreischef und Mombacher Ortsvorsteher Christian Kanka kommt erst auf Platz 52.
Neben den parteilosen Kandidaten setze die SPD Mainz „auch auf ihr internes, starkes Personal“, betonten Schmöller und Delbasteh: „Neben Diversität zeichnet sich die Liste zur Wahl des Stadtrates durch enorme Expertise, Zuverlässigkeit und dem Blick für die Bedürfnisse unserer Stadt und ihrer Bürgerinnen und Bürger aus.“ Darüber entscheiden die Mainzer dann am 9. Mai 2024.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Frage: „Sortiert sich die kommunalpolitische Landschaft in Mainz neu?“ lest Ihr auch hier bei Mainz&. Mehr zum Ausgang der OB-Wahl in diesem Frühjahr in Mainz, und was das für die Kommunalpolitische Landschaft bedeutet, lest Ihr hier: „Ohrfeige für die Ampel, Erdrutsch weg von Parteien – die Mainz&-Nachwahlanalyse.“ Natürlich wird Mainz& auch über die Listenaufstellung der übrigen Parteien für die Kommunalwahl 2024 berichten, manche Parteien stellen ihre Listen aber erst im kommenden Jahr auf. Alle Berichte findet Ihr demnächst in unserem Mainz&-Wahldossier, die ersten Berichte hier:
— Mit wem die Linke Mainz in die Stadtratswahl zieht