Achtung&: Dieser Artikel erschien am 07. November 2019 auf der Internetzeitung Mainz& – im Rahmen des OB-Wahlkampfs 2019. Nino Haase stand damals kurz vor der Stichwahl bei der Oberbürgermeisterwahl gegen Amtsinhaber Michael Ebling (SPD), die am 10. November 2019 stattfand. Haase verlor knapp gegen Ebling. Am kommenden Sonntag ist erneut Stichwahl in Mainz, erneut tritt Nino Haase an. Aus aktuellem Anlass wiederholen wir diesen Artikel 2019 heute noch einmal in seiner Originalform – mehr dazu hier auf Mainz&.
Vier Tage vor der Stichwahl ums Oberbürgermeisteramt in Mainz haben die Mainzer Jusos den parteilosen OB-Kandidaten Nino Haase wegen seiner Mitgliedschaft in einer Studentenvereinigung angegriffen. Juso-Vorsitzende Jana Schneiß warf Haase „Deutschtümelei“ und „verengtes Denken“ vor, das sich gegen die Gleichheit der Geschlechter und für „Volk und Vaterland“ richte. Haase sei Mitglied im Verein Deutscher Studenten, das von diesem Verband vertretene Denken stehe Toleranz und Weltoffenheit entgegen. Haase wies die Vorwürfe zurück: „Das ist eine Frechheit“, sagte er der Internetzeitung Mainz&: Der VDSt stehe für Toleranz und Basisdemokratie und lehne jede Form des Extremismus ab. „Wir lehnen die rechts-nationale Gesinnung deutscher Burschenschaften ab“, betonte Haase, und kritisierte: Solche persönlichen Angriffe schadeten der Demokratie, „das ist eklig, was hier abläuft.“
Die Jusos hatten am Mittwoch in einer Pressemitteilung kritisiert, Haase sei Mitglied im „Verband der Vereine Deutscher Studenten (Kyffhäuserverband)“, so jemand „richtet sich mit dieser Verbindungsmitgliedschaft allerdings gegen Werte wie die Gleichheit der Geschlechter und verpflichtet sich auf vermeintliche Werte wie den kulturellen ‚Vaterlandsbegriff‘.“ Der Verband beflagge sein Verbandshaus mit der „sogenannten Reichskriegsflagge“ in den Farben Schwarz-Weiß-Rot, „dieses verengte Denken passt nicht zu Mainz und kann uns Mainzer nicht repräsentieren!“ Die OB-Wahl am Sonntag sei deshalb „auch eine Wertewahl“.
Am Sonntag stehen sich in der Stichwahl ums OB-Amt im Mainzer Rathaus Amtsinhaber Michael Ebling (SPD ) und sein unabhängiger Herausforderer Nino Haase gegenüber, Haase ist parteilos, wird aber von CDU, ÖDP und Freien Wählern unterstützt. „Michael Ebling steht für eine klare und verlässliche Politik mit allen in Mainz lebenden Menschen“, betonte Schneis weiter, Ebling stehe damit „für unser wunderschönes, tolerantes und weltoffenes Mainz für alle!“ Der „Meenzer Grundwert des guten und friedlichen Miteinanders wird durch Deutschtümelei gefährdet“, fügte die Juso-Vorsitzende noch hinzu.
Die Jusos verbreiteten ihre Botschaft auch per Video auf ihrem Facebook-Skandal, die Reaktionen dort waren prompt heftig – allerdings meist anders, als wohl erwartet: „Auf diese Art Wahlkampf zu führen, ist einfach nur unprofessionell, und der undifferenzierte Umgang mit dem Thema Studentenverbindung zeugt von kompletter Unwissenheit und vor allem Ignoranz“, schrieb eine Ex-Mainzerin etwa.
