Das Thema Klärschlammverbrennungsanlage in Mombach wird weiter heiß diskutiert – kommende Woche wird im Stadtrat dazu eine spannende Debatte erwartet. Gleich mehrere Parteien haben ja angekündigt, das Thema erneut im Stadtrat zur Abstimmung zu stellen, meist mit der Absicht, die geplante Anlage neben der Mombacher Kläranlage doch noch zu verhindern. Die Bürgerinitiative gegen die Anlage warnt unterdessen vor „immensen wirtschaftlichen Risiken“ für den Steuerzahler. Derweil kann sich die oppositionelle CDU bislang nicht auf eine Haltung zur Anlage einigen.

Logo BI gegen Klärschlamm Die Bürgerinitiative „Kein Klärschlamm für Mainz“ hatte sich nach eigenen Angaben in mehreren Treffen bei der „Thermischen Verwertungsgesellschaft Mainz mbH“ (TVM) noch einmal über die geplante Verbrennungsanlage informieren lassen. „Trotz der sehr offenen und atmosphärisch gut verlaufenen Gespräche bestehen weiterhin erhebliche Zweifel an der Notwendigkeit der Anlage und deren Unbedenklichkeit“, zog danach BI-Sprecher Ralf Gerz ein Fazit.

Anlage für 37.000 Tonnen geplant, Mainz produziert 6.000 Tonnen

Auf dem Gelände des Mainzer Zentralklärwerks im Mombach direkt an der Autobahn 643 soll eine neue Klärschlammverbrennungsanlage entstehen., das hatte der Stadtvorstand am 5. Mai beschlossen. Die Stadt will damit ihren eigenen Klärschlamm entsorgen, der bisher unter anderem nach Hessen transportiert und dort in Anlagen verbrannt wurde. Die Mainzer Anlage soll für 37.500 Tonnen Klärschlamm pro Jahr ausgelegt sein, Mainz selbst produziert pro Jahr aber nur rund 6.000 Tonnen selbst. Die Anlage soll deshalb mit Klärschlamm aus dem Kreis Ingelheim und aus Kaiserslautern beliefert werden, den Partnern der Mainzer Anlage.

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Klärschlamm-Haufen aus Kaiserslautern
Viele kleine Häufchen hatte die BI in Mombach im Foyer aufgereiht… – Foto: gik

Die BI ist vehement gegen diese Pläne, sie befürchtet eine stark wachsende Zahl Lkw-Verkehr, noch mehr Geruchsbelästigung in Mombach und ganz allgemein eine negative Entwicklung ihres Stadtteils. In einer Einwohnerversammlung am 28. Mai hatte sich der geballte Volkszorn vier Stunden lang Luft gemacht – was Ihr hier nachlesen könnt.

BI: Steuerzahler trägt Löwenanteil des Risikos

Nun, gute fünf Wochen später warnt die BI nach ihren Treffen mit der TVM eindringlich davor, die Anlage könne zu einem Kostenrisiko für den Steuerzahler werden – sie hänge „am Tropf des Gebührenzahlers.“ Wenn nur ein Kostenfaktor oder auch Einnahmefaktor falsch berechnet werde, oder die Baukosten stiegen, „so muss an der Gebührenschraube gedreht werden“, warnte Gerz: „Die Bürger in Mainz tragen dabei den Löwenanteil des Risikos.“

Allein in der Planungsphase seien die Kosten binnen fünf Jahren von 25 Millionen Euro auf 36,4 Millionen Euro gestiegen, also um über 40 Prozent gestiegen, argumentiert Gerz. Weitere inflationsbedingte Kostensteigerungen seien wahrscheinlich.

Weiter kritisiert die BI, es habe keine Einigung bei den Angaben zur Quecksilberemission erlangt werden können, ein Vertreter der BI hatte in der Einwohnerversammlung berichtet, an anderen Anlagen in Deutschland seien deutlich erhöhte Quecksilberwerte gemessen worden. Auch das Kontrollsystem der eingehenden Klärschlämme bemängelt die BI, dazu warnt sie, dass entgegen der Behauptungen der TVM Klärschlamm kein regenerativer oder erneuerbarer Energieträger sei – er sei nämlich keine Biomasse im Sinne der Biomasseverordnung.

Plakat BI stoppt Klärschlamm-Unsinn
Plakat der BI – Foto: gik

„Zwangläufiger Klärschlamm-Tourismus“

Zudem warnt die BI weiter vor einem „Klärschlamm-Tourismus“ aus dem Rhein-Main-Gebiet, ja sogar aus ganz Rheinland-Pfalz. „Das System des Einsammelns von Klärschlamm durch die Firma „FWE“ führt zwangsläufig zu einem Klärschlamm-Tourismus“, meint Gerz, denn die FWE sammele nur den belasteten Klärschlamm aus Kommunen in Ballungszentren ein. Gering belasteter Klärschlamm aus ländlichen Gebieten dürfe weiterhin an Bauern als Dünger verkauft werden. Deshalb sei damit zu rechnen, dass in Mainz auch Klärschlamm aus anderen Bundesländern verbrannt werde – was Umweltdezernentin Katrin Eder (Grüne) vehement bestreitet.

Das alles bringe „überflüssige Schadstoffe und LKW-Fahrten in das ohnehin stark belastete Ballungsgebiet Mainz-Wiesbaden“, kritisiert Gerz. Zudem, so die BI weiter, herrsche derzeit „eine große Forschungsaktivität“ über die künftige Verwertung von Klärschlamm, aber auch juristische Unklarheit, was und wie Klärschlamm zukünftig am besten genutzt werden könne. Hintergrund ist eine geplante Verschärfung der Klärschlammverordnung, nach der die Masse künftig deutlich weniger als Düngemittel verwendet werden soll, weil sie oft erheblich mit Schwermetallen belastet ist.

Stadtspitze: Ablage soll Müllgebühren stabil halten

Die Stadt argumentiert deshalb, die Kosten für die Klärschlammentsorgung drohten in Zukunft deutlich zu steigen, mit der neuen Anlage könne man die Kosten hingegen stabil halten. Das Land Rheinland-Pfalz fördert aber gerade mehrere Pilotprojekte und innovative Verfahren, die eine alternative Form der Klärschlammentsorgung testen, etwa in Vererdungsanlagen.

Trockener Klärschlamm - Foto Umweltministerium BaWü
So sieht getrockneter Klärschlamm aus – Foto: gik

Die BI meint deshalb, der Bau einer Klärschlammverbrennungsanlage berge zum jetzigen Zeitpunkt eine große Unsicherheit bezüglich der künftigen Gesetzeslage und der zukünftigen Technikstandards. „Niemand hat einen Nutzen davon, wenn in wenigen Jahren eine dann schon ungeeignete Anlage in Mombach herumsteht und nicht mehr benötigt wird“, betont Gerz.

Uns bei Mainz& erinnert das ja stark an das Kohlekraftwerk, das 2008 auf der Ingelheimer Aue errichtet werden sollte. Auch damals betonte die Stadtspitze, man habe keine Alternative, auch damals ging es darum, Geld zu verdienen, und nicht zu knapp. Die Grünen – die damals noch in der Opposition waren – zeigten schließlich mit professioneller Arbeit die hohen Risiken der geplanten Anlage auf – und fuhren daraufhin bei der Kommunalwahl 2009 erdrutschartige 21,9 Prozent ein.

CDU-Vorgänger Reichel: Eder trieb Verbrennungsanlage aktiv voran

Heute sitzen die Grünen mit in der Stadtspitze, und Dezernentin Eder verteidigt ein Projekt, das sie von ihrem Vorgänger, Umweltdezernent Wolfgang Reichel (CDU) geerbt hat. Eder und Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) behaupten zudem, die Weichen für das Projekt seien ja bereits vor ihrer Amtszeit gestellt worden, jetzt erfülle man nur, was die Verträge mit den Partnern schon vorgäben – und die seien nicht gewillt, aus dem Projekt auszusteigen und drohten zudem mit hohen Schadensersatzforderungen in Millionenhöhe.

