Die Kulturszene in Rheinland-Pfalz liegt danieder, besonders Musiker, Künstler und die gesamte Veranstaltungsszene leiden besonders unter dem Shutdown zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Das Land Rheinland-Pfalz will der Kulturszene nun mit einem neuen Hilfsprogramm unter die Arme greifen, 15,5 Millionen Euro stehen dafür bereit. Kern des Programms: Arbeitsstipendien für Künstler in Höhe von 2.000 Euro, dazu gibt es Unterstützung für Programmkinos und Kulturvereine sowie ein Investitionsprogramm für neue digitale Kulturformate. Kritik kam von der CDU: Das Programm garantiere in keinem einzigen Punkt den existenziellen Fortbestand der Betroffenen, kritisierte die Opposition.
Seit Wochen herrscht Schockstarre in der Kulturszene: Theater und Spielstätten sind geschlossen, Künstler, Musiker und Kulturschaffende haben faktisch Berufsverbot – und ein Ende des Kultur-Shutdowns ist bislang nicht in Sicht. Zahllose Künstler stürzt das in massive Existenzprobleme, zumal die Soforthilfen des Bundes bei den Solo-Selbstständigen nicht greifen, weil diese nur für betriebliche Kosten verwendet werden dürfen – und genau solche Kosten haben die meisten Solo-Selbstständigen nicht. Ein Unternehmereinkommen oder ein Ausgleich für entgangene Honorare ist aber bei den bisherigen Programmen nicht vorgesehen – weder beim Bund noch beim Land Rheinland-Pfalz.
Das sorgte in den vergangenen Wochen für massive Kritik auch am Agieren des Landes Rheinland-Pfalz, man werde als „Unternehmer zweiter Klasse“ lediglich in die Grundsicherung der Arbeitsagenturen geschubst, klagten viele Künstler – das sei nun wirklich keine Anerkennung des künstlerischen Schaffens und zeige, welchen Stellenwert die Kultur für die Politik habe, kritisierten zahlreiche Verbände, Initiativen sowie die Gewerkschaft Ver.di
Am Dienstag nun legte die Landesregierung ein neues Kulturprogramm vor: Mit insgesamt 15,5 Millionen Euro will man nun der Kulturszene unter die Arme greifen. Kernpunkt des 6-Punkte-Programms sind Arbeitsstipendien: Danach können sich professionelle, freischaffende Künstler mit Wohnsitz in Rheinland-Pfalz und Mitgliedschaft der Künstlersozialkasse ab Mitte Mai für ein Stipendium von einmalig 2.000 Euro bewerben. Das Stipendium sei für alle Sparten offen, betonte Kulturminister Konrad Wolf (SPD). Ziel sei, dass ein künstlerisches Werk entstehe, das dann in einem digitalen Schaufenster präsentiert werde.
„Wir haben uns entschieden, ein Programm aufzulegen, um die Kultur zu stärken“, sagte Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD), um „für die Krisenzeit Möglichkeiten zu schaffen, Kultur stattfinden zu lassen.“ Das Programm sei vor allem dafür gedacht, das Entstehen von Kultur weiter zu ermöglichen, betonte Wolf. Als Grundsicherung für Künstler sei das Landesprogramm hingegen nicht gedacht, räumte der Minister auf Nachfrage ein. Weil die Bundeshilfen bei den Künstlern nicht ankommen, hatten Nordrhein-Westfalen, Berlin und Bayern eigene Förderprogramme für die Kultur aufgelegt.
In Baden-Württemberg wird inzwischen eine Art Grundeinkommen in Höhe von 1.180 Euro – das ist der pfändungsfreie Grundbetrag – für drei Monate ausgezahlt, Rheinland-Pfalz lehnt solche Landesprogramme weiter ab. Dafür brauche es ein abgestimmtes Bund-Länder-Programm, von Seiten des Bundes sei da aber „nicht mehr viel passiert“, sagte Wolf am Dienstag noch einmal: „Es muss Kulturpolitik aus einem Guss sein.“ Auf Bundesebene tut sich indes weiter nichts: Bundeskulturministerin Monika Grütters (CDU) verkündete am Dienstag erneut, man arbeite „intensiv“ an einem Strukturfonds für die Kultur – bislang wird das Vorhaben aber von Finanzminister Olaf Scholz (SPD) und Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) blockiert und kommt nicht voran.
Grütters kündigte am Dienstag an, auch freischaffende Künstler könnten Ausfallhonorare erhalten, sofern sie für von der Bundesregierung geförderte Kulturinstitutionen arbeiten, entgangene Gagen sollten zu 40 bis 60 Prozent ersetzte werden, berichtet etwa die Tagesschau. Lösungen für Einrichtungen der Länder oder der Kommunen gebe es aber weiter nicht. Rheinland-Pfalz verweist Künstler und Solo-Selbstständige deshalb weiter auf die Grundsicherung der Arbeitsämter. „Es ist uns bekannt, dass Künstler ein mentales Problem mit der Grundsicherung haben, das ist bei uns angekommen“, sagte Dreyer, „wir haben aber bei uns entschieden, dass der Weg der Grundsicherung der Weg ist, der ihre Existenz sichert.“ Das Geld fließe, „und es fließt unbürokratisch“, fügte Dreyer hinzu.