Haase bestätigte am Mittwoch auf Mainz&-Anfrage, er sei seit seinem Studium 2003 Mitglied des Mainzer Vereins Deutscher Studenten Königsberg-Mainz – das stehe auch in seinem offiziellen Lebenslauf, den er schon zum Start seiner Kandidatur im Januar verteilt habe. „Der Einstieg war ein billiges Zimmer, auch damals war Wohnraum knapp“, sagte Haase, und betonte: „Wir haben das Toleranzprinzip, wir tragen deshalb auch keine Farben an Band oder Mütze, um uns nicht abzugrenzen von anderen.“ Die Vereinigung sei überparteilich und demokratisch, „unser letzter Senior war einer von den Grünen“, sagte Haase.
Die Vereine Deutscher Studenten sind ein Zusammenschluss von rund 40 Studentenvereinigungen, die nicht-schlagend sind, zu ihren Prinzipien gehört das basisdemokratische Prinzip und das Toleranzprinzip. „Die Mitglieder sollen zu verantwortungsbewussten Bürgern erzogen werden“, heißt es in den Grundregeln der VDSt, aufgeführt im Onlinelexikon Wikipedia, ganz ähnlich steht es auch auf der Internetseite der Studentenvereinigung VDSt Königsberg-Mainz: „Der Verband ist politisch neutral und konfessionell nicht gebunden“, aufgenommen würden auch Studenten nicht-deutscher Herkunft.
Ziele seien, den Mitgliedern „politische Kenntnisse zu vermitteln, die persönliche Einsatzbereitschaft zu fördern und kritisches Bewusstsein zu wecken.“ Die Mitglieder sollten sich einsetzen für „die demokratische Grundordnung, für eine gerechte, um Ausgleich bemühte soziale Ordnung, für die Erhaltung einer lebenswerten Umwelt“ und für ein geeintes, freiheitlich-demokratisches Europa gleichberechtigter Völker.
Ja, der Verein sei eine reine Männerverbindung, „das ist wahr“, sagte Haase weiter, das sei historisch gewachsen. Es gebe auch „immer wieder die Diskussion, das zu ändern, ich stehe dem offen gegenüber“, sagte Haase weiter. Nur an wenigen Abenden seien die Herren aber unter sich, „da können wir auch fragen, warum gibt es Männerchöre, warum gibt es Männer-Fußballmannschaften“, sagte er. Ihm selbst sei wichtig, eine starke Frau an seiner Seite zu haben, wie er es mit seiner Partnerin Mandy – einer Hochschuldozentin – erlebe. „Wir lehnen rechte und linke Erscheinungsformen des Extremismus gleichermaßen ab“, betonte Haase weiter: „Wir haben uns schon vor Jahren von der deutschen Burschenschaft offiziell distanziert, deren rechts-nationale Gesinnung lehnen wir ab – der VDSt ist keine Burschenschaft.“
Tatsächlich ist das Spektrum deutscher Studentenverbindungen groß, besonders Burschenschaften haben eine schlechten Ruf: Einem Großteil von ihnen wird eine große Nähe zu rechtsextremem Gedankengut vorgeworfen. Insbesondere der Verband Deutscher Burschenschaften vertritt einen „volkstumsbezogenen Vaterlandsbegriff“, seinen Mitgliedsverbänden wird immer wieder vorgeworfen, nationalistisch-rechtes Gedankengut zu vertreten, das eine große Nähe zum alten nationalsozialistischem Gedankengut oder aber den neuen rechtsextremen Thesen der AfD aufweist. 1998 kritisierten andere Studentenverbindungen, es gebe Burschenschaften, „in denen nachweisbar rechtsextremistisches und nationalistisches Gedankengut vertreten wird und in denen frauenfeindliche und rassistische Ideen fröhliche Urständ‘ feiern“ – und traten aus dem Bund der Burschenschaftler aus.
Auch der Politikwissenschaftler Stephan Peters, Autor mehrerer kritischer Bücher über Burschenschaften, warnt vor pauschaler Vorverurteilung und einseitiger Bewertung: Es gebe einen Unterschied zwischen rechtsextremen Burschenschaften, studentischen Verbindungen und Corps, in der öffentlichen Meinung würden diese aber „alle in einen Topf geworfen“, zitiert das Onlinelexikon Wikipedia Peters aus einem Interview, das er im Februar 2013 der „Allgemeinen Zeitung“ in Mainz gab. Peters betonte demnach: „Corps etwa legten großen Wert auf Toleranz und hielten sich politisch neutral, im Gegensatz zu den Burschenschaften.“
Die ersten Vereine Deutscher Studenten wurden in den 1880er Jahren in Deutschland gegründet, man trat für Gott, Kaiser und Reich ein, und kürte deshalb auch die Farben der damaligen Reichsflagge Schwarz-Weiß-Rot zu den eigenen Farben. Antisemitismus spielte zu dieser Zeit eine große Rolle im ganzen Deutschen Reich, gerade junge Menschen brannten für das Vaterland, das erst zehn Jahre zuvor überhaupt durch die Kriege des Reichskanzlers von Bismarck zu einem geeinten Reichsgebilde geworden war – nach Jahrzehntelangem Ringen, wie es sich im Hambacher Fest 1832 manifestierte, als Hunderte auf das Schloss in der Pfalz zogen, um Einheit, Freiheit und Brüderlichkeit zu fordern. Hauptakteure damals: Burschenschaftler und Studentenverbindungen. Die Fahne vom Hambacher Schloss hängt heute im Plenarsaal des Landtags von Rheinland-Pfalz.
Der VVDSt führt bis heute die Farben der alten Reichsflagge aus dem Kaiserreich, unter den Nationalsozialisten wurde der Verband gleichgeschaltet – nach dem Krieg und der Neugründung standen die Wiedervereinigung und heute das Streben nach einem Vereinten Europa im Mittelpunkt. Gegründet wurde der VVDSt im August 1881 von rund 800 Studenten bei einem Kyffhäuserfest, der Verband trägt deshalb auch den alten Namen „Kyffhäuser-Verband“. Der Kyffhäufer-Verband hat jedoch nichts gemeinsam mit dem sogenannten Kyffhäuserbund, einem Soldatenbund, der 1838 von den Nationalsozialisten in den Reichskriegerbund eingegliedert wurde. Rechtsextrem besetzt ist der Name Kyffhäuser auch durch die jüngsten „Kyffhäusertreffen“ des rechten Flügels der AfD um Björn Höcke, der damit an alte nationalsozialistische Symbole und Ideologie anknüpft.
„Der Kyffhäuserverband hat mit dem Kyffhäuserbund nichts zu tun“, betonte Haase gegenüber Mainz&, „wir haben alle politischen Richtungen bei uns“, rechts-nationales Gedankengut werde strikt abgelehnt. „Es ist eklig, was hier abläuft“, kritisierte Haase die Äußerungen der Jusos, „das einzige, was dieser Partei hier noch einfällt, ist jemanden in eine rechte Ecke zu stellen.“ Es gehe in der Debatte nur noch darum, „jemanden persönlich schlecht zu machen“, das schade der Demokratie. „Diese Leute benehmen sich selbst wie die Rechtspopulisten, gegen die wir alle kämpfen müssen“, betonte Haase, „das befördert die Akzeptanz solcher inhaltsleeren Hetze und Unterstellungen.“
Info& auf Mainz&: Die Homepage des Vereins Deutscher Studenten Königsberg-Mainz findet Ihr hier im Internet, schaut sie Euch selbst an. Das Video der Jusos samt Kommentaren dazu findet Ihr hier auf Facebook. Mehr zum VVDSt könnt Ihr hier bei Facebook nachlesen. Die Homepage von Nino Haase könnt Ihr hier im Internet finden, ein Porträt über Haase, erstellt im Januar 2019, findet Ihr hier bei Mainz&. Am Donnerstagabend treffen Haase und Ebling noch einmal bei Antenne Mainz im Live-Duell aufeinander, Start ist um 18.00 Uhr.