Es ist ein Meilenstein in der Bekämpfung der Corona-Pandemie: Am 27. Dezember werden in Deutschland die ersten Impfungen mit dem neuen Corona-Impfstoff starten. Am Montag ließ die Europäische Union als erstes den in Mainz entwickelten Impfstoff der Firma BionTech zu, noch in dieser Woche sollen die ersten Impfdosen an die Länder verteilt werden. Das Mainzer Impfzentrum steht fertig bereit, doch es wird frühestens im Januar zum Einsatz kommen: Zu Beginn werden vor allem mobile Impfteams den Stoff gegen das Coronavirus in die Altenheime bringen. Damit aber rückt eine wirksame Bekämpfung der Corona-Pandemie in greifbare Nähe: Dank der Impfungen könnte womöglich die Pandemie im Spätsommer 2021 bereits stark eingedämmt sein.
Am Dienstag rief der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, die Deutschen noch einmal eindringlich dazu auf, auch an den Weihnachtsfeiertagen die Corona-Einschränkungen zu beachten und nach Möglichkeit einfach zuhause zu bleiben – die Coronalage in Deutschland ist weiter sehr ernst. Bundesweit stieg am Dienstag die Sieben-Tages-Inzidenz auf 195 Infektionen pro 100.000 Einwohner, der höchste Wert, den es in Deutschland seit Beginn der Pandemie je gab. 24.000 neue Corona-Infektionen meldete das RKI am Dienstag – und 962 neue Todesfälle. Auch in Mainz starben erneut drei Menschen an den Folgen einer Covid-19-Erkrankung, vier Tote gibt es im Landkreis Mainz-Bingen zu beklagen.
Immer neue Corona-Infektionswellen schwappen durch Kreise und Städte, gerade kletterte etwa der Landkreis Limburg-Weilburg auf eine Inzidenz von 338,5 Fällen, im Landkreis Groß-Gerau sank die Inzidenz hingegen auf 183 Fälle – bliebe das so, könnte der Landkreis binnen einer Woche die dort geltende Ausgangsbeschränkungen wieder aufheben. Auch in Mainz sank die Inzidenz auf 147 Fälle – doch ob das so bleibt, weiß niemand: Derzeit schlagen sich in den Zahlen die Infektionen von vor etwa zwei Wochen nieder. „Tatsächlich stehen uns einige schwere Wochen bevor, wir sollten sie nicht noch schwerer machen“, warnte Wieler – und die Weihnachtsfeiertage gelten als Risiko, wenn sich Menschen trotz aller Appelle mit zu vielen anderen treffen.
Dazu greifen derzeit massive Corona-Ausbrüche in Altenheimen um sich, auch in Mainz gebe es erhebliche Infektionen in mehreren Altenheimen, bestätigte der Chef des Gesundheitsamtes Dietmar Hoffmann gegenüber Mainz&. Es werde vermutlich mehrere Wochen dauern, bevor die Fallzahlen zurückgingen und bis sich auch die Zahl der Schwerkranken und der Todesfälle reduzierten, warnte Wieler. Sorgen macht den Experten zudem die neue, offenbar hochansteckende Virus-Mutation aus Großbritannien, die bislang in Deutschland noch nicht nachgewiesen wurde. Die Experten gehen aber davon aus, dass die Variante längst auch in Deutschland angekommen ist.
Hoffnung bietet da ein kleines Weihnachtswunder: Am Montag ließ die Europäische Union nun als ersten Impfstoff das von der Mainzer Firma Biontech entwickelte Produkt zur regulären Impfung zu. Die Zulassung erfolgte wenige Stunden nach der positiven wissenschaftlichen Empfehlung der Europäischen Arzneimittel-Agentur EMA und der anschließenden Billigung durch die Mitgliedstaaten. Im Gegensatz zu anderen Ländern wie den USA ist die Zulassung keine vorläufige, sondern eine vollständige, sie gilt aber erst einmal nur für ein Jahr.
