Man sagt ja gerne, es liegt Spannung in der Luft. Nun haben Wissenschaftler der Uni Mainz genau das nachgemessen und festgestellt: Im Kinosaal stimmt das tatsächlich. Ob eine Filmszene spannend, lustig oder eher langweilig ist, lässt sich tatsächlich sogar chemisch in der Atemluft bestimmen. „Es scheint, dass wir eindeutig messen können, ob Spannung in der Luft liegt“, sagt Jonathan Williams, Atmosphärenchemiker und der zuständige Gruppenleiter am Max-Planck-Institut für Chemie. Die Wissenschaftler konnten tatsächlich anhand von Kohlendioxid und Isopren in der Atemluft Filmszenen voneinander unterscheiden und sogar eindeutig den Emotionen zuordnen.
Normalerweise messen Williams und sein Team die Zusammensetzung der Erdatmosphäre oder die Emissionen von Regenwäldern, doch Williams interessiert sich schon länger auch für den Atem des Menschen: Den Wissenschaftler interessiert, ob der Atem der Menschheit wesentlich zu den Konzentrationen von Spurengasen wie etwa den Treibhausgasen Kohlendioxid und Isopren beiträgt – und stellte deshalb seine Messgeräte auch schon mal in einem Fußballstadion auf. Dort allerdings maß er keine nennenswerten Konzentrationen – allerdings verlief die Partie auch wenig aufregend und endete 0:0.
Nun wollten Williams und seine Kollegen die menschlichen Emissionen während emotionalerer Erlebnisse analysieren – und verfielen auf Kinovorführungen. „Wir haben uns gefragt, ob sich Szenen, in denen unterschiedliche Gefühle angesprochen werden, chemisch voneinander unterscheiden lassen“, erklärt Williams. Das Ergebnis war eindeutig: Die chemischen Signaturen der verschiedenen Filme und der verschiedenen Filmszenen unterschieden sich deutlich.
Werte stiegen deutlich bei Spannung und lustigen Szenen
So stiegen etwa die Werte für Kohlendioxid und Isopren in der Abluft immer dann deutlich an, wenn die Heldin in „Die Tribute von Panem“ um ihr Leben kämpfte. Lustige Sequenzen wiederum erzeugten andere molekulare Spuren in der Atemluft, die Massenspektrogramme habe man „deutlich voneinander unterscheiden“ können, sagt Williams. Die Wissenschaftler konnten sogar anhand der Substanzmuster rekonstruieren, welche Szene sich auf der Leinwand gerade abspielte – ohne den Film zu sehen. Eine Erklärung für die ansteigenden Kohlendioxid- und Isoprenwerte sei, dass sich die Kinobesucher bei aufregenden Filmszenen anspannen, unruhig werden – und dann schneller atmen.
Insgesamt 16 verschiedene Filme bezog das Team in seine Studie ein, die Filme wurden mehrfach, jeweils vor unterschiedlich großem Publikum gezeigt. Dazu gehörten Komödien wie „Das erstaunliche Leben des Walter Mitty“ und „Buddy“ oder „Der Hobbit“ und eben die „Tribute von Panem“. Für die Messungen installierten die Forscher ihre Messgeräte im Technikraum des Cinestar-Kinos in Mainz, und maßen in der Abluft des Kinos Kohlendioxid und einhundert weitere chemische Komponenten. Dafür wurden Massenspektrometer eingesetzt, die alle 30 Sekunden eine Messung machten.
Dabei werden chemische Moleküle zunächst ionisiert und in einem elektrischen Feld beschleunigt. Anhand der Verteilung von Ladung zu Masse bestimmt ein Analysator anschließend, um welche Moleküle es sich handelt. Zu den wichtigen Elementen gehörten neben Kohlendioxid auch Isopren, das ist eine von über 800 chemischen Verbindungen, die gesunde Menschen neben Kohlendioxid typischerweise in winzigen Mengen ausatmen. Welche physiologischen Prozesse der Bildung der Moleküle zugrunde liegen, ist jedoch weitgehend unbekannt.
Für die Auswertung der Daten holten sich die Chemiker wiederum Unterstützung bei den Informatikern der Uni Mainz – die sind weltweit mitführend im Bereich der systematischen Datenerhebung und -auswertung, dem sogenannten Data Mining. „Ein statistisch eindeutiges chemisches Signal haben wir bei lustigen oder spannenden Szenen erhalten, und können diese sogar erkennen, ohne den Film zu sehen“, sagt Jörg Wicker, der die Auswertungsalgorithmen entwickelt hat.
Experiment gut für Forschung über Atmung und Stoffwechsel
Und wozu ist das Ganze nun gut? Williams sieht in den Atem-Messungen ein großes Potenzial etwa für die Erforschung des menschlichen Atems, die würde auch Rückschlüsse auf den Stoffwechsel erlauben. Messungen in der Atemluft großer Menschenmengen könnten so auch eine Alternative zu Studien an Individuen bieten, für die die ethischen Hürden zunehmend höher werden. Davon könnte aber auch die Werbeindustrie profitieren: Sie könnte anhand der Atemluft einer Menschenmenge „schnell und objektiv messen, wie emotionale Reize auf eine ganze Gruppe von Menschen wirken, ohne langwierige Umfragen durchführen zu müssen“, betont die Uni. Ob wir das so positiv finden, sei mal dahin gestellt 😉
Informatiker und Chemiker sind aber bereits auf die Fortsetzung der Studie gespannt: Derzeit werten die Forscher nämlich aus, welche Spuren der Blockbuster „Star Wars“ in der Atemluft der Zuschauer hinterließ.