Gingen die Videos vom Einsatz des Polizeihubschraubers in der Flutnacht im Ahrtal doch zeitnah nach dem Einsatz ans Mainzer Innenministerium? Schon wieder tauchten am Freitag im Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags neue, bislang unbekannte Unterlagen auf, aus Sicht der Opposition nähren sie den Verdacht: Über den Verbleib der Videos gibt es noch eine ganz andere Version als die bislang bekannte. Die Piloten des Hubschraubers machten am Freitag mehr als deutlich: Sie schilderten in der Flutnacht dem Innenministerium in Mainz in aller Klarheit die Katastrophe als Katastrophe. Und schon in der Nacht wurde die Notwendigkeit von Leichensäcken via Funk kommuniziert.

Hubschrauber der Polizei Rheinland-Pfalz beim Lufteinsatz. - Foto: Polizei RLP
Hubschrauber der Polizei Rheinland-Pfalz beim Lufteinsatz. – Foto: Polizei RLP

Es war ein wahrer Krimi, der sich am Freitag im Untersuchungsausschuss des Mainzer Landtags entfaltete – wieder einmal. Am Morgen hatte der Ausschussvorsitzende Martin Haller (SPD) noch explizit betont, nach Angaben der Landesregierung lägen nun alle Unterlagen zur Flutkatastrophe im Ahrtal vor – wenige Stunden später war diese Ansage schon wieder Makulatur: Im Ausschuss tauchten erneut Unterlagen auf, die dem Untersuchungsausschuss bislang nicht bekannt waren. Und die hatten es in sich.

Auslöser waren die Zeugenvernehmungen der Hubschrauberbesatzung, die am Abend es 14. Juli 2021 Aufklärungsflüge über dem Ahrtal durchführte. Und die erfahrenen Kollegen berichteten in aller Deutlichkeit, was sich ab 22.00 Uhr im Ahrtal abspielte. „Im Bereich Dernau ging es dann los, je weiter wir ins Ahrtal reingeflogen sind, umso schlimmer wurde es“, berichtete Thomas Kreutz, in jener Nacht Flugtechniker und taktischer Leiter des Hubschrauber-Einsatzes: „Es haben sich dramatische Szenen entwickelt.“

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Schon um 21.00 Uhr war die Maschine vom Typ Sperber der Polizei-Hubschrauberstaffel Rheinland-Pfalz vom Landeskriminalamt für einen Aufklärungsflug in Remagen angefordert worden, um 21.35 Uhr kam ein zweiter Auftrag aus dem Lagezentrum des Mainzer Innenministeriums dazu: Aufklärung im Ahrtal, wegen der Meldung, es seien im Bereich Schuld sechs Häuser eingestürzt. Dass dieser Auftrag „ein Wunsch“ gewesen sei, wie die Mitarbeiter des Lagezentrums vor dem Ausschuss behauptet hatten, davon war nun keine Rede mehr: Der Aufklärungsflug wurde klar als Auftrag aus Mainz klassifiziert.

„Die Leute standen überall auf den Dächern“

Menschen, die auf Balkonen und Dächern in der Flutnacht im Ahrtal um Hilfe riefen, gefilmt von einem Polizeihubschrauber. - Screenshot: gik
Menschen, die auf Balkonen und Dächern in der Flutnacht im Ahrtal um Hilfe riefen, gefilmt von einem Polizeihubschrauber. – Screenshot: gik

Gegen 22.00 Uhr erreichte der Polizeihubschrauber die Mündung der Ahr bei Sinzig, von dort flog die Maschine das gesamte Ahrtal hinauf bis nach Schuld. „Die Leute standen überall auf den Dächern“, berichtete Kreutz nun von den dramatischen Bildern, die die Hubschrauberbesatzung unter sich sehen musste. Drei Personen sitzen während des Flugs auf dem Hubschrauber, ein Pilot, ein Techniker und ein Operator, den Männern bietet sich ein Bild des Schreckens: Ab Dernau steht das gesamte Ahrtal meterhoch unter Wasser, zahllose Häuser bis zur Dachkante, Menschen winken in Not um Hilfe.

Die Männer tasten sich in der hereinbrechenden Dunkelheit, bei dichtem Regen und Nebelschwaden mit dem Heli durch das Tal, der Flug sei durchaus grenzwertig gewesen, berichten sie. „Ich habe mir das deswegen zugetraut, weil ich schon sehr, sehr lange im Hubschrauber sitze, über 3.000 Stunden“, sagt Ingo Braun, der Pilot des Abends. Seit 35 Jahren ist er im Polizeidienst, „eine solche Lage habe ich noch nicht erlebt“, sagt er: „Wir waren alle sehr ergriffen.“

 

Im Ahrtal haben sich zu diesem Zeitpunkt längst Dutzende von Menschen auf Hausdächer oder Balkone geflüchtet, in der hereinbrechenden Dunkelheit leuchten sie den Hubschrauber an, versuchen mit Lichtzeichen auf sich aufmerksam zu machen. Hoffen auf Rettung. Doch retten kann dieser Hubschrauber nicht: Er besitzt keine Seilwinde. „Jetzt mit dem Hubschrauber da ‚ranzufliegen und jemanden über die Kufen zu retten, das ist einfach in der Nachtzeit und bei dem Wetter nicht möglich“, erklärt Kreutz dem Ausschuss.

„Jemand über die Kufen retten, ist kaum möglich“

Hubschrauber der Polizei Rheinland-Pfalz bei einer Übung auf dem Rhein. - Foto: gik
Hubschrauber der Polizei Rheinland-Pfalz bei einer Übung auf dem Rhein. – Foto: gik

Die Vorstellung sei ja immer, ein Hubschrauber könne auf diese Weise jemanden retten, auch eine im Wasser treibende Person, doch das sei ein Irrtum: „Durch den starken Rotorabstrahl drückt man die Leute womöglich eher unter Wasser“, erklärt Kreutz: „Man tut demjenigen keinen Gefallen.“ Die Männer bekommen einen Anruf aus dem Polizeipräsidium Koblenz, sie sollen abdrehen – die Notrufe laufen heiß. „Die Leute gerieten in Panik wegen dem Hubschrauber“, berichtete Marita Simon, Polizeiführerin im Einsatzzentrum in Koblenz in jener Nacht: „Es war kontraproduktiv.“

Die Hubschrauberbesatzung dreht ab, sucht andere Wege, um zu helfen. „Unsere Idee war, die Feuerwehr zu alarmieren, und mit unserer Wärmebildkamera eine Brücke zu bilden, uns als Instrument dazwischen zu schalten, um die Einsatzkräfte zu lenken“, berichtet Kreutz: „Unser Ansatz war: Es ist dunkel, es gibt Hilfeschreie, wir helfen denen, die Leute am Boden zu lokalisieren.“ Doch auch das sei nicht umsetzbar gewesen: „Die Rückmeldung war: die Strömung ist viel zu stark, das wäre ein Himmelfahrtskommando gewesen“, berichtet Kreutz.

 

Dem Helikopter bleibt nur abzudrehen, doch eine Möglichkeit haben die Männer noch: Schon über Funk berichten sie eindringlich dem PP Koblenz von ihren Beobachtungen – und unmittelbar nach ihrer Landung gegen 23.30 Uhr auch dem Lagezentrum des Innenministeriums per Telefon. „Ich habe sehr deutlich gemacht, wie die Lage ist“, betont Kreutz, er habe seine Eindrücke geschildert und klar gesagt: „Das ist höchstwahrscheinlich die schlimmste Lage, die Rheinland-Pfalz in den letzten Jahren getroffen hat.“ Die Kollegen sollten unbedingt „jeden Polizeibeamten, den er kriegen kann, ins Ahrtal schicken“, gibt Kreutz noch mit.

„Er hat sehr klar gemacht: Die Lage ist bedrohlich, ernst“

Videoaufnahme des Polizeihubschraubers am Abend der Ahrflut vom zerstörten Schuld. - Screenshot: gik
Videoaufnahme des Polizeihubschraubers am Abend der Ahrflut vom zerstörten Schuld. – Screenshot: gik

Die Kollegen, die mithören, bestätigen: Die Aussage sei sehr deutlich gewesen, Kreutz habe sehr klar gemacht, die Lage im Ahrtal sei „bedrohlich, ernst“. Spätestens jetzt ist klar: Dem Lagezentrum des Innenministeriums liegt jetzt, gegen 23.30 Uhr, in aller Deutlichkeit eine lebendige Schilderung erfahrener Kollegen in Sachen Flut vor. Sie wissen, dass eine Katastrophe im Gange ist, sie wissen, dass Menschen in Lebensgefahr sind – und zwar viele Menschen.

Die Hubschrauber-Besatzung schickt anschließend noch vier Fotos an das Lagezentrum im Innenministerium, Fotos, die Kreutz aus dem Hubschrauber mit seinem Handy macht. Für die Spiegelreflexkamera ist es zu diesem Zeitpunkt schon zu dunkel im Tal, die Fotos werden unscharf – Kreutz greift deshalb zum Handy, das aufgehellte Bilder fertigen kann. Die Fotos zeigen die Ortslagen Altenahr, Liers und Schuld, und sie zeigen einen großen Bereich entlang der Ahr, der komplett geflutet ist.

 

„Es ist mir wirklich unverständlich, wie man das anders einschätzen kann“, sagt Marita Simon später vor dem U-Ausschuss: „Der Hubschrauber hat geschildert, dass da wirklich Wasserfluten durch die Ortschaften kommen.“ Schon seit 22.00 Uhr habe sie gewusst, dass in Schuld sechs Häuser eingestürzt seien, „Wenn man dann hört, dass von der Ahr Häuser weggerissen wurden – und wir reden von Häusern, nicht von Schuppen – , dann war das für mich eine Katastrophe, und so habe ich das auch bewertet.“

Bilder aus der Flutnacht im Ahrtal, gedreht mit einer Wärmebildkamera von einem Polizeihubschrauber. - Video: Polizei RLP, Screenshot: gik
Bilder aus der Flutnacht im Ahrtal, gedreht mit einer Wärmebildkamera von einem Polizeihubschrauber. – Video: Polizei RLP, Screenshot: gik

„Anders eingeschätzt“, so hatten die Beamten im Lagezentrum des Innenministeriums ihre Lagebeobachtung geschildert, ebenso Innenminister Roger Lewentz (SPD) selbst: Er und seine Beamten hatten mehrfach vor dem Ausschuss betont, man habe eine Katastrophe nicht erkennen können, lediglich „ein schlimmes Hochwasser“ – einen Überblick über die Lage im Ahrtal habe man nicht gehabt. Zu halten war diese Darstellung spätestens mit dem Bekanntwerden der Videos aus der Flutnacht nicht mehr, Innenminister Lewentz trat deshalb am Mittwoch zurück.

Simon berichtet ihre Eindrücke auch in Richtung Lagezentrum Innenministerium, mehrfach, wie sie betont: „Für mich stand fest, das hier ist eine Katastrophe, Menschenleben in Gefahr, hohe Sachschäden – und das habe ich dem Lagezentrum mehrfach telefonisch mitgeteilt.“ Doch im Innenministerium dringend sie weiter auf einen schriftlichen Lagebericht – und zwar per Polizei-System. Das Ausfüllen des Systems sei aber ausgesprochen umständlich und gehe alles andere als schnell, berichtete Simon weiter: „Dazu hatte einfach niemand Zeit.“

Irgendwann habe sie, so Leid ihr das heute tue, den Beamten im Innenministerium  regelrecht angeschrien bekannte Simon weiter: „Wer will das denn jetzt noch wissen?“ Sein Chef, antwortete der Kollege, der sitze neben ihm.

 

Der Hubschrauber steigt an diesem Abend noch zweimal in die Luft: Um 0.30 Uhr startet er zu einem zweiten Aufklärungsflug nach Schuld im Ahrtal, der Flug ist nur kurz, schon um 01.30 Uhr ist der Hubschrauber wieder am Boden. Bei diesem zweiten Flug sehen sie ein Ahrtal, das nun auch im unteren Teil langsam vollläuft. „Auch Sinzig stand jetzt langsam unter Wasser“, berichtete Kreutz, im oberen Teil der Ahr sei „das Ausmaß dramatisch gewesen.“ Im Funkverkehr der Polizei ist inzwischen komplette Hektik, ja Chaos ausgebrochen, wie die Hubschrauberkollegen notieren.