BioNTech und Pfizer hatten am 1. Dezember einen förmlichen Antrag auf Erteilung einer bedingten Zulassung gestellt, dass bereits 20 Tage später die Entscheidung vorlag, lag an einem besonderen Verfahren: Die EMA hatte bereits seit dem 6. Oktober die Daten aus den Studien zur Erprobung des Impfstoffs im Rahmen einer sogenannten „fortlaufenden Überprüfung“ („rolling review“) analysieren können. „Dank dieses Verfahrens konnte die EMA den Antrag auf Erteilung einer bedingten Zulassung sehr schnell bewerten“, heißt es bei der EU-Kommission: Das Verfahren, das speziell für Notfallsituationen konzipiert sei, erlaube eine schnellstmögliche Bewertung der Daten und gewährleiste gleichzeitig, „dass alle Anforderungen in Bezug auf Sicherheit, Wirksamkeit und Qualität des Impfstoffs umfassend und gründlich geprüft werden.“
Nun wird der Impfstoff gleichzeitig an alle EU-Statten verteilt, zeitgleich am 27. Dezember wird nun die größte Impfaktion aller Zeiten starten. Man arbeite daran, die ersten Impfdosen am 26. Dezember ausliefern zu können, teilte die EU weiter mit, weitere Lieferungen sollen noch im Dezember folgen – bis September 2021 sollen alle 200 Millionen Impfdosen ausgeliefert sein. Tatsächlich hatte es in den vergangenen Tagen scharfe Kritik gegeben, weil sich die EUU deutlich weniger Impfdosen von Biontech und seinem US-Partner Pfizer gesichert hatte als möglich – nun steht die EU mit deutlich weniger Impfdosen des als ersten verfügbaren Impfstoffs da.
Als erstes sollen deshalb mit dem knappen Gut besonders gefährdete Gruppen geimpft werden, insbesondere ältere Menschen über 80 Jahren und Bewohner von Altenheimen. 9.750 Dosen Impfstoff werde Rheinland-Pfalz in einer allerersten Lieferung erhalten, teilte Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) mit. Die Impfungen sollen deshalb am 27. Dezember zunächst mit mobilen Impfteams in Altenheimen und Senioreneinrichtungen starten. „Der 27. Dezember wird ein ganz besonderer Tag werden, ein Tag, der den Menschen im Gedächtnis bleiben wird“, sagte Bätzing-Lichtenthäler weiter: Der Start der Impfkampagne sei „ein Tag, der uns gerade in der aktuell so schwierigen Phase der Pandemie Zuversicht schenkt. Der uns Hoffnung gibt, dass wir den langen und entbehrungsreichen Kampf gegen dieses Virus am Ende gewinnen werden.“
Derweil steht auch das Mainzer Impfzentrum zum Einsatz bereit: Am 17. Dezember meldete die Stadt Mainz die Fertigstellung des Impfzentrums in der ehemaligen Fachhochschule in Mainz-Gonsenheim, für den Start rechnet man hier zunächst mit etwa 200 Impfungen pro Tag. Das Zentrum sei jedoch so konzipiert, dass durch die Nutzung von weiteren Räumen bis zu 1.000 Personen täglich geimpft werden könnten, heißt es weiter – mehr dazu lest Ihr hier bei Mainz&.
Die Impfung gilt als Schlüssel im Kampf gegen die Corona-Pandemie, zumal bislang keine wirksamen Medikamente gegen die durch das Coronavirus Sars-CoV-2 ausgelöste Krankheit Covid-19 gibt. Der Biontech-Impfstoff ist eine Neuentwicklung, bei dem eine Boten-Ribonukleinsäure (mRNA) Informationen über einen Teil des Coronavirus in die Zelle transportiert. Dieser „Bauplan“ ermöglicht es den Zellen, harmlose Fragmente von Virusproteinen herzustellen, die der menschliche Körper dann dazu nutzt, eine Immunreaktion auf das Virus zu entwickeln – und so für eine spätere natürliche Infektion gerüstet ist.
