Die Corona-Pandemie hat eindeutig Spuren hinterlassen: “Wir haben ein neues Projekt: krisensicher, viereckig und ganz viel Unterhaltung unter einem Dach”, sagt Günter “Entertainment” alias Martin Heininger – im zweiten Winter der Corona-Pandemie präsentiert der Gonsenheimer Carneval Verein (GCV) zu seinen Kammerspielen pandemisch sicheres “Schoggo TV”. Das tut der GCV zwar in einem Saal vor realem Publikum, doch gleichzeitig unter höchsten Corona-Sicherheitsauflagen, und so kann sich in der Gonsenheimer Turnhalle ein höchst närrisches Kaleidoskop von Casting- und Koch-Shows, von Late Night Talk und Musicaleinlagen entfalten, und auch eine Corona-Pressekonferenz darf nicht fehlen…
“Ist man gar nicht mehr gewöhnt, so viele Leute”, staunt Gerd “Entertainment” alias Christian Schier beim Blick in den Saal, und doch entfaltet sich beim Blick auf die Bänke ein ungewohnter Anblick: Die GCV-Kapelle “Syncopers” sitzt im “Aquarium” auf der Empore, und die Gäste haben Platz. Es ist die wohl erste Fastnachtssitzung in der altehrwürdigen Gonsenheimer Turnhalle, bei der das Publikum Glieder und Beine ausstrecken kann, ohne den Nachbarn zu belästigen. Der Abstand zur nächsten Gruppe beträgt schon mal einen Meter oder sogar mehr – der Gonsenheimer Carneval Verein (GCV) hat zur Feier seiner Kammerspiele statt den üblichen 600 bis 700 Gästen in diesem Jahr nur etwas mehr als 300 geladen.
“Wir feiern in einer familiären Atmosphäre, und wollen die Säle extra nicht voll belegen”, grüßt GCV-Präsident Martin Krawietz zu Beginn, und dankt, “dass Sie uns das Vertrauen geschenkt haben.” Tatsächlich ist das auch ordentlich erarbeitet: Die GCV Kammerspiele stehen unter der 2G-Regel, und ob man geimpft oder genesen ist, wird beim Einlass strikt kontrolliert. Angesichts der erneut rasant steigenden Infektionszahlen bat der GCV seine Gäste im Vorfeld zudem spontan zum Corona-Selbsttest in Eigenverantwortung, das kam bei den Gästen gut an.
Und auch die Show auf der Bühne setzt auf pandemisch-sichere Unterhaltung: Die Gonsenheimer Narren präsentieren einfach Narren-Fernsehen, man hat ja während der Corona-Pandemie geübt. Zur Freude des Publikums wird das von einem Kult-Duo moderiert: Martin Heininger und Christian Schier schlüpfen nach 12 Jahren noch einmal in die Kostüme von “Günter und Gerd Entertainment”, das bietet Gelegenheit für allerlei Nonsens-Einlagen – und natürlich den ewigen “Hähnchengrill von Drais”. Aber vor allem haben “Günter und Gerd” ja einen Fernsehsender zu moderieren, und so gibt es gleich zu Beginn ein närrisches Casting, das Jens Ohler und Andreas Müller quer durch die Filmszenerie führt, und danach ein furioses Musical-Ballett mit feiner Rocknummer, gefeierter ABBA-Einlage und einem höchst närrischen “Die Liköre sind für mich” – da ist der Saal gleich mal auf Betriebstemperatur.
Natürlich darf in einem Fernsehkanal eine Koch-Show nicht fehlen, zum “Duelle de la Cuisine” treten Drei Sterne Koch-Jacques alias Johannes Emrich und “Salattist” Marius Hohmann gegeneinander an, da fliegen die Veganer-Witze nur so zum Kühlschrank und zurück. “Veganer haben keine Kinder, sondern Sprösslinge”, lästert Jacques ungeniert, und der Saal quittiert es mit begeisterter Heiterkeit. Den Schiedsrichter spielt am Ende Reiner Calmund alias Peter Büttner, überhaupt spielt sich der Tausendsassa des GCV an diesem Abend durch so viele Rollen wie nie: gewichtiger Calmund, beflügelter Sportler mit Bier-Yoga oder schüchternes Herzblatt – kein anderer schlüpft in so viele kuriose Rollen.
Fürs sichere Durchkommen sorgt derweil am Sorgentelefon Altmeister Rudi Hube, der nicht nur Intendanten beruhigen und nervige Anrufer abwimmeln kann, sondern auch seine eigene Callcenter-Warteschleife beherrscht, mit Mundharmonika und 111 Minuten Wartezeit – herrlich-närrische Zwischensketche, die gleich noch zur Überleitung dienen: Kaum sind die zwei Portionen Fleischworscht in der Kantine bestellt, rocken die auch schon mit “Darf’s es bissche mehr soi” den Saal – die Fleischworschtathleten Benny Scholian und Mathias Geil sind nach der Corona-Abstinenz so gut drauf wie nie.
Gut drauf sind auch die beiden Auswanderer Christophe Hinz und Julia Döring, die sich trotz aller Samba- und Makkarena-Versuchungen der Ferne natürlich doch lieber daheim in Gonsenheim niederlassen. Eine mitreißende Augenweide ist das “Dance Tutorial” des GCV-Balletts, Laura Heinz grüßt ganz im Stil großer Fernsehshows und weckt anschließend große Gefühle mit ihrer Mainz-Hymne – überhaupt fällt eines an diesem närrischen Fernseh-Abend besonders auf: Es tummeln sich doch tatsächlich so viele Frauen wie nie auf der GCV-Bühne als tragende Aktive jenseits des Balletts.
Vor allem Christina Grom und Lea Heymann geben mit ihrer “Gonsbach-Lorette” auf der Suche nach dem Glück den Männern (zur Gaudi der Frauen im Saal) echte Narren- Tiefschläge mit: Suchst Du einen Mann, der viel lacht, scheidet schon mal das Komitee aus, beim geringen Alkoholkonsum fliegen die Schnorreswackler von der Bank, und der letzte verbliebene Kandidat – ist ein Finther… Da passt das böse Jägerlatein von Maurice Müller als herrliches Gegenstück, der Newcomer schafft es nicht nur von der “Narrenschau” geradewegs auf die große Bühne, sondern dort auch, platte Untiefen des Männerwitzes zu vermeiden und stattdessen treffsicher und süffisant unter der Gürtellinie zu wildern.
Für den närrischen Kokolores in Reinform sind indes jetzt schon seit einigen Jahren andere einstige Narrenschau-Newcomer zuständig: Die “Herpes House Band” seziert in diesem Jahr das Rotkäppchen völlig politisch korrekt, top aktuell, gewaltfrei und natürlich mit Lokalbezug – eine herrliche und grandios geschauspielerte Persiflage auf das Fernsehbusiness und zugleich den grassierenden “Political Correctness”-Hype. Nonsens toppen können da nur zwei: Wenn sich Thomas Becker und Frank Brunswig als “Almerindos” durch die Musikgeschichte bis hin zu tiefgefrorenen Inuits spielen, kann eigentlich kein Auge trocken bleiben – oder?
Die Schnorreswackler werden in der Spielshow “Wer zuletzt lacht” erheblichen Trommelfell-Attacken ausgesetzt, bis am Ende nur noch zwei widerstanden haben und als Sieger von der Bank rutschen – das Publikum liegt da längst mit Lachmuskel-Krämpfen am Boden. In der Überraschungsshow hat auch das “Coronia Duett” alias Thomas Becker und Matthias Bockius seinen Einstand, und singt dabei “Impfstöffche im Sonnesching” – die beiden vollständigen Bockius Brothers laden zu späterer Stunde dann auch noch zur Scherzblatt-Suche mit einem Bayern, einem Wiesbadener Snob und einem Finther Spargelbauer, bei der ein Drehhocker, der seinen Namen allzuernst nimmt, zum unfreiwilligen Star der Nummer wird… aber da ist Herzblatt Peter Büttner ohnehin schon mit dem Moderator getürmt.
