Im Juni 2020 hatte der Mainzer Stadtrat den weiteren Ausbau des Mainzer Straßenbahnnetzes beschlossen, nun wird es ernst: Am Donnerstagabend laden Stadt Mainz und Mainzer Mobilität zur großen Bürgerbeteiligung, auf der Tagesordnung steht der wohl umstrittenste Teil der Ausbaupläne – ein Innenstadtring der Mainzer Straßenbahn. Der Plan: Die Mainzelbahn soll zum Höfchen rollen, die Altstadt mit der Neustadt verbinden, und einen Ring durch die Neustadt bekommen – und zwar wahrscheinlich durch die Hindenburgstraße. Am Donnerstagabend sind dazu nun die Mainzer gefragt.

Neue Mainzelbahntrasse am Bretzenheimer Ostergraben. - Foto: gik
Neue Mainzelbahntrasse am Bretzenheimer Ostergraben. – Foto: gik

Die Grünen sprachen von einer „historischen Weichenstellung“, die Linke wollte lieber O-Busse, und die CDU seufzte, Mainz habe auch im 12. Jahr der Ampel-Regierung noch immer keinen „Masterplan Verkehr“ – das war im Juni 2020, und der Mainzer Stadtrat hatte gerade eine grundlegende Entscheidung getroffen: Ein Votum für den umfangreichen weiteren Ausbau des Mainzer Straßenbahnnetzes. Grüne, SPD und FDP forderten in einem Antrag die Stadtverwaltung auf, „nach dem großen Erfolg der Mainzelbahn“ gemeinsam mit der Mainzer Mobilität das Straßenbahnnetz in Mainz weiter zu entwickeln.

Der Ausbauplan hat drei Teile: die schnelle Realisierung einer Spange von der Alicenbrücke zum Münsterplatz am Hauptbahnhof vorbei, dieser „Beipass“ für die Straßenbahn ist bereits in Arbeit und soll bis 2025 bereits umgesetzt werden. Baustein Nummer zwei: eine Anbindung des neue Heiligkreuz-Viertels mit Teilen von Oberstadt und Weisenau. Nachdem die Stadt Mainz bei der Planung des neuen Wohnquartiers zunächst keine Pläne zur Anbindung an das Straßenbahnnetz geplant hatte, soll die nun doch kommen, eine Machbarkeitsstudie soll nun aber erst noch Verlauf und Einzugsgebiete klären. Um die Trasse in die Oberstadt hatte es heftigen Streit gegeben, nachdem ausgerechnet die Grünen zunächst eine Trasse mitten durch die Schrebergartensiedlungen angedacht hatten.

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Straßenbahn-Spange über die Binger Straße, wie sie mal im Zuge der Citybahn geplant war. - Grafik: Citybahn GmbH
Straßenbahn-Spange über die Binger Straße, wie sie mal im Zuge der Citybahn geplant war. – Grafik: Citybahn GmbH

Teil drei der Ausbaupläne beziehen sich auf einen sogenannten „Innenstadtring“, und genau der ist nun Gegenstand einer großen Bürgerbeteiligung, die Donnerstagabend stattfinden soll. „Die Idee ist, die Altstadt und die Neustadt zu verbinden und zu erschließen, um den Umweltverbund zu stärken“, sagte die Mainzer Verkehrsdezernentin Janina Steinkrüger (Grüne) einen Tag vor der Veranstaltung auf einer Pressekonferenz. Die Neustadt als bevölkerungsreichster Mainzer Stadtteil solle an das Mainzer Straßenbahnnetz angeschlossen werden, Ziel sei, „dass man hier das Auto nicht mehr braucht.“

 

Tatsächlich streift die derzeitige Straßenbahnlinie durch die Mainzer Neustadt lediglich den Teil entlang der Eisenbahnschienen, sämtliche Wohngebiete hin zum Rheinufer sind von der Tram weit weg – ganz besonders das neue Wohngebiet im Mainzer Zollhafen rund um die Südmole. Die neuen Ausbaupläne sprechen deshalb nun von einem „Innenstadtring“, vor allem in der Neustadt soll die Straßenbahn wohl eine Schleife bekommen – und dabei soll die Straßenbahntrasse mitten durch die Hindenburgstraße führen.

Straßenbahnlinie zum Mainzer Zollhafen (Nordseite) an der Haltestelle Goethestraße. - Foto: gik
Straßenbahnlinie zum Mainzer Zollhafen (Nordseite) an der Haltestelle Goethestraße. – Foto: gik

Das Ziel des „Innenstadtrings“ sei, Altstadt und Neustadt miteinander zu verbinden, und die Straßenbahnen direkt in den Kern der Altstadt zum Höfchen zu führen, sagte der Geschäftsführer der Mainzer Verkehrsgesellschaft, Jochen Erlhof, am Mittwoch. „Mit dem Erschließen des Innenstadt-Kerns erlebt das gesamte Straßenbahnsystem noch einmal eine Aufwertung“, betonte Erlhof. Dann könnten Fahrgäste vom Lerchenberg oder von Finthen direkt zum Höfchen fahren, ohne am Schillerplatz umsteigen zu müssen. Dafür müsste die Straßenbahn allerdings vom Schillerplatz aus die Ludwigsstraße hinunterfahren, und vor dem Markt links abbiegen.

Straßenbahnlinie durch die Hindenburgstraße?

Vom Höfchen aus würde die neue Straßenbahnlinie dann geradeaus über den Flachsmarkt und die Bauhofstraße zur Kaiserstraße rollen, und weiter über die Hindenburgstraße zur Goethestraße – so sehen es uralte Mainzer Pläne vor. Bestätigen wollte Erlhof das am Mittwoch nicht, „wir werden heute keine Straßennamen in den Mund nehmen“, sagte er auf Nachfrage verlegen. Die damalige Verkehrsdezernentin Katrin Eder (Grüne) hatte aber im Juni 2020 im Mainzer Stadtrat gesagt, es gebe freigehaltene Flächen in der Bauplanung für genau so einen Innenstadtring der Straßenbahn – und diese Flächen führen durch die Hindenburgstraße.

Rollt die Straßenbahn in wenigen Jahren hier durch die Hindenburgstraße? - Foto: gik
Rollt die Straßenbahn in wenigen Jahren hier durch die Hindenburgstraße? – Foto: gik

Die wichtige Neustadt-Querspange ist aber durch die Verkehrsberuhigung derzeit eine Art Sackgasse, die am Goetheplatz endet, in der jetzt schon engen Straße drängen sich Pkws, Busse und vor allem eine große Menge Fahrräder: Die Hindenburgstraße ist die wichtigste Radverkehrsachse aus der Mainzer Neustadt in Richtung Innenstadt. Mit einer Straßenbahn würden hier sicher die Parkplätze in der Straßen weichen, Kritiker warnen zudem aber auch vor Schäden für die Bäume: Die Straße wird gesäumt von einer der schönsten Alleen in Mainz mit altem Baumbestand – ein Ausbau könnte die Allee schädigen, warnen Kritiker und fordern, die Straßenbahn über der Rheinallee zu führen. Das würde auch eine bessere Anbindung des neuen Zollhafens bedeuten, argumentieren sie.

Am Donnerstag sollen dazu nun die Bürger befragt werden: Von 18.00 Uhr bis 20.30 Uhr findet eine große Bürgerbeteiligung statt, wegen der Corona-Pandemie online und per Livestream. Bei dem Forum sollen zunächst die Ausbaupläne erläutert und auch verschiedene Wege für die Straßenbahntrassen vorgestellt werden. Eine Vorfestlegung gebe es nicht, betonte Erlhof: „Wir machen eine sehr frühzeitige Beteiligung, noch im Bereich der Grundlagenentwicklung.“ Man wolle „unterschiedliche Planungsüberlegungen“ darstellen, wo die Trassen theoretisch langführen könnten, die weiteren Planungen dann „im Beteiligungsprozess ein Stück weit erarbeitet werden.“

Gedrängte Enge durch Bus, Fahrräder und Autos in der Mainzer Hindenburgstraße. - Foto: gik
Gedrängte Enge durch Bus, Fahrräder und Autos in der Mainzer Hindenburgstraße. – Foto: gik

15 Monate rechnet die Mainzer Mobilität für den Beteiligungsprozess ein, der großen Auftaktveranstaltung sollen dann – wie schon bei der Citybahn – Workshops zu einzelnen Themenbereichen folgen, Zu diesen Workshops werden die Mitglieder aber individuell eingeladen, die breite Beteiligung findet also vor allem am Donnerstagabend statt. Die Zuschauer könnten dabei via Chat und Telefon Fragen, Erwartungen und Bedürfnisse rund um das Ausbauprojekt äußern, versprach Erlhof. Wer am Donnerstag verhindert sei, könne sich die Veranstaltung noch weitere zwei oder drei Wochen online ansehen und seine Wünsche, Forderungen und Knackpunkte per Email an die Mainzer Mobilität schicken.

„Wir wollen alle Bürger einladen, an der Veranstaltung teilzunehmen“, betonte Erlhof, das sei durch den Online-Modus besonders leicht möglich. Die Bewohner der Altstadt und Neustadt habe man zudem durch Hauswurfsendungen von der Bürgerbeteiligung informiert. Der Beteiligungsprozess werde „sicher komplizierter“, räumte Erlhof weiter ein, schließlich bewege man sich im Bereich Altstadt und Neustadt in einem „sehr intensiv genutzten, eng bebauten Bereich.“

„Entscheidungen werden nicht jedem gefallen“

Ziel sei, „eine möglichst konfliktarme Trasse zu finden“, sagte der Verkehrsexperte weiter, und warnte zugleich: „Es werden Entscheidungen geben, die nicht jedem gefallen.“ Man wolle aber „das örtliche Wissen“ der unmittelbar Betroffenen einbeziehen und „möglichst zu einer Vorzugsvariante kommen“. Am Ende werde allerdings der Stadtrat entscheiden, räumte Erlhof ein – und dort halten Grüne, SPD und FDP die Mehrheit. Erlhof betonte zudem, mit einem Ausbau des Innenstadtnetzes und der Erschließung des Mainzer Innenstadtkerns erlebe das gesamte Straßenbahnsystem noch einmal eine Aufwertung.

 

Nach Angaben der Mainzer Mobilität benutzten vor der Corona-Krise im Jahr 2019 rund 56,9 Millionen Fahrgäste Busse und Bahnen in Mainz, das waren rund 185.000 Menschen an einem Werktag. Vor dem Ausbau der Mainzelbahn auf den Lerchenberg seien es noch 46,7 Millionen Fahrgäste im Jahr gewesen, die Mainzelbahn habe „einen Schub gebracht“. Eine Straßenbahn mache den ÖPNV tatsächlich attraktiver und ziehe mehr Fahrgäste an, betonte Erlhof: In den drei Stadtteilen Bretzenheim, Marienborn und Lerchenberg habe die Straßenbahn Zuwächse zwischen 9 und 20 Prozent gebracht. „Es hat sich das Mobilitätsverhalten tatsächlich verändert“, sagte Erlhof.

Mainzelbahn-Strecke entlang des Bretzenheimer Ostergrabens. - Foto: gik
Mainzelbahn-Strecke entlang des Bretzenheimer Ostergrabens. – Foto: gik

Anfang Dezember 2016 wurde die neue Mainzelbahn-Strecke vom Mainzer Hauptbahnhof über die Universität hinauf auf den Lerchenberg eingeweiht, mehr als fünf Jahre danach liegt indes immer noch keine Endabrechnung der Baukosten vor. Die Mainzer Mobilität befinde sich noch immer „mit der einen oder anderen Baufirma in der rechtlichen Auseinandersetzung vor Gericht“, sagte Erlhof auf Mainz&-Nachfrage, und fügte hinzu: „Da wundert man sich schon.“

Wie hoch die Investitionen für einen Innenstadtring sein müssten, dazu wollte sich Erlhof nicht äußern. Bei der Mainzelbahn habe am Ende jeder Kilometer mit 10 bis 11 Millionen Euro zu Buche gestanden, heute müsse man wohl eher mit Kosten von 15 bis 18 Millionen Euro pro Kilometer rechnen – und Bauen in der Stadt sei eher teurer. Die Gelegenheit für einen Ausbau sei aber deshalb jetzt günstig, weil die Bundesregierung ihre Förderrichtlinien geändert hat: Inzwischen würden 75 Prozent der Kosten bei Straßenbahnprojekten gefördert, ebenso die Planungskosten.

Ein weitere Ausbau des Straßenbahnnetzes könne die Tram in Mainz sogar zum Hauptverkehrsmittel machen, rechnete Erlhof vor: Vor der Mainzelbahn habe der Straßenbahnanteil am ÖPNV 21 Prozent betragen, jetzt seien es schon 35 bis 38 Prozent. „Die Erwartung ist, mit diesem Ausbau anschließend über 50 Prozent mit dem leistungsfähigen, umweltfreundlichen Transportmittel transportieren zu können“, sagte Erlhof: „Mainz soll eine echte Straßenbahnstadt werden.“

Info& auf Mainz&: Mehr zum Ausbau des Mainzer Straßenbahnnetzes und dem Beschluss des Mainzer Stadtrates 2020 lest Ihr hier bei Mainz&. Mehr zum Thema Kosten der Mainzelbahn könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen.

Die Bürgerbeteiligung zum Straßenbahn-Innenstadtring findet am Donnerstag, den 17. März 2022, von 18.00 Uhr bis 20.30 Uhr statt, und zwar online, zu finden über die Internetseite www-m-wie-zukunft.de, die am Donnerstag freigeschaltet werden soll. Hier gibt es aktuell den Livestream mit Frage-Button, ansehen kann man sich die Veranstaltung zudem hier auf Youtube. Infos ansonsten über die Mainzer Mobilität hier im Internet. Die Veranstaltung wird auch über den Offenen Kanal Mainz gesendet, während der Veranstaltung können sich Zuschauer via Chat und Telefon zu Wort melden.