Mainz bekommt nun doch kein Dieselfahrverbot: Die Stadt Mainz kippt ein streckenbezogenenes Fahrverbot für Dieselfahrzeuge der Euronorm 5 aus ihrem Luftreinhalteplan und stoppt damit die Einführung eines Fahrverbots auf der Rheinachse zum 1. Oktober. „Die Coronakrise hat uns Luft verschafft“, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) am Freitag in Mainz: Mainz werde in diesem Jahr voraussichtlich die Stickoxidwerte in der Innenstadt einhalten können. Der Preis dafür: Eine neue Umweltspur auf der Rheinstraße. Und als erste Stadt in Deutschland führt Mainz praktisch in der gesamten Innenstadt Tempo 30 ein.
Corona macht es möglich: Wegen des Shutdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie im März sank der Verkehr in der Mainzer Innenstadt so stark, dass auch die Stickoxidwerte auf bislang unerreichte Niedrigwerte fielen. Selbst an stark belasteten Messstationen fielen die für die Gesundheit giftigen Stickoxide dauerhaft auf Werte zwischen 30 und 40 Mikrogramm, und damit unter den EU-weiten Grenzwert von 40 Mikrogramm. Damit konnte Mainz erstmals seit Jahrzehnten die von der EU vorgeschrieben Luftmesswerte einhalten.
Die Konsequenz: Die Stadt Mainz verzichtet auf die Einführung eines Dieselfahrverbotes – zumindest vorerst. „Die Coronakrise hat uns Luft verschafft“, sagte Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) am Freitag bei der Vorstellung des modifizierten Luftreinhalteplans für Mainz, die sinkenden Werte hätten der Stadt die Zeit verschafft. Mainz hätte eigentlich zum 1. Juli ein Dieselfahrverbot für Fahrzeuge der Euronorm 4 und 5 einführen sollen, das war die Konsequenz aus dem urteil des Verwaltungsgerichts Mainz im Oktober 2018. Weil Mainz seit zehn Jahren den EU-weit vorgeschriebene Grenzwert für Stickoxide von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft nicht einhalten konnte, verlor die Stadt die Klage gegen die Deutsche Umwelthilfe – und musste fortan ein Dieselfahrverbot vorbereiten.
Doch dann kam die Coronakrise, und der Verkehr in der Innenstadt sank dramatisch: Um 30 bis 40 Prozent ging der Individualverkehr zurück, 36 Prozent weniger Autoverkehr verzeichneten die Messstationen in der ersten Woche nach dem Shutdown etwa in der Mainzer Parcusstraße. Auch der Busverkehr wurde deutlich weniger, die Mainzer Mobilität stellte auf Ferienfahrplan um, weil kaum noch Fahrgäste mit Bussen und Bahnen fahren wollten. Die erste Konsequenz folgte Ende März: Die Stadt verschob das Dieselfahrverbot auf den 1. Oktober – Kritiker hofften da schon: Das Fahrverbot könnte ganz kippen.
Der Shutdown habe dazu geführt, dass gerade der Individualverkehr in der Mainzer Innenstadt zeitweise stark zurückgegangen sei, sagte Eder nun: „Man sieht, dass das Homeoffice eine Abflachung der Kurve gebracht hat.“ Gerade der Peak von einpendelnden Menschen in den Morgenstunden habe so nicht mehr stattgefunden, zeigten Verkehrserhebungen. „Wenn es etwas Positives aus der Coronakrise gibt, dann dass die neuen Arbeitszeitregelungen den Verkehr mehr verteilen“, sagte Eder: „Das tut der Luft in der Stadt gut.“ In der Folge blieben die Stickoxidwerte auch an der viel belasteten Parcusstraße und selbst am neuesten Hotspot Rheinallee dauerhaft unter dem Grenzwert.
„Das gab uns die Möglichkeit, neue Gutachten in Auftrag zu geben und den Blick auf 2021 zu richten“, sagte Eder. Die neuen Gutachten ergaben: Auch mit anderen Maßnahmen sei ein dauerhafter Messwert unter 40 Mikrogramm möglich. Die Stadt habe daraufhin „in Ruhe und möglichst ohne Druck“ ein neues Konzept entwickelt, das nun in einem noch einmal überarbeiteten Luftreinhalteplan mündete. „Wir sind der Auffassung, dass wir alles ordentlich abgewogen haben“, betonte Eder. das Konzept sei bereits vor über einer Woche der Deutschen Umwelthilfe zugesandt worden.
Mit der Neuauflage des Luftreinhalteplans ist ein Dieselfahrverbot für 2020 damit vom Tisch – vorerst: Eder warnte auch vor Euphorie, denn wie sich der Verkehr in der Nach-Coronazeit entwickeln werde, das sei wie „der Blick in eine Glaskugel.“ Mainz müsse dauerhaft dafür sorgen, dass die Stickoxidwerte weiter unter dem Grenzwert blieben. „Wir haben bereits wieder eine Verkehrszunahme, die kritischsten Werte liegen derzeit schon wieder bei 39 Mikrogramm“, sagte Eder.
Der neue Luftreinhalteplan sieht deshalb auch weiter ein Fahrverbot vor – aber nur ein reduziertes. Betroffen wären nur noch Dieselfahrzeuge der Euronorm 4, damit sei die Betroffenheit „deutlich niedriger“, sagte Eder. Zudem würde ein Fahrverbot nur noch für zwei kleinere Strecken entlang der Rheinachse ausgewiesen, die Zufahrt zur Theodor-Heuss-Brücke, zur Rheingoldhalle und zu wichtigen Parkhäusern bliebe dauerhaft frei.
Der Preis für den Verzicht lautet: weitere Busspuren und ein nahezu flächendeckendes Tempo 30 in der Mainzer Innenstadt. Auf der Rheinstraße vor der Stadtbibliothek wird es deshalb eine neue Busspur geben, die dem ÖPNV helfen soll, gerade in Stauzeiten an den Autoschlangen vorbei zu fahren. Die Umweltspur darf auch von Fahrrädern genutzt werden, das soll ein zusätzlicher Anreiz für Radfahrer sein. Der vom Hochkreisel auf Kasteler Seite verursachte Rückstau auf der Theodor-Heuss-Brücke vor allem in Hochzeiten sei weiter ein Problem, sagte Eder.
Mit der Umweltspur unmittelbar vor der Stadtbibliothek rücke man den Verkehr „weiter weg von der Hauswand, wo der Passivsammler hängt“. Laut Gutachten bringe das eine Senkung von allein 3,5 Mikrogramm. Der Verkehrs werde dadurch nicht beeinträchtigt, es blieben zwei Fahrspuren inklusive der Linksabbiegerspur in Richtung Brücke erhalten. Ein weitere Busspur soll es zügig an der Geschwister-Scholl-Straße vor der Kreuzung am Pariser Tor geben, dort wird dafür eine der beiden Linksabbiegerspuren in Richtung Pariser Straße wieder wegfallen.
Und Mainz führt bereits zum 1. Juli Tempo 30 auf der gesamten Kaiserstraße, der Parcusstraße sowie auf der Rheinstraße und der Rheinallee zwischen Zollhafen und Holzhofstraße ein. Mainz sei damit die erste Stadt in Deutschland, in der künftig praktische flächendeckend Tempo 30 in der Innenstadt gelte, sagte Eder. Seit vergangenem Oktober sei das eine vom Bund anerkannte Maßnahme, den neuen Gutachten zufolge bringe die Geschwindigkeitsreduzierung allein vier Mikrogramm Senkung. Eder räumte aber auch ein, dass das nur funktioniere, wenn der Verkehrsfluss „verstetigt“ werde, die Ampelschaltungen würden deshalb auf das neue Tempo angepasst.
Für die neuen Maßnahmen legt die Stadt nun einen neuen Luftreinhalteplan auf, der ab dem 29. Juni dann erneut in die Offenlage zur Einsicht für die Bürger geht. Die können dann auch neue Einwände einreichen – Eder betonte zugleich aber auch, die bereits eingereichten Einwendungen zum „alten“ Luftreinhalteplan behielten weiter ihre Gültigkeit: „Es muss niemand seinen Einwand noch einmal schicken“, sagte sie. Bilanz gezogen werden soll dann erneut nach dem 31. Januar 2021 – dann liegen die Jahreswerte für 2020 vor.
Info& auf Mainz&: Mehr zur Verschiebung des Dieselfahrverbots in Mainz Ende März könnt Ihr hier bei Mainz& noch einmal nachlesen, in dem Text haben wir auch noch einmal die Kritik am Dieselfahrverbot zusammengefasst. Unter anderem hatten die CDU, die Junge Union, aber auch der Grünen-Koalitionspartner FDP ein Verzicht auf das Dieselfahrverbot gefordert. Reaktionen auf das nun gekippte Dieselfahrverbot lest Ihr später hier auf Mainz&. Mehr zum Thema Saubere Luft durch Corona lest Ihr hier bei Mainz&.