Vergangene Woche legte die Bundesregierung nach langen Verhandlungen den Entwurf zum neuen Infektionsschutzgesetz vor, am Dienstag beraten nun Bund und die Gesundheitsminister der Länder darüber. Die Eckpunkte der neuen Regelung: Masken sollen grundsätzlich in Innenräumen bleiben, allerdings bekommen die Länder weitreichende eigene Befugnisse bei der Festlegung. Masken und Tests in Schulen oder bei Veranstaltungen können angeordnet werden – allerdings nur in Hotspots. Ab welchen Grenzen Schutzmaßnahmen gelten sollen, ist noch völlig unklar. Ausnahmen gelten grundsätzlich für frisch Geimpfte oder Genesene.

Corona-Infektionen in Deutschland seit Beginn der Pandemie. - Grafik: Tagesspiegel
Corona-Infektionen in Deutschland seit Beginn der Pandemie. – Grafik: Tagesspiegel

Wie bereitet sich Deutschland auf den Herbst vor, wenn die Infektionszahlen in Sachen Corona vermutlich wieder noch weiter steigen? Um diese Frage hatten Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) und sein Verhandlungspartner, Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) lange gerungen, vergangene Woche stellten sie das Ergebnis dann endlich vor: Masken sollen in der Hauptsache im Herbst vor dem Coronavirus schützen.

Zum 23. September 2022 läuft das bisherige Infektionsschutzgesetz (IfSG) aus, eine Nachfolge war also dringend notwendig – das Nachfolgegesetz soll nun vom 1. Oktober 2022 bis zum 7. April 2023 gelten. Die bisherigen Regeln werden per Sonderregelung bis zum 30. September verlängert, damit keine Lücke entsteht. Im Herbst und Winter sei „mit einem saisonalen Anstieg der COVID-19-Fälle zu rechnen – und mit einer gesteigerten Belastung des Gesundheitssystems und der sonstigen kritischen Infrastrukturen“, heißt es zur Begründung vom Bund – ungeachtet der Tatsache, dass seit Wochen eine massive Sommerwelle durch die Republik rast.

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„Deutschland soll besser als in den vergangenen Jahren auf den nächsten Coronawinter vorbereitet sein“, betonte nun Lauterbach bei der Vorstellung der neuen Regeln. Dafür habe man einen 7- Punkte-Plan entwickelt und eine Corona-Herbststrategie. Es werde eine Impfkampagne mit neuen Impfstoffen geben, ein Pandemieradar mit tagesaktuellen Daten, Test- und Behandlungskonzepte, Schutzkonzepte für Pflegeheime und einen rechtssicheren Rahmen für Schutzmaßnahmen, versprach Lauterbach: „Damit können wir arbeiten.“

Beten für mehr Schutz? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf einer Pressekonferenz im Sommer. - Foto: gik
Beten für mehr Schutz? Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) auf einer Pressekonferenz im Sommer. – Foto: gik

Das neue IfSG-Stufenmodell gebe Bund und Ländern rechtssichere Werkzeuge zur Pandemievorsorge an die Hand, betonte der Gesundheitsminister weiter. Dazu gehörten der bundesweite Einsatz von Masken und zielgerichtetes Testen für besonders gefährdete Personen. Ab 1.10. können die Länder zudem die Maskenpflicht in den Innenräumen nutzen. „Wenn die Situation es gebietet, gilt auch eine Maskenpflicht bei Außenveranstaltungen und es kommt zu Obergrenzen im öffentlichen Raum“, unterstrich Lauterbach.

Tatsächlich gibt der Bund allerdings weitreichende Befugnisse zur Pandemiebekämpfung an die Länder ab, ein Flickenteppich bei den Corona-Regeln dürfte damit vorprogrammiert sein. Bundesweit gelten ab Oktober nur noch eine Maskenpflicht im Luftverkehr und im öffentlichen Personenfernverkehr, also der Bahn – eine Maskenpflicht im Öffentlichen Nahverkehr dürfen die Länder hingegen selbst regeln. Ferner legt der Bund nur noch eine Masken- und Testpflicht für Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen fest – alle anderen Bereiche delegiert er an die Länder.

 

Die Bundesländer dürfen dann über Maskenpflicht im ÖPNV und in Innenräumen entscheiden, sie können Masken und Tests in Schulen, Kitas oder Heimen anordnen – ab welcher Schwelle sie das tun müssen, sagt der Entwurf nicht. Damit können Maskenpflichten im ÖPNV, wie sie bisher noch gelten, im Prinzip ab dem 1. Oktober fallen. Grenzen, ab wann Schutzmaßnahmen wieder gelten müssen, werden nicht genannt – Kritiker sprechen von „Wachsweichen“ Regelungen.