Luftbild Anlagenstandort Klärschlamm - Antragsunterlagen
Luftbild vom Standort der Anlage

Der Darstellung widersprach nun ein erboster Wolfgang Reichel, Kreischef der CDU und inzwischen Landtagsabgeordneter. Die Mombacher Klärschlammverbrennungsanlage sei keineswegs ausschließlich von ihm zu verantworten, das Projekt sei vielmehr von Eder seit ihrem Amtsantritt im Mai 2011 „weiter vorangebracht“ worden. „Außerdem wäre das Projekt ohne die Zustimmung der damaligen und heutigen (Mombacher) Ortsvorsteherin Eleonore Lossen-Geißler (SPD) nie auf den Weg gekommen“, stellte Reichel nun in einer Mitteilung klar. Lossen-Geißler hatte allerdings im Stadtrat und in der Bürgerversammlung ein emotionales Plädoyer gegen das Projekt gehalten.

Es sei doch so, dass die SPD das Projekt überhaupt nicht ablehne, sagte Reichel weiter, sondern im Gegenteil von SPD-Verantwortlichen immer befürwortet worden sei – auch zustimmend von SPD-Vertretern im Stadtrat, im Umweltausschuss und im Verwaltungsrat des Wirtschaftsbetriebes. „Jetzt so zu tun, als sei die SPD in der Verantwortung von OB Ebling bei der Entscheidung außen vor gewesen, ist eine glatte Täuschung der Öffentlichkeit“, wettert Reichel.

CDU findet bisher keine gemeinsame Haltung zu der Anlage

Seine eigene Partei CDU tut sich indes ausgesprochen schwer dabei, eine Haltung zur Klärschlammanlage zu formulieren. Seit mehreren Wochen diskutiert die Stadtratsfraktion hinter verschlossenen Türen über das Projekt, am Dienstagabend schließlich der Kreisvorstand – ohne Ergebnis. „Es gibt momentan unterschiedliche Auffassungen“, sagte CDU-Fraktionschef Hannsgeorg Schönig Mainz&, der Klärschlamm sei „ein schwieriges Thema.“

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Klärschlamm in gepresstem Zustand – Foto: Bundesarchiv Schwarzheide

Die Fraktion will nun kommenden Montag noch einmal beraten, zwei Tage vor der Stadtratssitzung. Für die bereiten gerade Vertreter aus allen Fraktionen – auch der CDU – einen gemeinsamen Antrag vor. Der fordert laut CDU den Stopp des Verfahrens und eine Suche nach Alternativen außerhalb von Mainz.

ÖDP fordert „alternative Szenarien“ und Stopp der Planungen

Eine echte Alternativprüfung zur geplanten Klärschlammverbrennungsanlage habe der Stadtvorstand bisher jedenfalls nicht vorgelegt, sagt der Mainzer ÖDP-Chef Claudius Moseler – dabei hatte sich die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP genau eine solche Prüfung 2014 selbst in den Koalitionsvertrag geschrieben. Ebling und Eder hatten im Mai behauptet, man habe intensiv nach Alternativen gesucht, aber leider keine gefunden.

Die ÖDP beantragt deshalb nun im Stadtrat, der Stadtvorstand solle dem Stadtrat „zeitnah alternative Szenarien zur Entscheidung vorlegen“ und die derzeitigen Planungen bis dahin aussetzen. Ähnliche Anträge werden von den Freien Wählern und der Linken erwartet. Das dürfte eine spannende Stadtratssitzung werden…

Die Mainz&-Analyse: Sollte sich die CDU nämlich dazu entschließen, dem Projekt vorerst ihre Zustimmung zu verweigern, könnte das das Aus für ein Projekt bedeuten, dass für Mainz womöglich überdimensioniert ist – und das ganz ähnlich wie das Kohlekraftwerk in einer anderen Zeit zu anderen Bedingungen geplant wurde. Sinnvoll könnte hingegen sein, alternative Klärschlammentsorgungsverfahren zu prüfen – an der Schwelle zu neuen Technologien eröffnen sich da womöglich Verfahren, die weitaus weniger belastend für Umwelt, Mensch und Mombach sind. Denn woher kommt eigentlich der große Zeitdruck?

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