Die Corona-Infektionen steigen und steigen – inzwischen kratzt Mainz sogar schon an der Grenze zur Alarmstufe Rot: Am Freitag lag die 7-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner bereits bei 45 Fällen, am Tag zuvor waren es noch 40 gewesen. „Wir sind Orange“, sagte der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD) am Freitag mit Blick auf die Corona-Warnampel: „Die Situation ist eine gefährliche.“ Von Samstagfrüh Null Uhr an gilt deshalb in ganz Mainz ein Alkoholverkaufsverbot zwischen Mitternacht und 6.00 Uhr morgens, die Zahl der Gäste auf privaten Partys wird auf 25 begrenzt, bei öffentlichen Events ohne feste Bestuhlung auf 75 Personen. Und Ebling warnte: Steigen die Zahlen weiter, werden weitere Maßnahmen folgen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) appellierte eindringlich an die „Partypeople“.

Hatte trübe Aussichten zu verkünden: Dietmar Hoffmann, Leiter des Gesundheitsamtes Mainz-Bingen. - Foto: gik
Hatte trübe Aussichten zu verkünden: Dietmar Hoffmann, Leiter des Gesundheitsamtes Mainz-Bingen. – Foto: gik

Bereits seit Tagen steigen die Neuinfektionen mit dem Coronavirus in Mainz stark an, am Wochenende wurden allein 45 neue, mit Test bestätigte Infektionen in Mainz und Umkreis gemeldet, die Serie setzte sich die ganze Woche über fort: 14 Neuinfektionen, dann 18, dann 24 – damit sind aktuell 121 Menschen akut mit dem neuen Coronavirus infiziert, 175 Menschen befänden sich in Quarantäne, sagte der Leiter des Gesundheitsamtes Mainz-Bingen, Dietmar Hoffmann. Sechs bis sieben Patienten befänden sich davon auf Intensivstationen in Krankenhäusern – auch diese Zahl nimmt derzeit wieder zu.

„Wir haben ein Schwelle erreicht, die ein erhebliches Infektionsrisiko ausdrückt für die Gesundheit in unserer Stadt“, betonte Oberbürgermeister Ebling deshalb am Freitag, darauf wolle und müsse man reagieren. Nach dem Warn- und Aktionsplan des Landes Rheinland-Pfalz musste die Stadt eine Taskforce einberufen, der haben am Donnerstag getagt. „Wir sind seit vier Wochen im gelben Bereich und seit drei bis vier Tagen im orangenen“, sagte Hoffmann. Unerwartet komme das nicht: Mainz sei nun einmal keine Insel – im ganzen Rhein-Main-Gebiet steigen seit Wochen die Neuinfektionen stark an, die Stadt Frankfurt ist bereits ein Corona-Hotspot mit mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohnern.

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Jüngere Partypeople gelten derzeit als Treiber der zweiten Corona-Infektionswelle, hier eine Veranstaltung im KUZ von 2013. - Foto: KUZ
Jüngere Partypeople gelten derzeit als Treiber der zweiten Corona-Infektionswelle, hier eine Veranstaltung im KUZ von 2013. – Foto: KUZ

Als Grund nannte Hoffmann in erster Linie die oft jüngere Bevölkerung der Großstädte: Es seien die „Partypeople“, die den starken Anstieg derzeit verursachten, aus Veranstaltungen gingen dann gerne mal sieben bis acht Infektionen auf einen Schlag hervor, die wiederum neue Infektionsketten auslösten, sagte er. Die Nachverfolgung sei „äußerst anstrengend, personalintensiv und kommt an ihre Grenzen“, sagte Hoffmann, das Gesundheitsamt werde nun noch einmal „massiv Personal aufstocken“ müssen. „Wir sehen im Moment nicht die ganz große Gefahr in Schulen und Kitas, sondern in privaten Veranstaltungen“, betonte Hoffmann. Einige Großhochzeiten hätten sich „zu ganz großen Problemen entwickelt“ – es müsse damit gerechnet werden, dass Mainz kommende Woche in den roten Bereich gerate.

„Wir gehen davon aus, dass die Zahl weiter steigt“, sagte auch Ebling, „die Situation ist eine gefährliche.“ Während man in den Schulen und Kitas momentan weniger Probleme sehe, seien es vor allem „Partypeople, wo mit fortgeschrittenem Alkoholkonsum die Regeln auch nicht mehr richtig eingehalten werden.“ Die Stadt habe sich deshalb entschlossen, „hier den Nerv zu treffen, wo wir erkennbar das höchste Risiko haben“, sagte Ebling.

Musste neue Einschränkungen wegen der Corona-Infektionen verkünden: der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). - Foto: gik
Musste neue Einschränkungen wegen der Corona-Infektionen verkünden: der Mainzer Oberbürgermeister Michael Ebling (SPD). – Foto: gik

Ab Samstagnacht, Null Uhr, gilt deshalb in ganz Mainz ein generelles Alkoholverkaufsverbot zwischen Mitternacht und 6.00 Uhr morgens, und zwar sowohl für Gaststätten, als auch für Hotels, Eisdielen, Kioske, Geschäfte oder Tankstellen. Bordelle und Prostitutionsbetriebe werden wieder geschlossen, dazu beschränkt die Stadt stark den Bereich der Feiern: So dürfen Privatveranstaltungen wie Hochzeiten oder Geburtstagen nur noch mit maximal 25 Personen in gemieteten Räumen gefeiert werden, das gilt auch für angemietete oder zur Verfügung gestellte Räumlichkeiten oder Flächen – bisher galt hier die Grenze von 75 Personen.

Veranstaltungen in geschlossenen Räumen sind anstatt wie bisher mit 250 Personen nur noch mit bis zu 75 gleichzeitig anwesenden Personen zulässig, das gilt allerdings nicht für Räume mit bestuhlten Sitzplätzen wie Theater oder Kinos. Auch diese Regeln gelten bereits ab Samstag, wer also just für diesen Tag eine Privatfeier mit mehr als 25 Personen oder eine Veranstaltung mit mehr als 75 Personen geplant hatte, muss diese absagen oder die Teilnehmerzahl reduzieren. „Das ist ein großer Unbill, egal ob der einen Tag vorher kommt oder drei, das ist uns bewusst“, betonte Ebling. Dennoch müsse sich jeder selbst die Frage stellen, ob es in einer erkennbar akuten Infektionslage angeraten sei, so eine Feier überhaupt zu veranstalten. „Wir haben immer gesagt, dass man in dieser Zeit auf große Feiern verzichten sollte“, sagte der OB.

Die Politik appelliert eindringlich: an die AHA-Regeln halten!! - Grafik: rlp
Die Politik appelliert eindringlich: an die AHA-Regeln halten!! – Grafik: rlp

Überhaupt redete der Oberbürgermeister seinen Bürgern ins Gewissen: Jeder Einzelne müsse sich jetzt an die Corona-Regeln zu Abstand, Hygiene und Maskenpflicht halten, mahnte Ebling, „auch wenn es manchmal lästig ist und es nervt.“ Aber gegen das Coronavirus gebe es eben „nach wie vor kein Gegenmittel, es ist nicht verfügbar“, betonte er, niemand könne und dürfe sich von der allgemeinen Lage abkoppeln. „Wenn wir das Rennen nicht mehr gewinnen können, dann ist wieder alles möglich“, warnte Ebling mit Blick auf weitere Einschränkungen, es sei nicht auszuschließen, dass man kommende Woche weitergehende Maßnahmen ergreifen müsse. Auch eine generelle Maskenpflicht in Schulen sei zum Ende der Herbstferien denkbar.

