Die Flutkatastrophe im Ahrtal hat es überdeutlich gezeigt: Deutschland ist in Sachen Katastrophenwarnungen alles andere als gut aufgestellt. Vor der gigantischen Flutwelle vom 14. Juli 2021 wurde so gut wie nicht gewarnt – obwohl den Wetterdiensten alle Daten vorlagen. Das soll sich nun endlich ändern: Das Bundeskabinett in Berlin beschloss am Mittwoch eine Änderung des Gesetzes, das die Tätigkeiten des Deutschen Wetterdienstes (DWD) regelt. Kern der Änderung: Der DWD soll künftig auf einem Webportal über Naturgefahren warnen können – und das schon ab Sommer 2024.
Der Deutsche Wetterdienst mit Sitz im hessischen Offenbach ist eine Bundesoberbehörde im Geschäftsbereich des Bundesministeriums für Digitales und Verkehr, deren Aufgaben „auf einem gesetzlichen Informations- und Forschungsauftrag“ beruhen, wie es beim DWD heißt. Und dieser Informations- und Forschungsauftrag ist tatsächlich per eigenem Gesetz geregelt, das detailliert die Aufgaben bei der „Erbringung meteorologischer und klimatologischer Dienstleistungen“ regelt.
Was das Gesetz nicht erlaubt: Obwohl der DWD eine Bundeseinrichtung ist, und damit mit Steuermitteln bezahlt wird, darf der Wetterdienst zwar in einer Wetter-App grob vor Unwettergefahren warnen – nicht aber ausführliche Wetterdaten zur Verfügung stellen. Das sei Wettbewerbsverzerrung gegenüber privaten Wetterdiensten, urteilte 2020 sogar der Bundesgerichtshof – beim DWD zeigte man sich enttäuscht: „Wir hatten für möglichst viele kostenfreie Wetterinformationen für die Bevölkerung bei Wettergefahren gekämpft“, sagte DWD-Pressesprecher Uwe Kirsch damals laut Süddeutscher Zeitung.
DWD: keine ausführlichen und kostenlosen Infos über Unwetterlagen
So herrscht in Deutschland weiter bis heute die kuriose Situation, dass der DWD nicht ausführlich und kostenlos über Unwettergefahren informieren darf – 2021 führte auch das dazu, dass Informationen über das Regentief Bernd mit seiner gewaltigen Regenmengen zwar den Experten bekannt waren, an die Bevölkerung aber nur in höchst mäßigem Umfang ausgespielt wurden. Über die Flutwelle im Ahrtal informierte der DWD gleich überhaupt nicht, die Folgen sind bekannt: Die bis zu zehn Meter hohen Fluten überraschten zahllose Bewohner des Ahrtals im Schlaf, 136 Menschen verloren ihr Leben in den Fluten.
Das soll sich nun wenigstens auf Seiten des DWD ändern: Am Mittwoch beschloss die Bundesregierung den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über den Deutschen Wetterdienst (DWD). 2,5 Jahre nach der Ahrflut sollen damit nun die Voraussetzungen für ein neues Warnportal des DWD im Internet geschaffen werden: Die Gesetzesnovelle schaffe die Rechtsgrundlage dafür, „dass der DWD ein Naturgefahrenportal betreiben kann“, teilte das Ministerium von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) mit.
Auf der Plattform sollen sich Bürger künftig über Naturgefahren an ihrem Wohn- oder Aufenthaltsort informieren können, so das Ministerium auf seiner Homepage weiter. „Es geht darum, über mögliche Naturgefahren aufzuklären und im Katastrophenfall schnell und effektiv zu warnen“, betonte Wissing. Der Deutsche Wetterdienst sei mit seiner Expertise, seinen Erfahrungen und seiner etablierten Warnstruktur „die ideale Stelle für den Betrieb des Naturgefahrenportals.“
Neues Naturgefahrenportal des DWD soll Warnungen verbreiten
Mit dem neuen Naturgefahrenportal reagiere man explizit auf die Flutkatastrophe im Ahrtal, sagte Wissing weiter – der FDP-Politiker war bis Dezember 2021 Wirtschafts- und Verkehrsminister in Mainz und erlebte somit die Flutkatastrophe als Minister hautnah mit. „Hochwasser und Überschwemmungen sind Naturereignisse, die immer wieder auftreten und sich nicht verhindern lassen“, betonte Wissing nun: „Zu welchen dramatischen und katastrophalen Folgen das führen kann, haben wir vor zwei Jahren im Ahrtal gesehen.“
Das Naturgefahrenportal solle dazu beitragen, den Zugang zu Vorsorge- und Warninformationen in Deutschland zu verbessern. Mit dem neuen Portal werde der Deutsche Wetterdienst „nicht nur dafür sorgen, dass seine eigenen Wetterwarnungen an der richtigen Stelle ankommen, sondern auch die Informationen anderer Behörden, zum Beispiel zu Hochwasserereignissen, mitverbreiten“, kündigte Wissing weiter an. Er sehe darin „eine wichtige und sinnvolle Ergänzung der bereits bestehenden Warnstrukturen von Bund und Ländern.“
Das Naturgefahrenportal werde als Webportal Lage- und Vorsorgeinformationen sowie Frühwarnungen zu Naturgefahren wie zum Beispiel Unwetter, Hochwasser oder Sturmfluten bereitstellen. „Entscheidend ist, dass die Informationen einfach und für alle verständlich zugänglich sind“, betonte Wissing zudem – genau daran hatte es auch im Ahrtal gehapert. Im Naturgefahrenportal sollen solche Informationen nun „an zentraler Stelle, in einheitlichem und barrierefreiem Format, und mit allen Informationen, die zum Verständnis der Informationen und Warnungen erforderlich sind, zur Verfügung stehen.“
Das neue Portal soll bereits zum Sommer 2024 in Betrieb gehen. „Jede interessierte Person kann dann im Naturgefahrenportal ihre Adresse eingeben und erfahren, wie hoch das Risiko für verschiedene Naturgefahren an ihrem Ort ist“, sagte Wissing weiter. Zudem könne sich dort jeder über die aktuelle Lage informieren – und bekomme im Fall einer akuten Gefährdung auch die Warnung des Modularen Warnsystems des Bundes im Naturgefahrenportal angezeigt.
Info& auf Mainz&: Mehr zum Problem, warum etwa Warnapps in der Flutnacht im Ahrtal nicht warnten, könnt Ihr auch noch einmal hier bei Mainz& lesen.