Fassungslosigkeit in der Fastnachtsszene: Russland hat den Düsseldorfer Wagenbauer und Satiriker Jacques Tilly wegen seiner Motivwagen verklagt, in denen Tilly seit Jahren Kremlchef Wladimir Putin aufs Korn nimmt. Nun erklären die Mainzer Fastnachtsvereine und Garden „ihre volle Solidarität“ mit dem Düsseldorfer Karneval und insbesondere mit Jacques Tilly, das teilte die Mainzer Fastnachtsgenossenschaft am Freitag mit. Die närrische Freiheit sei „unverzichtbarer Bestandteil“ von Karneval und Fastnacht, Russlandkenner werten das Ganze als Einschüchterungsversuch Putins. Wir zeigen, wie die Mainzer Narren auf ihren Motivwagen Putin zeichneten.

Legendärer Karnevalswagen von Jacques Tilly aus dem Jahr 2024. Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin kritisierte auf Facebook unter anderem mit diesem Bild das Vorgehen Russlands scharf. - Foto: gik
Legendärer Karnevalswagen von Jacques Tilly aus dem Jahr 2024. Die stellvertretende NRW-Ministerpräsidentin kritisierte auf Facebook unter anderem mit diesem Bild das Vorgehen Russlands scharf. – Foto: gik

Es ist ein wohl einmaliger Vorgang: Der russische Staat geht gerichtlich gegen einen Karnevalswagen wegen satirischer Darstellung vor, weil sich der Präsident des Staats verunglimpft und beleidigt fühlt. Doch genau das passiert gerade: Ein russisches Gericht habe ein Strafverfahren gegen den Düsseldorfer Künstler, Bildhauer und Satiriker Jacques Tilly eingeleitet, berichtet unter anderem der WDR auf seiner Homepage. Eingereicht worden sei der Fall laut dem Moskauer Gericht am 15. Dezember, die erste Anhörung solle am 24. Dezember 2025 um 10.00 Uhr Ortszeit stattfinden.

Der Vorwurf: Tilly müsse sich wegen Verunglimpfung der russischen Armee verantworten, berichtet laut WDR ein Moskauer Gericht auf seiner Webseite. Tilly werde demnach vorgeworfen, Fakes über die russische Armee verbreitet zu haben, weil seine Werke eine Beleidigung für Putin als Oberbefehlshaber in seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine seien, berichteten russische Medien. Tilly werde beschuldigt, „aus eigennützigen Motiven und aus politischem Hass Falschdarstellungen über die Armee verbreitet zu haben.“ In Russland sind mit diesem Vorwurf bereits zahlreiche Kriegsgegner verurteilt worden, die sich gegen die Invasion der Ukraine durch Russland gestellt hatten.

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Satirischen Wagen für Putin-kritischen Verein in NRW gebaut

Der Düsseldorfer Bildhauer Jacques Tilly gehört seit Jahrzehnten zu den berühmtesten und profiliertesten Wagenbauer des rheinischen Karnevals, mit ihm auf Augenhöhe spielte nur noch der langjährige und im Januar 2025 verstorbene Mainzer Wagenbauer Dieter Wenger. Auch Wenger baute immer wieder satirische Wagen auf Kremlchef Putin, Tillys Werke allerdings zeichnen sich durch eine noch größere und oft gnadenlosere Schärfe aus.

Wagen des Anstoßes: Wegen solcher kritischer Wagen verklagt der Kreml nun den Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly. - Foto: WDR, Screenshot: gik
Wagen des Anstoßes: Wegen solcher kritischer Wagen verklagt der Kreml nun den Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly. – Foto: WDR, Screenshot: gik

Anlass könnte nun allerdings ein besonderer Fastnachtswagen gewesen sein: Tilly hatte im Mai 2024 im Auftrag des Putin-kritischen Vereins „Freies Russland NRW“ einen Karnevalswagen gebaut, auf dem ein Pappmaché-Putin in Handschellen vor dem Gebäude des Internationalen Gerichtshofs in Den Haag zu sehen ist, wie der WDR berichtet. Das Vorgehen sei denn auch „Teil einer Taktik, um auch hierzulande Menschen einzuschüchtern und daran zu hindern, sich gegen Russland zu solidarisieren“, zitiert der WDR Yuri Nikitin vom Verein „Freies Russland NRW“.