Maskenpflichten im Außenbereich gibt es nur bei Corona-Hotspots. - Foto: KCK
Maskenpflichten im Außenbereich gibt es nur bei Corona-Hotspots. – Foto: KCK

Nur wenn ein Landesparlament ein eine konkrete Gefahr für das gesamte Bundesland oder eine konkrete Gebietskörperschaft anhand bestimmter, gesetzlich geregelter Indikatoren feststellt, greifen weitere Befugnisse für weitergehende Maßnahmen. Nach der Feststellung einer Gefahrenlage für einen „Hotspot“ – und nur dann – können die Länder Maskenpflichten im Außenbereich bei Veranstaltungen oder auch bei Veranstaltungen in Innenräumen anordnen, Hygienekonzepte vorschreiben, Personen-Obergrenzen festlegen oder einen Mindestabstand von 1,5 Metern vorschreiben.

Eine Ausnahme gilt grundsätzlich für frisch Geimpfte oder frisch Genesene, hier gilt eine 90-Tage-Frist. Ausnahmen bei Maskenpflichten gibt es weiterhin für Menschen mit Befreiung oder für Kinder unter 6 Jahren, eine Maskenpflicht in Schulen kann nur ab dem fünften Schuljahr aufwärts, also nicht in Grundschulen, angeordnet werden.

 

„Den Schulen gilt unser besonderes Augenmerk“, betonte Justizminister Buschmann. Kinder hätten „ein Recht auf schulische Bildung und einen möglichst unbeschwerten Schulalltag“, Schulschließungen dürfe es deshalb nicht geben. „Auch eine pauschale Maskenpflicht an Schulen wäre nicht angemessen“, betonte Buschmann, der immerhin nun bestätigte: „Masken schützen. Und in bestimmten Situationen ist eine Maskenpflicht auch zumutbar.“ Vor wenigen Wochen hatte Buschmann noch genau die Schutzwirkung von Masken in Frage gestellt.

Maske und Coronatest in Schulen soll es nur noch in Ausnahmefällen geben- und nicht mehr in Grundschulen. - Foto: dpa
Maske und Coronatest in Schulen soll es nur noch in Ausnahmefällen geben- und nicht mehr in Grundschulen. – Foto: dpa

Die Länder sollen nun aber eine Maskenpflicht an Schulen nur dann anordnen können, wenn dies erforderlich ist, um weiter Präsenzunterricht durchführen zu können. Der Präsident des Deutschen Lehrerverbandes, Heinz-Peter Meidinger, kritisierte im „Tagesspiegel“, es sei nicht nachvollziehbar, dass eine Maskenpflicht für Grundschüler selbst dann nicht verhängt werden könne, wenn die Inzidenzen „durch die Decke schießen“ und der Krankenstand bei den Lehrern so hoch sei, dass Unterricht ausfalle. Das sei der Grundsatz „lieber Unterrichtsausfall statt Maskenpflicht“ – während an weiterführenden Schulen der umgekehrte Grundsatz gelte.

 

In Kultur, Freizeit, Sport und Gastronomie müsse es zudem Ausnahmen für Getestete, Frischgeimpfte und Frischgenesene geben, betonte Buschmann: „In diesen sozialen Bereichen ist es richtig, mehr auf die Eigenverantwortung der Zivilgesellschaft zu setzen.“ Lockdowns oder Ausgangssperren soll es künftig nicht mehr geben. Man setze stattdessen „auf Maßnahmen, die gleichzeitig wirksam und zumutbar sind“, betonte Buschmann.

Wann neue, Omikron-angepasste oder sogar allgemein-wirksame Corona-Impfstoffe kommen, ist unklar. - Foto: Biontech
Wann neue, Omikron-angepasste oder sogar allgemein-wirksame Corona-Impfstoffe kommen, ist unklar. – Foto: Biontech

Faktisch gelten damit aber künftig außer den Maskenpflichten so gut wie keine Einschränkungen mehr – wohin das führt, konnte man in diesem Sommer sehen: Die Corona-Sommerwelle mit der Variante Omikron BA.5 sorgte für so hohe Corona-Inzidenzen, wie in den gesamten zwei Jahren zuvor nicht: Nach einer Berechnung des Berliner „Tagesspiegel“ fanden von derzeit mehr als 31 Millionen Corona-Infektionen in Deutschland seit Beginn der Pandemie rund 24 Millionen allein in diesem Jahr statt. Das Ergebnis: Krankenhäuser, ÖPNV und viele Betriebe litten unter massivem Personalmangel, Veranstaltungen mussten abgesagt, Restaurants geschlossen werden.

Zudem stützt sich der 7-Punkte-Plan auf „neue Impfstoffe“, die auf die Omikron-Variante angepasst sein wollen, wann diese Impfstoffe zur Verfügung stehen, ist aber weiter unklar. Wer also in den „Genuss“ der 90-Tage-Frist kommen will, müsste sich womöglich früher und mit den derzeit etwas weniger wirksamen Impfstoffen immunisieren lassen – Kritiker schimpfen, das führe zu falschen Impfanreizen. Die Kritikpunkte dürften denn auch ebenso wie die Frage neuer Schwellenwerte und Inzidenz-Regeln die Bund-Länder-Konferenz am Dienstag beschäftigen.

Info& auf Mainz&: Den ganzen Entwurf zum neuen Infektionsschutzgesetz findet Ihr hier im Internet. Ausführliche Grafiken zur Corona-Pandemie in Deutschland findet Ihr hier beim Tagesspiegel.