Aber was wäre ein närrischer Fernsehsender ohne die Politik? Keine Sorge, es gibt ja “Late Night Gunsenum” und Thorsten Schäfer, der sich – erstmals komplett gereimt! – durch die politische Landschaft talkt und den versöderten Wahlkampf ebenso abarbeitet wie die Autofahrer-Fahrradschlacht von Mainz und den großen “Bumm” in Wiesbaden. Schäfer vergisst auch die Mainzer Stadtpolitik nicht, geißelt die hochbesoldete neue Doppelspitze der Mainzplus Citymarketing – “Fachkenntnis ist nicht relevant, Parteifreundschaft, die wird verlangt” – ebenso wie das Schlafen der Stadtspitze in Sachen Biontech-Gründer-Ehrung: “Denn wenn einem so viel Gutes widerfährt, dann gehör’n die zwei schon längst geehrt”, reimt Schäfer mit Blick auf die Biontech-Gründer Ugur Sahin und seine Frau Özlem Türeci – der Saal stimmt mit donnerndem Applaus zu.
Zum Highlight des Abends aber wird, die Pandemie lässt grüßen, die Corona-Pressekonferenz von Sebastian Grom: “Wir sind alle fachfremd, widersprechen uns und haben alle keine Ahnung, wovon wir reden”, begrüßt der Mann vom “Becker-Loch-Institut” seine Zuschauer: “Aber wir geben es wenigstens zu.” Sebastian Grom blickt auf die Corona-Lage des vergangenen Jahres – und kann beim besten Willen keine Errungenschaften der Politik finden. Dabei gäbe es so einfach Methoden, die Impfbereitschaft anzukurbeln: Weil es jetzt in Thüringen zur Impfung eine Bratwurst gibt, “sind bei uns im Sommer beim Grillen 20 Finther über den Zaun gehüpft und wollten sich impfen lassen”, berichtet Grom – geht doch.
Mit zielsicheren Spitzen erledigt Grom punktgenau Querdenker und vergeigende Politiker und rät: “Glauben Sie lieber Wissenschaftlern, die sich hin und wieder irren, als Irren, die glauben, sie seien Wissenschaftler.” Die Vorbehalte gegen den Impfstoff versteht er sowieso nicht: “Pfizer hat Viagra entwickelt”, erklärt Grom: “Wer Tote zum Leben erweckt, kann auch Lebende vor dem Tod retten.” Wann die Pandemie endlich vorbei ist? “Wenn Karl Lauterbach auf dem Mainzer Marktfrühstück drei Halbe bestellt.”
Wenn doch nur die Politik mal zuhören würde – aber die ist ja gerade in Berlin mit ihren Koalitionsverhandlungen beschäftigt: Die Schnorreswackler schlüpfen noch einmal in ihre politischen Anzüge des närrischen Bundestages und laden jetzt zum musikalischen Ringen um die nächste Regierung. “Wir wollen aufsteh’n, aufeinander zugeh’n, voneinander lernen – oder lass ich’s lieber sein?” singen die Schnorreswackler, und machen sich ehrlich: “Ich find Dich Scheisse!”
Das alles ist in der Tat Deutschland, und die Gesangstruppe lässt wirklich nix aus: Vom “Ich will Kanzler sein”-Zwischenrufer – “Das glaubst nur Du allein!” entgegnet der Chor – über den Bayrischen Cowboy bis hin zu: “Ich bin der Olaf Scholz, der Sozen-Kanzlerstolz – und sage erst mal gar nichts.” Ein absolut furioser musikalischer Narren-Ritt bis hin zum “Ja” zur Koalition – mal sehen, ob die Berliner Politik da mithalten kann. “Alles wieder gut”, singen die Bockius Brüder am Ende – für die GCV Kammerspiele gilt das schon mal.
Info& auf Mainz&: Mehr zu Fastnacht in Coronazeiten und “2G” in der Mainzer Fastnacht lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr Narretei in Wort und Bild findet Ihr übrigens auf unserem Mainz&-Youtube-Kanal, unter anderem mit den Bockius Brothers – schaut mal hier vorbei! Und natürlich darf unsere Fotogalerie nicht fehlen: