Nach dem Aufschrei des Freundeskreises des Mainzer Landesmuseums gegen die Zweckentfremdung der Steinhalle, hat sich nun Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) zu Wort gemeldet – und bestätigt die Pläne für ein Demokratiemuseum in vollem Umfang: Das alte Plenarrund solle auch künftig in der Steinhalle bleiben, um „einen Ort der politischen Bildung zu schaffen“ – das „Reallabor Demokratie“ solle künftig für die Demokratie begeistern, teilte Hering in einer Pressemitteilung mit. Die Steinhalle werde im Zuge der Neuaufstellung des Mainzer Landesmuseums ein neues Konzept erhalten – wie hier künftig noch römische Exponate in größerem Stil Platz finden sollen, sagte Hering nicht. Ein Gestaltungskonzept für die Halle solle bis zum Herbst entwickelt werden, hieß es lediglich.
Der Freundeskreis des Mainzer Landesmuseums hatte vor zwei Tagen Alarm geschlagen: Der Landtag habe vor fünf Jahren explizit versprochen, nach der Sanierung des Deutschhauses die Steinhalle dem Museum zurückzugeben – doch nun solle dieses Versprechen offenbar gebrochen werden, kritisierte die Vorsitzende des Freundeskreises, Elisabeth Kolz, Mainz& hatte exklusiv berichtet: Man fühle sich „hinters Licht geführt“, kritisierte Kolz gegenüber Mainz&, zumal der Freundeskreis erst diesen März von den Plänen erfahren habe.
Die rund 1.200 Quadratmeter große Steinhalle war ursprünglich der zentrale Ort zur Präsentation der umfangreichen Sammlung römischer Steindenkmäler des Landesmuseums, die so einmalige Schätze wie 2000 Jahre alte römische Grabsteine oder die 12,50 Meter hohe Jupitersäule, die größte Dekorationssäule ihrer Art nördlich der Alpen, umfasst. Die Steinhalle galt unter Archäologen als „nationales wie internationales Alleinstellungsmerkmal mit einzigartiger Atmosphäre“, da sie wie keine Ausstellung sonst den Besucher wie durch eine altrömische Landschaft führe – davon ist heute nichts mehr zu sehen.
Mit dem Einzug des rheinland-Pfälzischen Landtags im Jahr 2016 wurde die Steinhalle komplett umgestaltet: Die Halle wurde geteilt, das ehrwürdige Plenargestühl des alten Landtags eins zu eins in der einen Hälfte eingebaut – die andere Hälfte wurde in eine Lobby mit Sitzgruppen, Kaffeetheke und Garderobe verwandelt. Römische Exponate fanden hier ab sofort nur noch wenige Platz: einige römische Grabsteine, dazu der kleine Dativius-Victor-Triumphbogen sowie einige Fundstücke in einem bis zum Dach der Halle ragenden Regal, das als Raumteiler zwischen den beiden Bereichen dient.
Am Freitag dann bestätigte Landtagspräsident Hendrik Hering (SPD) in einer Mitteilung: Das alte Plenarrund werde auch in Zukunft in der Steinhalle verbleiben, „um einen Ort der politischen Bildung zu schaffen.“ Gleichzeitig sollten aber auch weiterhin bedeutende Ausstellungsstücke in der Steinhalle Raum finden, und das Museum mit einem neuen Raum- und Ausstellungskonzept weiterentwickelt werden. „Das Landesmuseum als Ganzes und die Steinhalle im Besonderen sollen zu einer neuen kulturellen und politischen Landmarke in Mainz weiterentwickelt werden“, betonte Hering – und sprach von einem „Mainzer Museumscarré“ in der Großen Bleiche, das künftig „kulturelle Highlights und politische Bildung im Mainzer Landesmuseum gemeinsam unter einem Dach vereinen“ solle.
„Geschichte und Gegenwart sollen im neuen Museumscarré für Besucher auf einzigartige Weise erlebbar werden“, sagte Hering weiter: „Mit einem ‚Reallabor Demokratie‘ schaffen wir einen neuen Raum, der die moderne parlamentarische Demokratie für alle Altersgruppen erfahr- und begreifbar macht, sowie die Möglichkeiten bietet, diese weiterzuentwickeln. Damit wollen wir für die Demokratie begeistern!“ Gerade in diesen Zeiten sei ja zu erleben, dass die Demokratie „für unsere freiheitliche Gesellschaft von unschätzbarem Wert ist.“
Dabei sollten die künftigen Angebote des Landtags in der Steinhalle unter dem Begriff „Reallabor Demokratie“ firmieren: „Dieser Experimentierraum versammelt bestehende und neue Vermittlungsangebote der politischen Bildung, Veranstaltungen und Konferenzen sowie Workshops und Seminarangebote mit Bezug zur Arbeit des Landtags“, sagte Hering. Damit werde ein neuer Ort der politischen Bildung und des gesellschaftlichen Austausches geschaffen, „an dem Lust auf die freiheitliche Demokratie geweckt wird.“ Bislang fanden solche Veranstaltungen und Workshops im richtigen Plenarsaal statt, und zwar immer dann, wenn das Parlament nicht tagt – die Besucher konnten so den realen Ort der Macht hautnah erleben.
Über die Präsentation der wertvollen und bundesweit einmaligen Schätze des römischen Erbes von Mainz hat man sich im Landtags aber offenbar deutlich weniger Gedanken gemacht: Durch die angestrebte gemeinsame Nutzung der Steinhalle sollten „sowohl attraktive politische und kulturelle Vermittlungsformate, als auch eine angemessene Inszenierung der hier platzierten archäologisch und historisch bedeutenden Ausstellungsstücke ermöglicht werden“, heißt es in der Mitteilung lediglich – man wolle „den Eindruck des herausragenden Ortes erlebbar machen“. Ausgangspunkt sei aber „die Absicht des Landtags“ gewesen, die Steinhalle auch nach der Interimszeit weiter zu nutzen und das original Plenargestühl zu erhalten, es gebe eine Machbarkeitsstudie zur gemeinschaftlichen Nutzung der Steinhalle durch Landtag und Landesmuseum.
Damit bestätigt sich der Vorwurf des Freundeskreises, das Landesmuseum und seine Zukunft hätten bei der Entscheidung nur eine untergeordnete Rolle gespielt – im Kern gehe es lediglich darum, den Landtag die Halle und das Hausrecht zu sichern. Das Museum werde dadurch aber massiv an Fläche verlieren, seine Attraktivität in Frage gestellt, kritisierte Kolz: „Es kann doch nicht sein, dass das Museum so marginalisiert wird – das ist nicht im Interesse der Mainzer Bevölkerung!“ Hunderte wertvolle Exponate seien in Lagern „eingemottet, und keiner bekommt sie mehr zu sehen“, das sei eine Schädigung des Museums, das zudem bei der Entscheidung offenbar „vor vollendete Tatsachen gestellt“ worden sei, schimpfte Kolz.
Von Seiten des Landtags hieß es zum Museum: Die Generaldirektion Kulturelles Erbe (GDKE) arbeite derzeit an der Neukonzeption des Landesmuseums Mainz, dabei spiele die Präsentation des römischen Erbes „inhaltlich und räumlich eine zentrale Rolle“. Gleichzeitig sollten aber auch andere Themen künftig stärker in den Fokus rücken, sagte die neue Generaldirektorin der GDKE, Heike Otto – etwa das jüdische Mainz oder die Einrichtung eines Kindermuseums. Auch wolle man in Zukunft „auch die anderen bedeutenden Sammlungen wie beispielsweise der Vorgeschichte, des Barock oder auch des Kunsthandwerks neu aufstellen“, betonte Otto – ein genaueres Konzept, Schwerpunktsetzungen oder gar die Aufteilung der Präsentationen gibt es bisher aber nicht.
Eine Arbeitsgruppe aus Landtag, Kulturministerium und GDKE erarbeite derzeit „die gemeinsamen Anforderungen an den Innenausbau der Steinhalle sowie die künftige Organisationsstruktur“, heißt es lediglich. Bis Herbst wolle die Arbeitsgruppe „ein detailliertes Gestaltungskonzept für die Steinhalle erarbeiten, um den unterschiedlichen Funktionen der alten und neuen Räume gerecht werden zu können.“ Wie die Halle gleichzeitig den alten Plenarsaal und die römischen Funde in relevantem Umfang zeigen solle, sagte Otto nicht – auch nicht, wie die Erweiterung der vielen Präsentationen umgesetzt werden sollen, während dem Museum gleichzeitig de facto eine Ausstellungsfläche von erheblicher Größe genommen wird.
„Zu den konzeptionellen und didaktischen Überlegungen, Schwerpunktsetzungen und möglichen gestalterischen Umsetzungen läuft derzeit die interne Abstimmung“, sagte Otto lediglich. Dabei sollten „auch Freundeskreis und Verbände einbezogen werden“ – bislang ist dies nicht geschehen. Nicht zu Wort kam in der Pressemitteilung die Leiterin des Landesmuseums, Birgit Heide. Nicht eingegangen wurde auch auf die Forderung des Freundeskreises sowie des Deutschen Verbandes für Archäologie: Beide fordern derzeit Landtagspräsident Hering auf, Abstand von den Plänen zunehmen, sein „Demokratie-Labor“ woanders einzurichten – und dem Landesmuseum die Steinhalle, wie versprochen, zurückzugeben.
Stattdessen lobte Kulturministerin Konrad Wolf (SPD) die neuen Pläne in den höchsten Tönen: Man stehe vor der „spannenden Herausforderung“, das Landesmuseum Mainz „zeitgemäß und attraktiv aufzustellen“, schwärmte Wolf. Gleichzeitig biete die Initiative des Landtags „parallel zum Neustart des Museums in der Steinhalle ein Reallabor Demokratie einzurichten, die Chance, mit dem Museumscarré Mainz einen Ort der Vermittlung und kulturellen Begegnung zu schaffen. Dessen Stärke liegt in den Synergien der Angebote beider Partner.“
Info& auf Mainz&: Die ganze Geschichte rund um die Steinhalle des Landesmuseums, die Kritik des Freundeskreises sowie die scharfe Kritik des Deutschen Verbandes für Archäologie an den Plänen des Landtags könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Mainz& hat seit 2015 über die Pläne zum Umbau des alten Landtags im historischen Deutschhaus sowie die Steinhalle als Interims-Plenarsaal berichtet, einen ausführlichen Bericht findet Ihr hier bei Mainz&.