Vorerst verzichtete die Stadt darauf, ein allgemeine Maskenpflicht etwa auf Plätzen oder in belebten Straßen zu verhängen. Hoffmann betonte derweil aber auch: „Die Übertragbarkeit ist äußerst gering, wenn beide Seiten eine Maske aufhaben und die richtig getragen wird.“ Darauf führe er es auch zurück, dass es bislang keinerlei Hinweise auf Ansteckungen im Öffentlichen Nahverkehr gebe, auch wenn diese schwer nachzuweisen seien. Bislang habe sich das Virus seit dem Sommer vorwiegend in der jüngeren Bevölkerung verbreitet, das drohe sich aber gerade zu ändern, warnte Hoffmann zudem: „Wir haben im Moment wieder einen ernsten Ausbruch in einem Altersheim im Landkreis, das macht uns große Sorgen.“

Virologen wie Christian Drosten warnen: Deutschland droht seine Erfolge in der Corona-Bekämpfung zu verspielen. - Foto: gik
Virologen wie Christian Drosten warnen: Deutschland droht seine Erfolge in der Corona-Bekämpfung zu verspielen. – Foto: gik

Am Nachmittag teilte das Gesundheitsamt mit, dass in einem Seniorenzentrum in Sörgenloch 12 Bewohner positiv auf das Coronavirus getestet worden seien, zwei Betroffene mussten stationär in eine Krankenhaus eingeliefert werden. Am Wochenende sollen nun die übrigen Bewohner des über 148 Plätze verfügenden Hauses sowie das Pflegepersonal getestet werden. Das Gesundheitsamt verfügte umgehend ein Besuchsverbot und einen Aufnahmestopp. „Wir haben sehr großen Respekt vor dieser Entwicklung“, betonte Hoffmann – greife die Infektionswelle erneut auf Alten- und Pflegeheime über, sei auch wieder ein Anstieg der Todesfälle zu erwarten.

Das Robert-Koch-Institut meldete am Freitag 4.500 Neuinfektionen bundesweit, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte deshalb nach einem Treffen von Bürgermeistern mit Großstädten eindringlich zu mehr Achtsamkeit und Zusammenhalt: „Es muss unser Ziel sein, die Infektionen in einem Bereich zu halten, wo Neuinfektionen nachverfolgt werden können und wo es gelingt, Infektionsketten wieder zu durchbrechen“, sagte die Kanzlerin. Merkel wandte sich zugleich direkt mit einem Appell an die jüngeren Menschen: Die fänden es „vielleicht übertrieben, wie jetzt in den Städten in das Ausgehen und Feiern eingegriffen wird“, sagte Merkel: „Denken auch Sie einmal an das, was Ihnen am wichtigsten ist. Ist es nicht die Gesundheit Ihrer Familie, auch Ihrer Großeltern? […] Ist es dafür nicht wert, nun ein wenig geduldig zu sein?“

Eindringlicher Appell an die Partypeople: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). - Screenshot: gik
Eindringlicher Appell an die Partypeople: Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). – Screenshot: gik

Feiern, Ausgehen und Spaß haben, das werde alles zurückkommen, betonte Merkel, jetzt komme es aber erst einmal auf den Zusammenhalt an. Deutschland stehe dem Kampf gegen die steigenden Zahlen nicht ohnmächtig gegenüber, das Bild sei aber derzeit deutlich besorgniserregender als im Sommer: Die Zunahme in manchen Städten sei so sprunghaft, dass sich das Virus beinahe unkontrollierbar verbreite, warnte Merkel laut heute. de. Und auch der bekannte Virologe Christian Drosten mahnte: Kooperation sei jetzt „das, was uns retten wird.“ Es gebe zu viele „Irrlichter“ in der öffentlichen Kommunikation – Deutschland drohe seinen im Frühjahr erarbeiteten Vorsprung bei der Bekämpfung der Corona-Pandemie zu verspielen.

Info& auf Mainz&: Mehr zur Entwicklung der vergangenen Tage und der Alarmstufe Orange lest Ihr hier bei Mainz&, was Wissenschaftler zur „Zweiten Welle“ sagen, haben wir hier bei Mainz& zusammengetragen: „Wir drohen, die Kontrolle zu verlieren.“ Wir bei Mainz& LAACHen jetzt übrigens – mehr zur neuen Corona-Merkformel mit Lüften, Abstand, Alltagsmaaske, Corona-App und Hygieneregeln lest Ihr hier bei Mainz&.

 

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