In der Mainzer Fastnacht ist das Entsetzen über das russische Vorgehen groß, die Mainzer Fastnachts-Genossenschaft reagierte am Freitag prompt: „Die 41 Garden und Vereine der Mainzer Fastnacht eG erklären ihre volle Solidarität mit dem Düsseldorfer Karneval und insbesondere mit dem Satiriker und Wagenbauer Jacques Tilly“, teilte die Fastnacht eG mit: „Dass gegen einen Karnevalisten wegen satirischer Darstellungen ein Strafverfahren angestrengt wird, ist für uns nicht nachvollziehbar und gibt Anlass zu großer Sorge“, heißt es weiter.

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Mainzer Fastnachter: Närrische „Satire muss frei sein“

„Die närrische Freiheit, mit den Mitteln von Humor, Überzeichnung und Satire gesellschaftliche und politische Entwicklungen zu kommentieren, ist ein unverzichtbarer Bestandteil unseres karnevalistischen und fastnachtlichen Brauchtums – und zugleich Ausdruck einer offenen, demokratischen Gesellschaft“, unterstreichen die Mainzer Fastnachter. Die Motivwagen des Rosenmontagszugs „stehen seit jeher für genau diese Freiheit: Sie halten den Mächtigen den Spiegel vor, unbequem, pointiert und im besten Sinne närrisch.“

Auch die Mainzer Narren nahmen Putin immer wieder aufs Korn, in diesem Jahr als James Bond-Erzbösewicht Blofeld, mit Kim Jong-Un als Katze auf dem Schoß: "In tödlicher Mission".- Foto: gik
Auch die Mainzer Narren nahmen Putin immer wieder aufs Korn, in diesem Jahr als James Bond-Erzbösewicht Blofeld, mit Kim Jong-Un als Katze auf dem Schoß: „In tödlicher Mission“.- Foto: gik

Die Mainzer Fastnacht stehe deshalb fest an der Seite ihrer Freundinnen und Freunde in Düsseldorf: „Wir lassen uns weder einschüchtern noch den Humor nehmen“, betonen die Mainzer Narren: „Satire darf provozieren, sie darf zuspitzen – und sie muss frei sein. Wer versucht, diese Freiheit einzuschränken oder zu kriminalisieren, greift nicht nur einzelne Künstler an, sondern ein grundlegendes Recht. Die närrische Kritik kenne keine Grenzen, und sie lasse sich nicht verbieten.

Ganz ähnlich hatte sich auch Tilly selbst geäußert: Satirische Kunst vor Gericht zu bringen, halte er für „völlig unangemessen und einfach lächerlich“, sagte er laut WDR, sie solle „auf der Straße wirken, die Leute wütend machen, zum Lachen bringen“. Angst habe er keine, unterstrich der Satiriker und kündigte an, mit einem neuen Wagen in der kommenden Kampagne reagieren zu wollen: „Es ist immer eine gefährliche Sache wenn Despoten, Demagogen und Diktatoren die Narren kurz vor Rosenmontag reizen. Das sollte man nicht machen“, sagte Tilly. Die Mainzer Narren betonten, damit spreche Tilly „uns aus der Seele.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Thema Klage gegen Tilly sowie der Taktik, die Kritiker dahinter sehen, findet Ihr hier beim WDR online. Und natürlich darf jetzt eine spezielle Mainz&-Fotogalerie nicht fehlen: So nahmen die Mainzer Narren Kremlchef Putin in den vergangenen Kahren aufs Korn: