Die zweite Omikron-Welle rollt, die Infektionszahlen klettern täglich in immer neue Rekordhöhen – trotzdem hält die Bundesregierung bislang an ihren Lockerungsplänen ab dem kommenden Sonntag fest. Das Land Rheinland-Pfalz regiert derweil: Der Ministerrat verlängerte am Dienstag die aktuell geltenden Corona-Regeln noch einmal bis zum 2. April. Damit gilt die Maskenpflicht nicht nur im ÖPNV, sondern auch weiter beim Einkaufen, auch in den weiterführenden Schulen bleiben die Masken verpflichtend. Derweil wird immer mehr Kritik an den Öffnungsplänen des Bundes laut – und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) kritisiert sich quasi selbst.

Vergleich der aktuellen Corona-Inzidenzen in Europa: Die Farbe "grau" zeigt an, wo die Inzidenzen besonders hoch sind. - Grafik: Risklayer
Vergleich der aktuellen Corona-Inzidenzen in Europa: Die Farbe „grau“ zeigt an, wo die Inzidenzen besonders hoch sind. – Grafik: Risklayer

Die zweite Omikron-Welle hat die Republik voll erfasst, Schuld ist vermutlich der neue Omikron-Subtyp BA.2: Die Variante des Omikron-Coronavirus ist noch einmal deutlich ansteckender und versucht womöglich auch Krankheitsverläufe mit mehr Grippesymptomen als die Ursprungs-Omikron-Variante. Seit Ende Februar nehmen deswegen die Neuinfektionen mit dem Coronavirus so richtig wieder Fahrt auf – das Problem dabei: Die zweite Omikron-Welle startet von einem ohnehin schon hohen Infektions-Verbreitungsniveau.

So rasen die Fallzahlen derzeit in immer neue Rekordhöhen: Bundesweit liegt die Sieben-Tage-Inzidenz der Neuinfektionen inzwischen bei 1.585, das Robert-Koch-Institut meldete am Dienstag 198.888 neue Coronafälle – so viele gab es binnen 24 Stunden seit Beginn der Corona-Pandemie in Deutschland noch nie. 283 neue Todesfälle wurden zudem binnen 24 Stunden in Zusammenhang mit Covid-19-Erkrankungen gemeldet, damit stürzt noch immer jeden Tag in Deutschland quasi ein voll besetztes Flugzeug ab.

- Werbung -
Werben auf Mainz&

In Rheinland-Pfalz liegt die Corona-Inzidenz inzwischen bei 1.389, einer der Hotspots im Land ist weiter die Landeshauptstadt Mainz – hier liegt die Sieben-Tage-Inzidenz inzwischen bei 1.735, auch das ist so hoch wie nie. 1.127 neue Fälle meldete das Gesundheitsamt Mainz-Bingen am Dienstag, dabei wurden allerdings auch Infektionsfälle vom vergangenen Wochenende nachgemeldet. Auch im Landkreis Mainz-Bingen wurden 836 Neuinfektionen binnen 24 Stunden gemeldet, die Sieben-Tage-Inzidenz liegt hier inzwischen bei 1.561.

 

Masken schützen herausragend gut vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, haben Forscher herausgefunden. - Video: MPI Göttingen
Masken schützen herausragend gut vor einer Ansteckung mit dem Coronavirus, haben Forscher herausgefunden. – Video: MPI Göttingen

Das Problem der hohen Fallzahlen: Inzwischen liegen zwar kaum noch Corona-Patienten auf den Intensivstationen, aber in den „normalen“ Krankenhausstationen füllen sich die Betten mit Coronapatienten. Dazu löst der neue Omikron-Subtyp BA.2 offenbar vielfach Erkrankungssymptome analog einer schweren Grippeerkrankung mit hohem Fieber, heftigen Gliederschmerzen und enormer Abgeschlagenheit aus – der sogenannte „milde“ Verlauf macht sich derzeit gerade bei vielen Erwachsenen als grippe-ähnliche Erkrankung bemerkbar: Die Betroffenen fühlen sich richtig krank. Die Folge: Immer mehr Arbeitnehmer fallen aus.

Angesichts der Entwicklung wird die Kritik an den geplanten Lockerungen der Corona-Maßnahmen durch den Bund immer lauter. Am 19. März endet das Infektionsschutzgesetz des Bundes, damit würden ab 20. März so gut wie alle Schutzmaßnahmen entfallen. Zwar will der Bundestag am Mittwoch über Verlängerungen von Maßnahmen beraten – doch ausgerechnet die enorm wichtige Maskenpflicht in öffentlichen Räumen und beim Einkaufen entfallen. Forscher haben inzwischen vielfach nachgewiesen, dass gerade das Tragen von FFP2-Masken das Risiko einer Corona-Infektion massiv reduziert, dass nun ausgerechnet diese einfache Schutzmaßnahme fallen soll, stößt auf scharfe Kritik von Ärzteverbänden und Virologen.

Virologin Melanie Brinkmann kritisiert scharf die geplanten Lockerungen, hier in der Talkshow "Markus Lanz" im November 2021. - Screenshot: gik
Virologin Melanie Brinkmann kritisiert scharf die geplanten Lockerungen, hier in der Talkshow „Markus Lanz“ im November 2021. – Screenshot: gik

So warnte die renommierte Virologin Melanie Brinkmann vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung in einer Anhörung vor dem Bundestag eindringlich vor dem Wegfall von Schutzinstrumenten wie der Maskenpflicht. Öffnungen gefährdeten Ungeimpfte sowie besonders gefährdete Gruppen, es sei nach wie vor „absolut wichtig“, Infektionen zu vermeiden, betonte Brinkmann, es müssten Instrumente beibehalten werden, die wirkten – und genau das wisse man man von Masken. Brinkmann plädierte zudem für bundesweit einheitliche Regeln, denn mit dem Wegfall der Bundesregeln droht erneut ein Flickenteppich von Maßnahmen zwischen den Bundesländern.

Auch der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, betonte, er halte die geplanten Lockerungen für das falsche Signal. Würde das neue Gesetz so verabschiedet, wie es das Bundeskabinett vorgelegt habe, „macht es alle Arbeit der letzten zwei Jahre obsolet“, schimpfte der Vorstand der Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, der zudem Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) vorwarf, seine Position sei „zutiefst widersprüchlich.“

Kritisiert inzwischen den Bundesgesundheitsminister - also sich selbst: Karl Lauterbach (SPD)., - Foto: gik
Kritisiert inzwischen den Bundesgesundheitsminister – also sich selbst: Karl Lauterbach (SPD)., – Foto: gik

Tatsächlich warnte Lauterbach am Montag auf Twitter, Deutschland habe inzwischen „die höchste Corona-Inzidenz in Europa“. Zu viele Menschen dächten, die Corona-Pandemie sei vorbei, kritisierte Lauterbach weiter, „weil Omicron harmlos sei – das ist falsch: Es sterben 200 Menschen am Tag, Tendenz steigt. Daher kann es keinen Freedom Day geben.“ Weiter mahnte der Bundesgesundheitsminister: „Damit kein Flickenteppich entsteht könnten die Länder sich auf eine gemeinsame Anwendung des geplanten neuen IFSG verständigen. Dabei helfe ich gerne.“ Dass er gleichzeitig aber gemeinsam mit mit dem FDP-Koalitionspartner einen Gesetzentwurf vorlegt, der genau diesen Flickenteppich erst ermöglicht und schafft, sorgte für nicht wenig Verwunderung und viel Kritik. Schließlich hatte Lauterbach selbst vor Kurzem noch gewarnt: Lockerungen würden die Omikron-Welle deutlich verlängern.

Das möge er doch alles mal dem Bundesgesundheitsminister erzählen, empfahlen Lauterbach daraufhin mehrere Follower. „Glaube, die zwei sind verstritten und reden seit Monaten nicht mehr miteinander“, argwöhnte gar eine Twitter-Userin ironisch: „Einer von beiden hat eventuell die Partei gewechselt und ist jetzt in der FDP – aber das kann auch ein Irrtum sein…“ Tatsächlich viele äußerten sich zutiefst enttäuscht, wie weit sich Lauterbach inzwischen von seinen eigenen Maßstäben entfernt habe. Lauterbach stehle sich aus der Verantwortung und sende mit den Lockerungen genau das Signal, vor dem er warne, schimpften viele.

Reaktionen auf Twitter zu den jüngsten Äußerungen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). - Foto: gik
Reaktionen auf Twitter zu den jüngsten Äußerungen von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). – Foto: gik

In Rheinland-Pfalz beschloss der Ministerrat am Dienstag nun zunächst einmal die Verlängerung der derzeit geltenden Corona-Maßnahmen über den 20. März hinaus – und zwar bis zum 2. April. In den kommenden zwei Wochen bleibt es daher vorerst bei der Maskenpflicht beim Einkaufen sowie in den weiterführenden Schulen, auch die anlasslosen zwei Tests in Schulen sowie die Regeln für Großveranstaltungen bleiben. „Die Corona-Infektionen in Rheinland-Pfalz steigen aktuell wieder an“, teilte die Landesregierung zur Begründung mit: Die Lage in den Krankenhäusern sei zwar stabil, „aber es fallen immer mehr Beschäftigte aus.“ Nach über zwei Jahren Pandemie und Arbeit über ihre eigenen Grenzen hinaus, könne das von den Kollegen in den Krankenhäusern nur schwer kompensiert werden. Auch zum Schutz dieser Menschen dienten die weiteren zwei Wochen.

Damit gilt weiter die Regel: Wo der Impf-, Test- oder Genesenenstatus kontrolliert wird, muss weiterhin überwiegend keine Maske mehr getragen werden. Ansonsten bleibt die Maske in Innenräumen Pflicht, im ÖPNV sowieso. Gesundheitsminister Clemens Hoch (SPD) hatte bereits am Montag unterstrichen, er halte „dieses vorsichtige Agieren für notwendig und angemessen, um die sehr hohe Dynamik noch genauer einordnen zu können.“ Die Modellierer des Fraunhofer Instituts ITWM hätten Ende vergangener Woche neue Prognosen vorgelegt, sagte Hoch weiter. Demnach gingen die Experten von einem weiteren Anstieg der Zahlen aus – sowohl bei den Infektionen, als auch bei der Hospitalisierungsrate. Grund dafür: zunehmend mehr Kontakte der Menschen und die Ausbreitung der Omikron-Subvariante BA.2.

Info& auf Mainz&: Mehr zu den Corona-Rekordzahlen, dem neuen Subtyp BA.2 sowie dem möglichen Einfluss der Fastnacht lest Ihr hier bei Mainz&. Wie die Corona-Pandemie eine deutliche (und erhebliche) Übersterblichkeit ausgelöst hat, könnt Ihr hier bei Mainz& nachlesen. Mehr zu den aktuellen Corona-Regeln in den Schulen Rheinland-Pfalz lest Ihr hier bei Mainz&.