Nun also soll ein Kulturprogramm der Szene weiterhelfen, 7,5 Millionen stehen für die Arbeitsstipendien zur Verfügung. „Wir glauben, dass wir damit einen Großteil der Künstler erreichen“, sagte Wolf. Mit weiteren 4,5 Millionen Euro will das Land Kultureinrichtungen unter die Arme greifen, die vom Shutdown betroffen sind. das Geld solle der Basis der vielen ehrenamtlich getragenen Vereine wie Chören, Kunstvereinen, Museen oder Jugendkunstschulen zugute kommen, sagte Wolf. Mit einer halben Million Euro will man die rund 20 Programmkinos unterstützen, um etwa Autokino- oder Freiluft-Angebote einzurichten. Damit solle den Programmkinos die Möglichkeit geben werden, „die Zeit zu überstehen und neue Formate zu entwickeln“, sagte Wolf. Die Frage, wann Kinos generell wieder öffnen könnten, sei aber „heute nicht beantwortbar.“
Das Land schaffe mit seinem Paket „die Voraussetzung, dass sich die Kultur gut weiterentwickeln kann und dass sie in der Lage ist, in der neuen Zeit arbeiten zu können“, unterstrich der Minister, „und es entsteht eine neue Zeit.“ In der Coronakrise entstünden derzeit auch neue Kulturformen, vor allem im Internet und auf digitalen Foren, viele davon würden die Krise sicher überdauern, sagte Wolf zudem. Künstler und Einrichtungen können nun zwischen 1.000 und 10.000 Euro für den Aufbau einer digitalen Infrastruktur eines Projektes beantragen, insgesamt steht eine Million Euro bereit. „Wir öffnen den Bürgern damit eine neue Tür zur Kultur“, sagte Wolf.
Stattfinden, wenn auch in einer anderen Form, soll auch der Kultursommer Rheinland-Pfalz: Das landesweite Kulturfestival solle bald starten und mit vielen neuen Formaten stattfinden, kündigte Wolf an. Dazu gehörten etwa Autokino-Festivals oder digitale Formate. Der Kultursommer werde bis Dezember verlängert, das diesjährige Motto „Kompass Europa: Nordlichter“ im kommenden Jahr erneut aufgerufen, kündigte Wolf an.
Die CDU-Opposition kritisierte hingegen, der Sechs-Punkte-Plan garantiere in keinem einzigen Punkt den existenziellen Fortbestand der Betroffenen. „Das war kein großer Wurf für unsere Kunst- und Kulturschaffenden im Land“, sagte CDU-Kulturexpertin Marion Schneid. Es blieben viele Fragen weiter offen, Künstler seien verärgert, verunsichert und weiterhin besorgt, viele Kreative müssten sich weiter um ihre Existenz sorgen – das gelte auch für die Gruppe der Soloselbstständigen, die neben den künstlerischen Berufen eben auch Journalisten, Grafikdesigner, Dozenten, Kunsthandwerker, Schausteller, Veranstaltungsfirmen, Tontechniker und viele mehr umfasse.
Die CDU habe mehrfach Unterstützung angeboten und unter anderem einen „Rettungsplan Gemeinschaft und Soziales“ mit unkomplizierten Hilfen für Soloselbständige von 1.180,- Euro drei Monate lang vorgeschlagen, sagte Schneid weiter. „Ich verstehe nicht, warum sich die Landesregierung dagegen sperrt“, kritisierte sie. Andere Bundesländer hätten sich sehr viel schneller und verbindlicher bewegt, um die wirtschaftliche Existenz der Soloselbstständigen zu sichern. „Wir bleiben bei unserer Forderung, dass Kulturschaffende finanzielle Unterstützung bekommen müssen, damit das kulturelle Leben in Rheinland-Pfalz eine Chance für die Zukunft hat“, sagte Schneid. Dreyer und Wolf hätten „die Chance vertan, heute ein Zeichen für unsere Kunst- und Kulturschaffenden zu setzen.“
Info& auf Mainz&: Mehr zum 6-Punkte-Programm des Landes für die Kulturszene könnt Ihr hier beim Kulturministerium im Internet nachlesen. Mainz& hat mehrfach über die Probleme von Kulturschaffenden und Solo-selbstständigen in der Coronakrise berichtet, eine ausführliche Darstellung der Probleme findet Ihr zum Beispiel hier (mit Kommentar) und hier bei Mainz&: „Unternehmer zweiter Klasse“. Die ganze Pressekonferenz von Dreyer und Wolf zum Kulturprogramm könnt Ihr Euch hier auf der Mainz&-Facebookseite noch einmal ansehen.