„Wenn eine Person geimpft wird, lesen ihre Zellen die genetischen Anweisungen und produzieren Fragmente des „Spike-Proteins“ auf der Virushülle“, heißt es bei der EU-Kommission zur Erklärung. Die RNA ist jedoch, im Gegensatz zur DNA, ein instabiler Baustein, der nach einiger Zeit von allein zerfällt, die RNA hat deshalb auch nicht die Kraft, eine Veränderung der Genstruktur beim Menschen zu bewirken – eine oft geäußerte Angst. Wie verträglich der Impfstoff ist, wird indes derzeit noch mit Spannung beobachtet: Laut den Daten von Biontech treten durchaus häufig Nebenwirkungen wie Kopfschmerze, Rötungen der Einstichstelle und gelegentlich auch Müdigkeit und leichtes Fieber auf, wirklich schwere Nebenwirkungen traten bislang aber nur bei einem Bruchteil der Fälle auf – darunter allerdings sechs Fälle schwerer allergischer Reaktionen in den USA.
Wie die Süddeutsche berichtet, wurde der Biontech-Impfstoff allein in den USA inzwischen mehr als 272 000 Mal verabreicht, dabei sei es in sechs Fällen zu schweren allergischen Reaktionen bei Impflingen gekommen. Alle Fälle seien innerhalb des empfohlenen Beobachtungszeitraums nach der Impfung aufgetreten und sofort behandelt worden. Insgesamt hätten von den ersten 215.000 geimpften Personen weniger als 1,5 Prozent schwerere Nebenwirkungen nach der Impfung gehabt.
Auch in Mainz werde am Montag mit mobilen Teams in Altersheimen mit der Impfung begonnen werden, sagte Gesundheitsamtsleiter Hoffmann gegenüber Mainz&, für die Lieferung des Impfstoffs und die ersten mobilen Impfteams ist das Land Rheinland-Pfalz zuständig. „Es wird erst einmal so wenig Impfstoff sein, dass wir in diesem Jahr in den Impfzentren nicht mehr starten werden“, sagte Hoffmann weiter. Er gehe davon aus, dass eine breitere Impfkampagne am 4. Januar in den Impfzentren starten werde.
Laut der Impfverordnung der Bundesregierung sollen zuallererst Personen über 80 Jahre sowie Personal auf Intensivstationen und in Notaufnahmen geimpft werden, danach 70- bis 80-Jährige sowie andere besonders gefährdete Menschen mit Vorerkrankungen, und schließlich die 60- bis 70-Jährigen, medizinisch vorbelastete Menschen sowie Berufsgruppen wie Polizei und Feuerwehr, aber auch personal in Schulen und Kitas. Experten gehen davon aus, dass bereits eine Impfung von 60 Prozent der Bevölkerung bereits zu einer deutlichen Eindämmung des Virus und der Pandemie führen wird.
„Alle Experten gehen davon aus, dass es ab Ostern besser werden wird“, sagt auch Hoffmann. Bis dahin habe ein Teil der Bevölkerung bereits die Krankheit durchgemacht, sie überstanden und so eine natürliche Immunisierung erreicht, ein weiterer Teil sei bis dahin geimpft. Und dann stehe die wärmere Jahreszeit bevor: „Man darf nicht vergessen: es ist ein Erkältungsvirus“, sagte Hoffmann, „in der warmen Jahreszeit wird sich die Lage bessern, darauf hoffen wir.“
Auch Biontech-Chef Ugur Sahin zeigte sich am Dienstag in einer Pressekonferenz vorsichtig optimistisch: Er sei zum einen zuversichtlich, dass der Biontech-Impfstoff auch gegen die neue, mutierte Virusvariante wirken könne, es werde aber weitere Untersuchungen geben, sagte Sahin. Schreiten die Impfungen voran, gibt es zudem Licht am Ende des Tunnels: Schon im Spätsommer könne womöglich eine so breite Immunisierung erreicht worden, sein, sagte Sahin noch, dass sogar eine Rückkehr zu einem normalen Leben winken könnte.
Info& auf Mainz&: Mehr über das Mainzer Impfzentrum lest Ihr hier bei Mainz&.