„Per Funk über Leichensäcke diskutiert“

Ein solcher Polizeihubschrauber der Marke "Sperber" war in der Flutnacht über dem Ahrtal unterwegs. - Foto: Polizei RLP
Ein solcher Polizeihubschrauber der Marke „Sperber“ war in der Flutnacht über dem Ahrtal unterwegs. – Foto: Polizei RLP

Und jetzt geht es nicht mehr „nur“ um Sachschäden: „Bei unserem zweiten Flug wurde per Funk über Leichensäcke diskutiert“, berichtet Kreutz dem U-Ausschuss: „Allen Kollegen war klar: Das ist kein normales Hochwasser mehr.“ Nur die Beamten im Lagezentrum des Innenministeriums werden noch im September 2022 bei ihren Vernehmungen vor dem Ausschuss behaupten, nein, von einer Katastrophe sei in der Nacht nichts zu sehen gewesen – man sei von einem „schweren Hochwasser“ ausgegangen.

Dabei forderten die Beamten im Innenministerium sogar aktiv den Einsatzbericht von dem Aufklärungsflug an, die Live-Übertragung der Bilder aus dem Hubschrauber war in der Nacht gescheitert. Schlechtes Wetter und eine niedrige Flughöhe machten das Senden schwierig, im Polizeipräsidium Koblenz wiederum funktioniere die Übertragungstechnik schon seit geraumer Zeit nicht mehr richtig, berichtete Simon – allen Anmahnungen zum Trotz.

 

Die Hubschrauberbesatzung schickte umgehend gegen 23.40 Uhr zwei Emails mit vier Fotos an das Lagezentrum in Mainz. Um 00.53 Uhr senden die Kollegen per Email auch einen schriftlichen Einsatzbericht hinterher – der Einsatzbericht wird dem Untersuchungsausschuss erst zusammen mit den Videos am 19. September 2022 dem Ausschuss vorgelegt, mit neun Monaten Verspätung.

Emails und weitere Einsatzberichte nicht vorgelegt

Nun berichten die Piloten: Auch bei den zwei nachfolgenden Einsätzen der Nacht, von dem Flug nach Schuld sowie einem weiteren Flug nach Mainz gegen 02.30 Uhr existieren Einsatzberichte – angefordert worden seien die aber nie. Der Koblenzer Polizeipräsident Karlheinz Maron präsentiert am Abend im U-Ausschuss eine eigenwillige Erklärung: Die Emails der Hubschrauberstaffel seien vom Aktenbeiziehungsbeschluss gar nicht gedeckt gewesen.

„Nach meiner Kenntnis waren von dem Beweisbeschluss von uns aus dem PP Koblenz der reine Email-Verkehr nicht betroffen“, behauptete Maron vor dem Ausschuss: „Das war aus unserer Sicht nicht vorlagepflichtig.“ Ausschussmitglieder der Opposition widersprachen danach gegenüber Mainz& umgehend – und verwiesen auf den ersten Aktenbeiziehungsbeschluss aus dem Herbst 2021: Danach hätte die Landesregierung schlicht alle Unterlagen, egal ob elektronischer oder analoger Art im Zusammenhang mit der Flutkatastrophe vorlegen müssen.

 

Damit steigt die Zahl der Unterlagen, die den Ausschuss nicht erreicht haben, auf ein undefinierbar große Zahl an. Nicht nur die Videos aus der Flutnacht samt schriftlichem Einsatzbericht wurden nicht vorgelegt, sondern offenbar auch eine Reihe von Emails aus der Kommunikation des Lagezentrums im Innenministerium nicht. Maron berichtete den verblüfften Ausschussmitgliedern zudem: Es habe am 15. Juli weitere Aufklärungsflüge über dem Ahrtal samt Videomaterial bei Tageslicht gegeben – auch davon wusste der Ausschuss nichts.

Hubschrauber der Polizei Rheinland-Pfalz: Auch am 15. Juli 2021 gab es Aufklärungsflüge. - Foto: Polizei RLP
Hubschrauber der Polizei Rheinland-Pfalz: Auch am 15. Juli 2021 gab es Aufklärungsflüge. – Foto: Polizei RLP

Dabei war das PP Koblenz explizit auch zur Vorlage von Material vom 15. Juli 2021 aufgefordert worden, nun müssen die Abgeordneten feststellen: Vollständig war auch diese Vorlage nicht. Dazu steht nun der Verdacht im Raum: Die Videos aus der Flutnacht erreichten womöglich doch das Innenministerium. Bisher hatte das Mainzer Innenministerium stets betont, die Videos seien dem Ministerium erst am 9. September zugestellt worden, und zwar erstmals, auch Maron wiederholte diese Variante am Freitag vor dem Ausschuss: Die Übergabe sei wegen „Mängel in der Dokumentation“ nicht erfolgt, behauptete Maron. Beim Einsatzbericht sei man davon ausgegangen, dass dieser längst vorliege – in den Akten des Innenministeriums.

„Was obendrüber steht, ist nicht meine Schrift“

Die Hubschrauberbesatzung indes erzählte am Freitag eine andere Geschichte: Er habe unmittelbar nach dem Flug die Videos auf einem Datenträger gesichert. „Ich habe die Videos in der Einsatzzentrale gebrannt, auf USB-Stick oder externer Festplatte“, berichtete der Operator Marco Stadel. Die Datenträger seien dann „irgendwo deponiert“ worden, wo wisse er nicht. Er habe aber den üblichen Dokumentationsnachweis, einen Übergabebogen, „unterschrieben und beigelegt“, berichtete Stadel weiter – und fügte noch hinzu: „Was oben drüber ausgefüllt ist, ist nicht meine Schrift.“

 

Damit war eine weitere Bombe im Ausschuss geplatzt – denn auch dieser Übergabebogen lag dem Ausschuss bisher nicht vor. Weitere Befragungen ergaben: Der Übergabebogen war von dem Operator korrekt ausgefüllt worden, einen Tag später wurde er gegengezeichnet – von einem Mitarbeiter des Polizeipräsidiums (PP) Koblenz.

Christoph Semmelrogge, Präsident des Polizeipräsidium Einsatz, Logistik und Technik in Mainz. - Foto: gik,
Christoph Semmelrogge, Präsident des Polizeipräsidium Einsatz, Logistik und Technik in Mainz. – Foto: gik,

Trotzdem behauptete der Präsident des Polizeipräsidium Einsatz, Logistik und Technik, Christoph Semmelrogge, am Freitag vor dem U-Ausschuss erneut: „Ob und wann es zu einer Übergabe der Videos kam, kann ich nicht sagen“ – die Videos seien erst Ende August „auf der externen Festplatte des Kollegen gefunden worden“. Ja, er wisse, dass zwei USB-Sticks am Abend des 15. Juli übergeben worden seien, welche Videos genau darauf gewesen seien, könne er aber „nicht mehr nachvollziehen“.

„Das Material steht gegen 19.30 Uhr zur Abholung zur Verfügung“

Dabei vermerkt das Protokoll des Lagezentrums im Polizeipräsidium Koblenz für den 15. Juli um 18.30 Uhr den Eintrag: „Der Sperber wird in nächster Zeit Winningen anfliegen. In Bezug auf die Luftaufklärung insbesondere der Anzahl Personen auf Dächern, wird das Videomaterial ausgewertet und aufbereitet. Das Material steht gegen 19.30 Uhr in Winningen zur Abholung zur Verfügung.“

Um 19.38 Uhr wurde das Material tatsächlich von dem Mitarbeiter des PP Koblenz in Winningen abgeholt, der Mann brachte Verpflegung und nahm die Sticks mit – und unterzeichnete den Übergabebogen. Auf dem ist auch das genau Datum der Abholung samt Uhrzeit vermerkt, sowie ein handschriftlicher Zusatz: „Auftraggeber MdI“ – also: Ministerium des Inneren.

Hat also das Mainzer Innenministerium am Tag nach der Flutkatastrophe Videomaterial der Hubschrauberstaffel angefordert, auch das aus der Flutnacht? Und wohin ging die Lieferung der zwei USB-Sticks? Semmelrogge behauptete auch am Freitag erneut, die Videos seien erst Ende August „auf der externen Festplatte des Kollegen gefunden worden“. Zum Verbleib der USB-Sticks könne er nichts sagen.

Meldeten das PP ELT also im Februar 2022 völlig korrekt auf die Nachfrage nach zusätzlichem Videomaterial aus der Flutnacht „Fehlanzeige“ nach Mainz – weil man davon ausging dass die Videos dort längst angekommen waren? Immerhin verzeichnet auch das Foto- und Videobuch der Hubschrauberstaffel für den 15. Juli den Eintrag; „USB-Stick an Kollegen übergeben, zusätzliche Kopien gefertigt und an [einen Kollegen] überstellt.“

Info& auf Mainz&: Alle Hintergründe, alle Geschichten zu den Polizeivideos aus der Flutnacht sowie zum Rücktritt von Innenminister Roger Lewentz (SPD) findet Ihr hier in unserem großen Ahrflut-Dossier.